Rede von
Franz
Pfender
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat am 5. Oktober 1949 den Antrag eingebracht:
Der Bundestag wolle beschließen:
Um mit einer gleichmäßigen Eingliederung der Heimatvertriebenen in die Bevölkerung des Bundesgebietes zu beginnen. sind die Länder — mit Ausnahme der Städte Hamburg und Bremen - zu verpflichten, aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bavern zunächst insgesamt 600 000 Heimatvertriebene mit tunlichster Beschleunigung aufzunehmen. Die Umsiedlung muß die Familien-, Haushaltsoder Lebensgemeinschaft der Heimatvertriebenen berücksichtigen und darf die Freiwilligkeit ihrer Beteiligung nicht beeinträchtigen.
Dieser Antrag wurde zunächst im Ausschuß für
Heimatvertriebene nicht endgültig behandelt, weil
der Ausschuß den Erlaß der angekündigten Verordnung der Bundesregierung abwarten wollte. Diese
Verordnung ist am 29. November 1949 verkündet
worden und sah vor, daß bis zum 31. Dezember 1950 zunächst 300 000 Heimatvertriebene aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern in der Hauptsache in die Länder der französischen Zone, Nordrhein-Westfalen, Württemberg-Baden und Hessen umgesiedelt werden sollten. Auf Grund dieser Verordnung hatte der Ausschuß für Heimatvertriebene am 24. Februar 1950 einstimmig beschlossen, dem Bundestag vorzuschlagen, den Antrag der SPD als erledigt zu erklären. Die Mitglieder der SPD-Fraktion hatten im Ausschuß zu Protokoll gegeben, daß sich die Fraktion vorbehalte, zu gegebener Zeit einen Antrag zu stellen, über diese Umsiedlung hinaus eine weitere Umsiedlung vorzunehmen.
Der Bundestag hat — in der Sitzung vom 17. März 1950 — diesem Antrag des Ausschusses nicht zugestimmt, sondern seine Zurückverweisung beschlossen. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat sich mit dem Antrag der SPD am 20. April 1950 nochmals eingehend beschäftigt und beschlossen, dem Bundestag nunmehr vorzuschlagen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Um eine gleichmäßige Eingliederung der Heimatvertriebenen in die Bevölkerung des Bundesgebietes zu erreichen, sind die Länder zu verpflichten, aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern zunächst insgesamt 600 000 Heimatvertriebene mit tunlichster Beschleunigung aufzunehmen.
Die Umsiedlung muß die Familien-, Haushaltsoder Lebensgemeinschaft der Heimatvertriebenen berücksichtigen und darf die Freiwilligkeit
ihrer Beteiligung nicht beeinträchtigen.
Im Ausschuß trat die übereinstimmende Meinung zutage, daß dieser Antrag nicht der Absicht des Bundesflüchtlingsministeriums widerspreche, bis Jahresende 1950 300 000 Vertriebene und anschließend weitere 300 000 umzusiedeln. Es wurde hierbei allerdings darauf hingewiesen, daß möglichst eine Beschleunigung erfolgen solle. Im Vordergrund aber soll die arbeits- und wohnraummäßige Unterbringung in den Aufnahmeländern stehen.
Auf Grund der Verordnung der Bundesregierung vom 29. November 1949 hatten zwischen den abgebenden und aufnehmenden Ländern Verhandlungen stattgefunden. Diese Verhandlungen haben zu Vereinbarungen geführt, und zwar erstens der Länder Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein mit dem Lande Rheinland-Pfalz, zweitens der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein mit dem Lande Württemberg-Baden, drittens der Länder Bayern, Niedersachsen mit dem Lande Württemberg-Hohenzollern — die Vereinbarung Schleswig-Holsteins mit Württemberg-Hohenzollern steht noch aus, ist aber demnächst zu erwarten —, viertens der Länder Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein mit dem Lande Baden. Die Umsiedlungstransporte zwischen den vorstehend genannten Ländern sind bereits im Gange oder stehen unmittelbar bevor.
Kein Ergebnis zeitigten bis jetzt die Verhandlungen zwischen den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und dem Lande Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen ist wohl bereit, je nach Bedarf arbeitsfähige und alleinstehende Heimatvertriebene aufzunehmen, vorerst nicht aber auch deren Familien. Eine Aufnahme der Familien soll erst erfolgen, wenn die hierzu notwendigen Wohnungen geschaffen sind.
Außerdem lehnt Nordrhein-Westfalen es bisher ab, nicht erwerbsfähige Heimatvertriebene in seinem Lande aufzunehmen.
Zwischen den abgebenden Ländern und dem Lande Hessen kam es ebenfalls nicht zu einer Vereinbarung. Hessen will seine Aufnahmeverpflichtungen aus der Verordnung vom 29. November 1949 nur im Rahmen der natürlichen Wanderungsbewegung erfüllen. Dabei soll nicht nur der bis zum Inkrafttreten der Umsiedlungsverordnung entstandene, sondern auch der im Jahre 1950 noch entstehende Wanderungsgewinn angerechnet werden. Sollte bis 31. Dezember 1950 Hessen seine zahlenmäßige Aufnahmeverpflichtung infolge dieser natürlichen Wanderungsbewegung gegenüber den einzelnen Abgabeländern nicht erfüllt haben, so wünscht es eine Verrechnung mit dem Wanderungsgewinn aus anderen Aufnahme- oder Abgabeländern. Lediglich gegenüber Schleswig-Holstein hat sich Hessen bereit gefunden, aus monatlich vorzulegenden 200 Umsiedlungsanträgen geeignete Bewerber zu übernehmen. Zu dieser allgemeinen Stellungnahme gegenüber der Aufnahme von Vertriebenen gibt Hessen als Begründung an, daß es keine verfassungsrechtliche Handhabe besitze, Heimatvertriebene, die auf Grund der Verordnung vom 29. November 1949 nach Hessen umgesiedelt werden, in Gemeinden seines Landes einzuweisen. Es droht an, daß, wenn auf Grund dieser Verordnung die Aufnahme erzwungen werde, eine Unterbringung der Heimatvertriebenen nur in Lagern erfolgen könne.
Aus den Berichten der Vertreter der Bundesregierung und aus dem Bericht insbesondere des Vertreters des Landes Niedersachsen war zu entnehmen, daß mit den Ländern der französischen Zone und des Landes Württemberg-Baden eine zufriedenstellende Vereinbarung erzielt werden konnte, daß aber durch die Haltung Nordrhein-Westfalens und Hessens die restlose Durchführung der Umsiedlung von 300 000 Heimatvertriebenen in Frage gestellt ist.
Im Ausschuß kam übereinstimmend zum Ausdruck, daß die Bundesregierung durch geeignete Maßnahmen die beschleunigte und restlose Durchführung der Verordnung vom 29. November 1949 sicherstellen müsse und daß bereits jetzt die für eine Umsiedlung weiterer Heimatvertriebener notwendigen Vorarbeiten getroffen werden sollten mit dem Ziel, zunächst insgesamt 600 000 Heimatvertriebene umzusiedeln. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß eine der wichtigsten Voraussetzungen, nämlich die gleichmäßige Eingliederung der Heimatvertriebenen in die Bevölkerung des Bundesgebietes, nur erfüllt werden kann, wenn die mit Heimatvertriebenen überbelasteten Länder an die bis jetzt zu schwach belasteten Länder abgeben können.
Der Ausschuß für Heimatvertriebene schlägt deshalb vor, seinem Antrag Drucksache Nr. 841 stattzugeben.