Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich heute als zuständiger Ressortminister die Zustimmung des Hohen Hauses zum Anschluß der Bundesrepublik an das Weltweizenabkommen erbitte, so darf ich das wohl mit der Hoffnung tun, daß in dem gesetzgeberischen Akt, dessen es noch bedarf, um den Beitritt Westdeutschlands rechtskräftig zu machen, der Bundestag in seiner ganz überwiegenden Mehrheit einig ist.
Ich möchte vorweg bemerken, daß der Bundesrat den Gesetzentwurf im Hinblick auf die großen Vorteile, die uns die Mitgliedschaft im Weltweizenpakt bietet, bereits einstimmig gebilligt hat. Ich glaube, wir dürfen Genugtuung darüber empfinden, daß mit diesem Beitritt ein weiterer wichtiger Schritt zur Eingliederung der Bundesrepublik in das Vertragssystem der westlichen Welt getan wird. Es liegt in der Natur der Sache und in unserer allgemeinen Situation begründet, daß ein solcher Akt heute nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen Charakter trägt.
Das Weltweizenabkommen dient dazu, die wirtschaftlichen Beziehungen der Vertragsstaaten zu normalisieren. Es soll Ausfuhr und Einfuhr des wichtigsten Welthandelsproduktes in einen festen Rahmen bringen, die Brotversorgung der Zuschußländer sichern helfen und eine Preissenkung einleiten. Indem es also der wirtschaftlichen Stabilisierung dient, schafft es zugleich auch Voraussetzungen für eine gedeihliche politische Entwicklung. Westdeutschland hofft mit den übrigen am Abkommen beteiligten Ländern, daß der Pakt den Hoffnungen, die bei seinem Abschluß darauf gesetzt wurden, gerecht werden wird. Jedenfalls wird er um so stärkere Garantien des Bestandes und des Funktionierens in sich tragen, je größer der Kreis der Beteiligten ist. In diesem Sinne bedeutet der Beitritt Westdeutschlands nicht nur einen Vorteil — und ich darf sagen: auch einen Erfolg für die Bundesrepublik —, sondern gleichzeitig einen Beitrag zur Vervollkommnung dieses Instrumentes der Weltwirtschaft im gemeinsamen Interesse aller Vertragsländer.
Sie werden fragen, meine Damen und Herren, warum es denn so lange gedauert hat, bis sich der Weltweizenrat auf seiner zweimal unterbrochenen Londoner Tagung über die Aufnahme Westdeutschlands geeinigt hat. Sie wollen mir gestatten, daß ich mich an dieser Stelle mit der uns gebotenen Zurückhaltung über diese Verzögerung äußere. Die Ursachen lagen jedenfalls nicht auf deutscher Seite, und die Schwierigkeiten ergaben sich eigentlich nicht aus dem deutschen Aufnahmeantrag, sondern aus seiner ursprünglichen Verkoppelung mit dem japanischen. Außerdem bedurfte die Aufteilung des
zusätzlichen Exportkontingentes auf die Ausfuhrländer einiger Überlegung.
Nun darf ich Ihnen die materielle Bedeutung des Abkommens mit einigen Daten erläutern. Wir haben, wie Ihnen allen bekannt ist, im vergangenen Jahr eine außergewöhnlich gute Ernte gehabt. Aber auch wenn unserer Landwirtschaft die geplante Produktionssteigerung gelingt und wir den Anteil der Eigenproduktion allmählich steigern können, bleibt unsere Ernährung aus den bekannten Gründen noch stark einfuhrabhängig. Nach der Versorgungsplanung 1949/50 ist Westdeutschland mit rund der Hälfte seines Brotgetreidebedarfes auf die Einfuhr angewiesen. Diese wiederum besteht ganz überwiegend aus Weizen. 1949/50 werden wir im ganzen ' einschließlich einer Erhöhung der Vorräte 3,4 Millionen Tonnen Brotgetreide einführen, wovon 2,7 Millionen Tonnen auf Weizen und 0,7 Millionen Tonnen auf Roggen entfallen. So sehr wir uns bemüht haben, die hoch zu subventionierende Weizeneinfuhr durch billigeren Importroggen zu ersetzen, so ist doch der Roggeneinfuhr eine Grenze gezogen, da erstens das Roggenangebot in der Welt beschränkt ist und wir zweitens Roggen im wesentlichen über Handelsverträge bekommen, die Roggeneinfuhr also an einen entsprechenden Industrieexport gebunden ist.
