Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Annahme des Antrages. Die Bundesregierung und insbesondere ich sind bei den Verhandlungen in dem Ausschuß niemals entgegengesetzter Meinung gewesen. Ich darf unterstreichen, daß das Problem der Umsiedlung eines der allerwichtigsten auf dem Gebiete der Vertriebenenpolitik ist; denn in der falschen Verlagerung der Massen der Heimatvertriebenen, die in den Jahren 1945 und 1946 in unplanmäßiger Weise hereingedrückt worden sind, liegt eines der Hauptmomente für die böse Lane der Heimatvertriebenen überhaupt. Es ist ein absolut gerechtfertigter Anspruch der notleidenden Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und
Bayern, von der Überlastung befreit zu werden. Über diese Fragen herrscht bei keinem irgendein Streit, und unter diesem Gesichtspunkt ist die Verordnung aus Art. 119 der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates vom 29. November 1949 ergangen, die vorsieht, daß im Jahre 1950 300 000 Heimatvertriebene in die minderbelasteten Länder umgesiedelt werden müssen. Es ist gleichzeitig ein gewisser Schlüssel aufgestellt worden.
Bei Erlaß dieser Verordnung herrschte auch Klarheit darüber, daß eine gleiche Verordnung im Oktober dieses Jahres bezüglich einer weiteren Zahl von 300 000 ergehen muß; denn es war die Forderung, daß 600 000 innerhalb zweier Jahre umgesiedelt werden. Daß diese Teilung eingetreten ist, lag nur an technischen Dingen, technisch nicht in dem Sinne, daß die Eisenbahnen nicht hätten 300 000 transportieren können, sondern technisch in dem Sinne, daß die Aufnahmeländer ja irgendwelche wirklich planmäßigen Vorbereitungen treffen müssen, damit nicht das Unglück eintritt, daß Heimatvertriebene aus Schleswig-Holstein, die aus einem Massenlager kommen, als Einwohner von Rheinland-Pfalz in ein anderes Massenlager transportiert werden, sondern damit sie an Stellen eingesetzt werden, wo es Arbeit und womöglich auch Wohnungen gibt. Das ist eine riesige Planungsarbeit.
Nun wird gewöhnlich übersehen, daß in § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung vom 29. November 1949 steht:
Dabei werden Heimatvertriebene, die seit
dem 1. April 1949 aus einem der drei Abgabe-
länder kommend in einem Aufnahmeland
nachweislich aufgenommen sind, angerechnet. Diese Anrechnung mußte im ersten Jahre erfolgen, weil die Verhandlungen zwischen den Länderregierungen vom 1. April 1949 angelaufen sind und man sich nicht gut auf den Standpunkt stellen konnte, daß ein Land, das so großzügig war, möglichst viele vorweg aufzunehmen, nun eine relativ erhöhte Quote bekommen soll. Das ist also eine sachlich gerechtfertigte Bestimmung. Sie kommt im nächsten Jahre nicht in Betracht. Dazu möchte ich folgendes sagen: Wenn der Herr Abgeordnete Krause gesagt hat, es sei notwendig, daß die Zuzugsgenehmigung aufgehoben werde, und ich hätte am 25. April erklärt: dieser Antrag ist gestellt —, so ist das richtig. Der Antrag auf Aufhebung der Zuzugsgenehmigung, und zwar gestellt durch das Kabinett, liegt auf dem Petersberg. Ich hoffe alle Tage, daß er genehmigt wird. Der Abgeordnete Krause hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß nur in Verbindung mit diesen beiden Dingen ein wirklich durch den natürlichen Ausgleich unterstützter geplanter Ausgleich helfen kann.
Nun möchte ich eines dazu sagen: Die Verhandlungen mit den Ländern über alle diese Dinge sind außerordentlich schwierig, ich möchte sagen: schweißtreibend. Wer die Ehre hat, diese Verhandlungen zu führen, der weiß, wie mühevoll das ist. Aber ich kann doch feststellen, daß sich innerhalb des letzten halben Jahres eine starke Aufnahmebereitschaft gefunden hat, und ich stehe nicht an, von der französischen Zone insbesondere die Länder Südwürttemberg und Rheinland-Pfalz zu nennen, die sich außerordentliche Mühe geben, die Dinge zu erfüllen.
