Meine Damen und Herren! Es wäre geradezu ein schwerwiegender Fehler, wenn wir den Flüchtlingen mit dieser Vorlage etwa weismachen wollten, daß damit das Flüchtlingsproblem gelöst würde. Diese Vorlage des Ausschusses besagt nichts anderes, als daß man nur an Erscheinungen herumlaboriert, anstatt an die grundlegende Frage heranzugehen, wie überhaupt das Flüchtlingsproblem zu lösen ist.
Wenn vorhin ein Kollege davon sprach, daß in diesem Hause schon wer weiß wie oft, und zwar in flehentlichen Worten, mit denen man sich an das Haus selbst wie an die Regierung gewandt hat, davon gesprochen worden ist, man solle das Flüchtlingsproblem lösen und wie man es lösen solle -- der Kollege ist wahrscheinlich selbst ein Flüchtlingsvertreter —, so möchte ich hier vor allem diejenigen in den Regierungsparteien ansprechen, die die Möglichkeit hätten, dafür zu sorgen, daß entscheidende Maßnahmen ergriffen würden. Von dieser Regierung, der Regierung Adenauer-Lukaschek, ist für die Flüchtlinge keine ernsthafte Maßnahme zu ihren Gunsten und zur Lösung des Flüchtlingsproblems zu erwarten.
Die entscheidende Frage, auf die es ankommt, wenn man an die Ursachen herangehen will, ist, festzustellen: 1. Das Flüchtlingsproblem' ist nur zu lösen,
indem man im Zuge der völligen Gleichberechtigung ihnen, soweit es sich um Flüchtlingsbauern handelt, endlich Grund und Boden gibt.
Herr Lukaschek, ich habe Sie mehr als einmal von dieser Stelle aus gefragt: Was tun Sie, um der großen Masse der Flüchtlingsbauern Grund und Boden zu verschaffen?
— Ich freue mich darüber, daß Sie jetzt, wie schon so oft, in dieser Art und Weise, durch Ihre Zwischenrufe zum Ausdruck bringen, daß Ihnen die Regelung der Flüchtlingsfrage, wie sie in der Deutschen Demokratischen Republik erfolgt ist, verdammt unangenehm ist.
Das weiß ich. Ich hatte erst vor zwei Tagen Gelegenheit, mit Flüchtlingsvertretern, die in der
Deutschen Demokratischen Republik waren und die
nicht Mitglieder der Kommunistischen Partei sind,
sondern Vertreter anderer Parteien, zu sprechen.
Sie haben mir auf Grund ihrer eigenen Studien in der Deutschen Demokratischen Republik erklärt, daß es dort drüben ein Umsiedler- oder Flüchtlingsproblem nicht mehr gibt.
Man hat nämlich den Herren, die teils in Ihren Reihen sitzen oder Sie zu den Zwischenrufen veranlassen, dort drüben die Rittergüter weggenommen, und .da, wo einer geherrscht hat, sitzen heute 10, 20 und 30 Flüchtlingsbauern.
Eine zweite, die entscheidende Frage: Auch wenn im Zuge der Umsiedlung oder des Flüchtlingsausgleichs, wie er in dieser Vorlage vorgesehen ist, von den Ländern, die überbelegt sind, gewisse Spitzen weggenommen werden, ist damit der Arbeitsplatz und der Wohnraum für die Flüchtlinge im neuen Aufnahmeland noch lange nicht geschaffen; sie werden, ob sie nach Hessen oder nach Nordrhein-Westfalen oder in andere Länder der Bundesrepublik kommen, auch dort dem Elend der Arbeitslosigkeit preisgegeben sein, solange nämlich diese Regierung und Ihre Parteien eine Politik machen, die durch Unterstützung der Demontagen den Arbeitsplatz demontiert und damit auch die Flüchtlinge arbeitslos macht.
- Jawohl, das sind die Tatsachen, und Sie können sie durch eine Hetze unter den Flüchtlingen gegen den Osten nicht mehr verwischen, und können nicht verhindern, daß ihnen die Augen darüber geöffnet werden. Hier sitzen die Schuldigen und bei
den Parteien, die an dem Flüchtlingselend bei uns in Westdeutschland schuld sind.
Wir werden im Hinblick auf die Tatsache, daß gewisse Notwendigkeiten eines Spitzenausgleichs
sich ergeben, der Vorlage zustimmen, möchten aber noch einmal betonen, — —