Um nun unsere große und kostspielige Weizeneinfuhr zu ermäßigen und zu verbilligen, gab es drei Möglichkeiten: Verminderung des Weizenverbrauchs, Verlagerung der Einfuhr vom teuren Dollarweizen zum billigeren Weizen aus Handelsverträgen und Beitritt zum Weltweizenabkommen. Die beiden ersten Wege haben wir bereits mit Erfolg beschritten. Der Weizenkonsum, der als Folge der Mangeljahre zeitweise stark übersteigert war, ist bereits zurückgegangen, und der Verbrauch lenkt wieder stärker zurück zum Roggenbrot. Der Weizenverbrauch 1949/50 wird voraussichtlich erheblich hinter dem Voranschlag zurückbleiben. Es war daher möglich, die Weizeneinfuhr zum Teil auf Lager zu nehmen und wieder normale Vorräte zu bilden, was mir angesichts der Ungewißheit unserer Einfuhrmöglichkeiten im kommenden Jahr als eine Vorsichtsmaßnahme und als Ausgleichsreserve für etwaige Spannungen in der Versorgungslage unerläßlich erscheint. Durch Ausnutzung der handelsvertraglich gebotenen Einfuhrmöglichkeiten haben wir ferner 400 000 Tonnen USA-Weizen durch billigeren Weizen aus Nicht-Dollarländern ersetzt. Den entscheidenden Schritt zur Verbilligung unserer Weizeneinfuhr aber soll der Beitritt zum Weltweizenabkommen bringen.
Ich muß nun einiges über die Grundgedanken des Abkommens sagen. Der Vertrag dient der Stabilisierung des Weltweizenmarktes. Er will den Importländern auch bei einer Verknappung am Weltmarkt und bei steigenden Marktpreisen den Einkauf eines bedeutenden Teils ihres Zuschußbedarfes zu nicht überschreitbaren Höchstpreisen garantieren, und er will andererseits den Exportländern die Sicherheit geben, daß sie auch bei wachsenden Überschüssen am Weltmarkt und sinkender Preistendenz ein Gesamtkontingent, das ursprünglich 12,4 Millionen Tonnen betrug und sich nach dem Beitritt Westdeutschlands auf 14,2 Millionen beläuft, zu einem nicht unterschreitbaren Mindestpreis absetzen können. Die Importländer — nach unserem Beitritt im ganzen 38 — verpflichten sich, den Exportländern bis zum Jahre 1952/53 jährlich bestimmte Mengen abzunehmen. Von den großen Weizenüberschußländern der Welt sind die Vereinigten Staaten,
Kanada und Australien Partner des Abkommens, von den kleineren Uruguay und Frankreich, dessen Weizenerzeugung in den letzten Jahren stark gestiegen ist und einen Export ermöglicht. Argentinien und Sowjetrußland sind am Abkommen nicht beteiligt,
was zur Folge hat, daß die Zuschußländer dort frei einkaufen und etwaige günstigere Marktchancen für den nicht vertragsgebundenen Teil ihres Weizenbedarfes wahrnehmen können.
Der Höchstpreis des Abkommens beträgt frei Schiff Exporthafen 180 Cents je Bushel für die kanadische Standardqualität und bleibt für die gesamte Laufzeit, also bis zum Jahre 1952, unverändert. Der Mindestpreis beträgt in diesem Jahre 150 Cents und sinkt jährlich um 10 Cents bis auf 120 Cents im Jahre 1952/53. Innerhalb der Spanne zwischen dem Höchstpreis und dem jeweiligen Mindestpreis bilden sich die effektiven Lieferpreise. Sie sind je nach der Marktlage in den einzelnen Exportländern verschieden und werden sowohl von dem Gesetz von Angebot und Nachfrage als auch von der stärkeren oder schwächeren Position der Kontrahenten beeinflußt.
Es hat sich zum Beispiel bisher schon gezeigt, daß Australien nicht geneigt ist, vom Höchstpreis abzugehen, wobei es seine starke Stellung als Pfundwährungsland ins Treffen führt, während die Vereinigten Staaten, die den Wunsch nach Verminderung ihres Weizenüberflusses haben, mit Hilfe von Exportsubsidien den Lieferpreis nicht unwesentlich unter den Höchstpreis ermäßigen.
Wichtig ist die Bestimmung, daß die Importländer zur vollen Abnahme ihrer Quoten nur dann verpflichtet sind, wenn sie zu Mindestpreisen zu liefern bereit sind, und daß umgekehrt die Exportländer ihre Lieferverpflichtung nur zu Höchstpreisen zu erfüllen brauchen. Wie sich diese Preisbestimmungen auf die tatsächliche Abwicklung der vertraglichen Lieferungen im ersten Jahre auswirken, wird man erst nach Ablauf des ersten Vertragsjahres am 31. Juli sagen können.