Nun sind in Nordrhein-Westfalen und in Hessen Schwierigkeiten eingetreten, die hier hervorgehoben worden sind. In Hessen sind es geringere Schwierigkeiten; da handelt es sich nur um 8000 Leute, über die man nicht viel zu reden braucht. In Nordrhein-Westfalen sind die Dinge schwieriger auf Grund der etwas schwierigen Lage. Ich kann wohl sagen, daß da noch manches Hemmnis, das zum Teil auf bürokratischen Schwierigkeiten beruht, überwunden werden muß. Weil es dort zu einer Einigung nicht gekommen ist, hat das Bundeskabinett in seiner Sitzung vom 2. Mai von der Berechtigung im § 4 der Notverordnung Gebrauch gemacht, wo es heißt:
Die Bundesregierung wird ermächtigt, die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Weisungen, insbesondere über die gebietsmäßige und zeitliche Verteilung der Heimatvertriebenen zu erteilen.
Diese Weisungsverordnung ist rechtskräftig, und ich habe das Recht, die Weisungen auszuüben und jetzt, da es zu keiner Einigung gekommen ist, durch Beschluß zu erklären: Ihr habt das und das zu tun! Dem haben sich die Länder zu beugen.
Ich darf aus der Weisung vom 2. Mai folgende Sätze vorlesen, die auch das Problem gleichzeitig etwas umreißen. Es heißt dort zu § 1 Abs. 2 Satz 2:
Für die Heimatvertriebenen, die aus einer Familienhaushalts- oder Lebensgemeinschaft hinausgehend in einem Aufnahmeland Aufnahme gefunden haben, findet die Anrechnung erst statt, nachdem die umsiedlungswilligen Angehörigen dieser Gemeinschaft gleichfalls aufgenommen worden sind.
Wenn also Nordrhein-Westfalen einen Arbeiter angesetzt und irgendwo aufgenommen hat, der die Familie in Schleswig-Holstein hat zurücklassen müssen, so wird ihm dieser Arbeiter auf die Quote nicht angerechnet oder erst angerechnet, wenn die Familie nachgekommen ist.
Weiter heißt es:
Sofern sich ein Abgabeland mit einem Aufnahmeland über die Anrechnung von Heimatvertriebenen nicht einigt, entscheidet auf Anruf die Bundesregierung.
Damit ist also jetzt das Rechtsinstrument vorhanden.
Ich darf aber erklären, daß ich den denkbar größten Wert auf eine freiwillige Einigung lege. Nur mit einer freiwilligen Einigung können wir zu einem Erfolg kommen; denn bei dem Problem der Heimatvertriebenen handelt es sich nicht nur um materielle, sondern um ganz große sittliche Aufgaben, die das deutsche Volk zu erfüllen hat.
Nun lassen Sie mich auf die Worte des Herrn Abgeordneten Tichi zu meiner gestrigen Erklärung vor der Presse zum Walter-Bericht eingehen. Dieser Walter-Bericht ist eines der allererfreulichsten Instrumente auf internationalem Boden, die wir, solange die Bundesregierung in Tätigkeit ist, erlebt haben. Es ist ein ungewöhnlich objektiver Bericht, der Seite für Seite unsere deutsche Ansicht bestätigt. Wir können dafür nur dankbar sein. Wir können insbesondere dafür dankbar sein, daß sich gestern gleichzeitig auch Präsident Truman dafür ausgesprochen hat, daß eine internationale Kommission, in der die Bundesregierung Sitz und Stimme haben soll, diese Fragen prüfen soll. Wir können also international über diese Dinge sprechen. Wenn in diesem Bericht ausgesprochen ist, daß die Vertriebenenfrage eine deutsche Frage ist, so ist damit nichts von irgendwelcher Schuld gesagt. Es ist zunächst eine deutsche Frage, und es ist völlig falsch, wenn wir fortwährend sagen: Bitte, ihr seid schuld daran und müßt daher die Dinge lösen. Damit kommen wir nicht weiter. Es bleibt, auch wenn die anderen schuld sind, nun einmal eine Frage der deutschen Verantwortung, und das deutsche Volk hat die Pflicht, alles bis zum äußersten zu tun und vorzuleisten, damit international eingesehen wird, daß wir diese Frage allein nicht lösen können, sondern daß zum mindesten wegen der ungeheuerlichen Folgen die ganze Welt uns bei der Lösung dieser Frage helfen muß. Ich kann nicht genug unterstreichen, von welcher außerordentlichen Wichtigkeit und Erfreulichkeit dieser Walter-Bericht ist. Ich werde mir gestatten, den Herren und Damen des Bundestages in der allernächsten Zeit die Übersetzung dieses Berichtes auszuhändigen. Der Bericht ist ein Kompendium der Wissenschaft der Vertriebenenfrage. Man mag über Einzelheiten verschiedener Ansicht sein; im großen und ganzen aber ist er außerordentlich erfreulich. In Anknüpfung an die Frage der Umsiedlung steht auch die heilige Mahnung an alle deutschen Stellen darin, alles zu tun, um von sich aus dieses Problem zu lösen.