Rede von
Valentin
Baur
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Wenn dem Antrag die ihm zukommende Aufmerksamkeit erwiesen und wenn insbesondere die Bedeutung der nun fast ein Jahr dauernden Behandlung dieses Antrages in das richtige Licht gerückt werden soll, so ist das nur moglich, wenn Sie mir Gelegenheit zu einer kurzen chronologischen Behandlung des Schicksals dieses Antrags in den mit ihm befaßten Parlamenten gestatten. Nur wenn Sie sich das vergegenwärtigen, sind Sie meiner Meinung nach in der Lage, den vollen Ernst der Sachlage zu erkennen und einen entsprechenden Beschluß zu fassen.
Der Wirtschaftsrat hat in seiner 38. Vollversammlung am 24. J uni 1949 beschlossen, der Verwaltungsrat solle einen Vorschlag unterbreiten, nach dem die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung durchgefuhrt werden konne. Das ist geschehen. Am 24. 6. und am 13. 7. sind die entsprechenden Beschlüsse gefaßt worden. Am 16. 7. hat der Wirtschaftsrat dann einen Gesetzentwurf angenommen, wonach diese Aufhebung der Gehaltskurzung am 1. 9. 1949 in Kraft treten sollte. Am 3. August hat der Länderrat seine Zustimmung zu diesem Gesetz gegeben. Am 5. 8. lehnte die Militarregierung diesen Gesetzentwurf mit der Begründung ab, daß dafür der bis dahin gewählte Bundestag zuständig sei. Am 8. 8., drei Tage später, hat der Ausschuß für Beamtenrecht im Wirtschaftsrat wiederum beantragt, die Militärregierung erneut zu ersuchen, diese Gehaltskürzung aufzuheben. Auch diesen Antrag hat die Militärregierung abgelehnt, wiederum mit der Begründung, daß das Aufgabe des Bundestages sei.
Der Wirtschaftsrat hat also in nicht ganz zwei Monaten sehr klar und sehr deutlich diese Frage entschieden. Der Bundestag besteht nunmehr acht Monate, und in acht Sitzungen, in denen wir uns mit diesem Problem beschaftigt haben, ist noch keine ordentliche Entscheidung getroffen worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sind die Tatsachen? Zunächst, daß alle Länder und Gemeinden für ihre Beamten und Angestellten diese Gehaltskürzungen in der Zwischenzeit aufgehoben haben und daß sie in allen Ländern und Gemeinden spätestens zum 1. 10. 1949 in Wegfall gekommen ist. Es ist ferner festzustellen, daß speziell für die Bediensteten bei der Bundesbahn und Bundespost in der Zwischenzeit durch eine Maßnahme des Verwaltungsrates des Wirtschaftsrates die Versorgungsbezüge für die verdrängten Beamten dieser Kategorie gleichgestellt worden sind und daß entsprechend die übrigen Beamten dafür ihre Abzüge erhalten.
Es ist weiter festzustellen, daß die Bahnbeamten der französischen Zone bereits in den Genuß dieser sechs Prozent kommen, so daß die groteske Tatsache besteht, daß beispielsweise ein Eisenbahner, der in Karlsruhe wohnt und in der französischen Zone beschäftigt ist, diese sechsprozentige Gehaltskürzung nicht mehr zu ertragen hat, während der im gleichen Hause wohnende Eisenbahnbeamte, der in Karlsruhe bedienstet ist, immer noch durch diese sechs Prozent benachteiligt wird. Das bedeutet für diese Kreise im Hinblick darauf, daß die Regelung für die in diese Kategorie fallenden Beamten und
die Gleichstellung der Pensionen und Versorgungsansprüche in der Zwischenzeit durchgeführt sind, eine Benachteiligung.
Jeder Abgeordnete muß sich meines Erachtens doch einmal fragen, ob er von dem Volk, vor allen Dingen von den Beamten und Angestellten ernst genommen werden will. Ich bin der Meinung, daß die große Zahl der Beamten davon nichts hat, wenn Sie bei jeder Gelegenheit in den Debatten das Berufsethos der Beamten in Worten lobpreisen und nicht bei praktischer Gelegenheit beweisen, daß Sie dieses Berufsethos auch zu belohnen bereit sind, sondern nur platonische Worte dafür übrig haben. Mit platonischen Worten können diese Bürger und Bürgerinnen nichts anfangen. Sie wollen Taten sehen; denn nur dadurch wird ihnen geholfen.
Sie müssen weiter bedenken, daß unzufriedene Menschen für einen Staat und für die gesamte menschliche Gesellschaft immer ein sehr gefährlicher Sprengstoff sind und für einen neuen Staat, der sich erst im Aufbau befindet, wie unsere junge deutsche Bundesrepublik, doppelt gefährlich sind. Das Vertrauen, das diese Bürger in ihr gesetzgebendes Parlament haben sollen, ist eine absolute Voraussetzung dafür, daß der Aufbau überhaupt gelingen kann.
Bei den Beratungen um das Beamtengesetz haben Sie immer davon gesprochen, daß die Beamten in einem Treueverhältnis zu Staat und Gemeinden stehen. Ein Treueverhältnis kann nur dann Bestand haben, wenn es nicht einseitig gefordert wird. Auch Sie und die Regierung sind meines Erachtens verpflichtet, dieses Treueverhältnis zu beweisen, indem Sie endlich den gesamten Bundesbeamten die berechtigten Ansprüche zukommen lassen. Wir wollen, daß heute endlich die Zusicherung wahrgemacht und beschlossen wird, und zwar ohne irgendwelche Bindung.
Meine Freunde von der sozialdemokratischen Fraktion stehen absolut auf dem Standpunkt der Forderung der Gewerkschaften, die auch der Meinung sind, daß diese Angelegenheit ohne irgendwelche Verkoppelung zu regeln ist. Deshalb beantrage ich im Auftrage meiner Fraktion eine getrennte Abstimmung über die beiden Abschnitte der Drucksache Nr. 830. Das bedeutet nicht, daß wir die Kreise vernachlässigen wollen, die nach Art. 131 endlich auch ihre Regelung finden sollen. Wir treten als Sozialdemokraten dafür ein, daß diese Regelung für alle die Kreise, die in Art. 131 des Grundgesetzes vorgesehen sind, rasch 'und gründlich erfolgt. Wir sind bereit, die hierfür notwendigen Beratungen zu beschleunigen und, wo immer es geht, zu fördern, damit auch die Ansprüche dieser sich in Not befindenden Kreise baldmöglichst gesetzlich geregelt werden.
Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete des bayerischen Landtages, Herr Haußleiter, hat vor wenigen Tagen in Augsburg in einer öffentlichen Versammlung gesagt, daß die Mitglieder dieses Hauses wenig zu sagen hätten und daß es die Meinung des Volkes sei, daß wir die bestbezahlten Arbeitslosen der Welt wären. Wenn solche demagogischen Äußerungen draußen im Volke auf fruchtbaren Boden fallen können, dann ist das Parlament nicht unschuldig daran, wenn es in acht Sitzungen in acht Monaten zu keiner entscheidenden Lösung kommt. Die Bundesbediensteten haben
Lösung kommt. Die Bundesbediensteten haben
das Recht, daß sie mit den Beamten der Länder und Gemeinden gleichgestellt werden.
Meine Fraktion ersucht daher das Haus, den Antrag in Ziffer 1 ohne irgendwelche Einschränkung zu genehmigen. Wir sind das diesen Männern
und Frauen, diesen Bürgern und Bürgerinnen schuldig, und ich bitte Sie, entsprechend zu entscheiden.