Wir haben nun, wie Ihnen bereits bekannt ist, die Quote, mit der wir in das Abkommen hineingehen wollen, auf 1,8 Millionen Tonnen bemessen. Damit stehen wir unter den Importländern des Abkommens an zweiter Stelle, hinter Großbritannien mit 4,8 Millionen Tonnen und weit vor dem nächsten Land, Italien, mit 1,1 Millionen Tonnen. Von dem Gesamtkontingent des Abkommens, das nach unserem Beitritt 14,2 Millionen Tonnen beträgt, entfallen auf die Bundesrepublik rund 13%. Wir sind bei der Bemessung unserer Quote davon ausgegangen, daß unser voraussichtlicher Jahreseinfuhrbedarf in den nächsten Jahren durchschnittlich etwa 2.5 Millionen Tonnen betragen wird, wovon also 72 % durch unsere Paktquote gedeckt werden. Wir behalten dann für die Weizenimporte außerhalb des Abkommens noch einen genügenden Spielraum. Die der deutschen Quote entsprechende Erhöhung der Exportkontingente der Überschußländer ist so vorgenommen worden, daß Westdeutschland den ganz überwiegenden Teil seines Paktweizens aus den Vereinigten Staaten beziehen wird, die unsere Weizenversorgung auch bisher schon fast vollständig bestritten haben. Das steht natürlich im engsten Zusammenhang damit, daß die Vereinigten Staaten uns auch die Kredite zur Finanzierung dieser Importe zur Verfügung stellen.
Damit komme ich auf die finanzielle Bedeutung unserer Mitgliedschaft. Dabei ist zweierlei zu unterscheiden: erstens die Ersparnis im Einkauf, zweitens die Ermäßigung des Subventionsbedarfs.
Zum ersten: Bisher haben wir für die Weizeneinfuhr aus den Vereinigten Staaten die sogenannten Kontraktpreise bezahlt, die jeweils das Kriegsministerium beim Einkauf der Mengen für uns auslegte und die sich cif deutscher Hafen auf 98 bis 101 Dollar je Tonne stellen. Wie teuer uns die Tonne Weizen im Rahmen des Abkommens durchschnittlich zu stehen kommen wird, läßt sich im Augenblick noch nicht genau sagen, da, wie erwähnt, der Lieferpreis Schwankungen unterliegt und von der Entwicklung des Marktes, der Frachten und anderer Faktoren abhängt. Wir glauben aber, nicht zu optimistisch zu sein, wenn wir zunächst mit einem cif-Preis von 82,5 Dollar je Tonne rechnen, wobei es nicht ausgeschlossen ist, daß sich der Preis schließlich noch etwas günstiger stellt. Ob und inwieweit uns nun aus dem Minderbedarf an ECA-Mitteln für die Weizeneinfuhr insofern ein Vorteil erwächst, als wir einen größeren Betrag für die Einfuhr anderer Nahrungsmittel verwenden können, muß allerdings noch als offene Frage gelten.
Um so wichtiger ist die Verminderung des Subventionsbedarfs. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß der größte Posten der Einfuhrsubventionen, die zum Ausgleich des höheren ausländischen Preisniveaus bisher erforderlich waren, auf die Weizeneinfuhr entfällt. Nach dem Voranschlag für die Zeit vom 1. Oktober 1949 bis zum 30. Juni 1950 beansprucht die Weizensubvention mit 310 Millionen DM fast 50 % des gesamten Nettosubventionsbedarfs. Für den kleinen Rest des laufenden Wirtschaftsjahres, also bis zum 30. Juni, wird sich auch beim laufenden Verbrauch noch eine sehr begrüßenswerte Subventionsersparnis ergeben.
Auf weitere Einzelheiten einzugehen; möchte ich mir für heute versagen. Es dürfte sich empfehlen, die weitere Entwicklung der Dinge abzuwarten. Ich habe nur noch die eine und sehr dringende Bitte, daß das Hohe Haus die Beschlußfassung in dieser Angelegenheit so sehr wie möglich beschleunigen möge. Die uns ursprünglich gesetzte Frist für die Überreichung der Beitrittserklärung in Washington, die am 30. April abgelaufen ist, ist uns um zehn Tage verlängert worden. Der Weltweizenrat hat aber wissen lassen, daß er auf die verfassungsmäßig vorgeschriebene Ratifikation durch die parlamentarischen Instanzen der Bundesrepublik innerhalb der festgesetzten Frist Wert legt.
Ich bitte daher das Hohe Haus im Namen der Bundesregierung um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf und um seine baldige Verabschiedung.