Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Es geht ja von der Redezeit ab! Und wenn Kollege Renner Märchen erzählen will, kann er das in seiner eigenen Partei und Presse tun.
Was die Unterbringung der Heimatvertriebenen in den deutschen Ländern betrifft, so darf man natürlich heute, d. h. im Jahre 1950/51, wenn die Verordnung zur Neuverteilung der Heimatvertriebenen durchgeführt werden soll, eines nicht übersehen. Erstens: wir können, wollen und dürfen bei der Umquartierung der Heimatvertriebenen innerhalb Deutschlands nicht mehr mit den Methoden arbeiten, mit denen man seinerzeit diese Menschen aus der Heimat weggerissen und in Massentransporten in unsere Länder, in unsere Stadt- und Landkreise geschickt hat. Zweitens: wir können auch bei den Ländern, die jetzt Flüchtlinge aufnehmen müssen — das sehen wir ein —, nicht mehr mit den gleichen Methoden arbeiten, mit denen damals die Verwaltung in den Regierungsbezirken und in den Landkreisen arbeiten mußte, um die Transporte, die oft in einer Stärke von 2000 Menschen wöchentlich angekommen sind, innerhalb weniger Tage von der Straße und von den Lagern wegzuholen und in Häusern und sonstigen Unterkünften unterzubringen. Trotzdem darf ich aber hier — und das ist ein echtes Anliegen eines jeden Föderalisten — herzlichst darum bitten, daß sich im Interesse des Föderalismus alle deutschen Länder nicht nur theoretisch zur Aufnahme bereit erklären, sondern dann auch praktisch die nötige Konsequenz ziehen und den guten Willen wirklich in der Tat zeigen, um eine gleichmäßige Aufnahme der Heimatvertriebenen auch dort durchzuführen, wo sie sich bis heute noch nicht vollzogen hat.
Es darf sich dabei aber nicht allein darum handeln, daß man nur gewillt ist, erwerbsfähige Per-
sonen, möglichst ohne Kinder, möglichst ohne Familie, aufzunehmen, die sich für bestimmte bereitstehende Arbeitsplätze eignen. Es muß sich vielmehr darum handeln, daß man die Last, die hauptsächlich in den drei Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bayern übernommen worden ist, nunmehr mit anderen Mitteln und mit anderen Methoden als solchen, mit denen damals gearbeitet werden mußte, auf das ganze Bundesgebiet gleichmäßig verteilt. Es kann auch niemand den guten Willen derjenigen Länder bezweifeln, die am stärksten von der Last der Heimatvertriebenen betroffen worden sind. Allein das Land Bayern hat im Haushaltsjahr 1949/50 eine halbe Milliarde D-Mark für Aufnahme, Unterbringung in Arbeit und Betreuung der Heimatvertriebenen aufgebracht. Das ist bei weitem nicht das, was hätte aufgebracht werden müssen; es ist aber das gewesen, was aufgebracht werden konnte.
Wir sind auch dafür dankbar, daß das Ausland allmählich beginnt, das Flüchtlingsproblem als eine internationale Frage anzusehen. Es ist ja müßig, darüber zu streiten, ob das Problem in der Entstehung ein innerdeutsches Problem ist oder nicht. Wir sind hier bestimmt anderer Meinung als das Ausland. Die Folgen dieses Problems werden jedenfalls nicht eine innerdeutsche Frage bleiben; das ist klar. Die Auswirkungen werden sich weit über die Grenzen Deutschlands erstrecken. Das sollte man draußen begreifen, bevor es zu spät ist.
Wir werden dem Antrag zustimmen. Wir sind auch der Meinung — und das sage ich an die Adresse der Bayernpartei gerichtet —, daß über diese Quote von 600 000 hinaus in einem endgültigen, weiterverlaufenden Ausgleich die Einzelbelastung der Länder ausgeglichen werden muß, bis einigermaßen eine Gleichmäßigkeit eintritt. Aber was hat es heute für einen Sinn, eine deklamatorische Forderung zu stellen, daß weiter 600 000 Menschen umquartiert werden, bevor die Verordnung zur Umquartierung der ersten 300 000 überhaupt erfüllt ist?
Unsere Bitte an den Herrn Btindesflüchtlingsminister geht dahin, in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen dafür zu wirken, daß die erste Quote jetzt endlich einmal rasch umquartiert wird und daß die Umquartierung der zweiten Quote, die hier gefordert wird, ebenfalls in Kürze vor sich geht. Darum geht es uns im Interesse des Bundes und im Interesse der Existenz der Länder.