Herr Abgeordneter, bitte in das Mikrophon sprechen; sonst gehen Ihre Ausführungen verloren.
Richter (SPD), Antragsteller: Danke sehr, Herr Präsident. — Wir haben Ihren Ausdruck bei dem Gesetzesantrag zu dem Art. 131 des Grundgesetzes gewählt:
„Die Mittel sind im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen."
Nachdem Sie selbst diese Regelung für zweckmäßig und ausreichend gehalten haben
— Sie können nachher dazu sprechen, es ist ja eine Aussprache vorgesehen —, glaube ich, daß dies auch genügt.
Nun zu der Mittelaufbringung selbst. Meine Damen und Herren! Man soll sich nicht vorher erregen, sondern erst abwarten, bis man alles weiß, besonders wenn man vorher keine Gelegenheit hatte, sich mit der Materie ausreichend zu beschäftigen. Wir sind bei unseren Betrachtungen von folgendem ausgegangen: Auf Grund der statistischen Unterlagen sowohl von den statistischen Ämtern wie von dem Wissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften kann angenommen werden, daß von unseren 47 Millionen Einwohnern rund 22 % Kinder im Alter bis zu 15 Jahren sind. Das würde eine Gesamtzahl von 10 350 000 Kindern ergeben. Nehmen wir 20 DM monatlich, also 240 DM fürs Jahr an, ergibt sich die Gesamtsumme von rund 2,5 Milliarden DM.
Wenn Sie das etwa bezweifeln sollten,
so ist das sehr leicht nachzuweisen. Wenn aber Ihr Zwischenruf besagt, das bedeutet für Sie gar nichts -- woher nehmen und nicht stehlen? so wollen Sie mich bitte in den Betrachtungen, die wir angestellt haben, fortfahren lassen. Man kann andererseits annehmen, daß Kinderbeihilfe in der Sozialversicherung, in der Arbeitslosenversicherung, in der Arbeitslosenfürsorge, der öffentlichen Fürsorge, der Kriegsopferversorgung, der Soforthilfe usw. bereits in einem Gesamtbetrag von gut 400 Millionen DM gewährt wird.
Man kann weiter nach den Berechnungen, die wir auf Grund der Unterlagen angestellt haben. annehmen, daß sich für die im öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer einschließlich der bei der Bundeseisenbahn und der Bundespost Beschäftigten — und wenn Sie sich für Einzelheiten interessieren, ich habe hier meine Akten, dann kann ich Ihnen an den Summen den Unterschied zwischen den Beamten, den Angestellten, den Arbeitern usw. aufzeigen — an Kinderbeihilfen ein Gesamtbetrag von 500 Millionen DM ergibt. Insgesamt werden also bereits a) für die Rentenberechtigten, die Versorgungsbezieher sowie die Unterstützungsempfänger und b) für die im öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer 900 bis 1000 Millionen an Kinderbeihilfe gewährt.
Nimmt man nun die Steuerklasse III und stellt hier Berechnungen an, so stellt man fest — und die Experten in unserer Fraktion haben das nach den Unterlagen, die den Mitgliedern des Finanzausschusses bei der letzten Beratung des Einkommensteuergesetzes vom Finanzministerium zur Verfügung gestellt wurden, errechnet —, daß in der Steuerklasse III in eine Steuerermäßigung von insgesamt 800 Millionen bis 1 Milliarde gewährt wird.
Nimmt man diese Posten, addiert man sie und erwägt man, ob bei Einführung der allgemeinen Kinderbeihilfe aus Staatsmitteln die Steuer-
klasse III noch notwendig ist, ob die Zahlungen der Kinderbeihilfen aus der Sozialversicherung, Kriegsbeschädigtenversorgung, Arbeitslosenversicherung usw. noch erforderlich sind — die Abgeltung der Gewährung der Kinderbeihilfen an die im öffentlichen Dienst stehenden Personen durch die Gewährung von Staats wegen ist ja praktisch in der Höhe usw. genau dasselbe —, dann, so glaube ich, werden Sie mit mir zu dem Ergebnis kommen, daß an Mehraufwendung bei vorsichtigster Berechnung und Schätzung höchstens 400 bis 500 Millionen erforderlich sind. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß bei den Betrachtungen zu dem Antrag des Bundesrats, der ja bekanntlich einen dahingehenden Antrag gestellt hat, wie auch in der Erläuterung, die gestern der verehrte Herr Kollege zu dem Antrag der CDU gemacht hat, wie auch wahrscheinlich in dem Antrag des Zentrums — wenn er realisiert wird -
eine ebenso hohe Summe, nämlich 400 bis 500 Millionen, erwähnt wird. Das ist die Leistung, die zusätzlich aufzubringen ist.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese Angelegenheit ist uns Deutschen so wichtig, daß wir mit allem Ernst an die Beratung herangehen und in Erwägung ziehen müssen, wie wir die Mittel für diesen Zweck aufbringen können_.. Aufbringen sollten wir sie und aufbringen müßten wir sie. Mit der Gewährung von staatlichen Kinderbeihilfen in dem Ausmaß, wie es in dem Gesetzentwurf der SPD vorgesehen ist, sind diese Regelungen mit zu erwägen. Das in unserem Gesetzentwurf entwickelte System der Kinderbeihilfe findet bereits ein System sozialer Hilfe vor. das sehr unterschiedlich und kompliziert ist, wie ich versucht habe, Ihnen in wenigen Worten zu schildern. Im Interesse der Einfachheit und Klarheit ist es jedoch dringend erforderlich, daß Teillösungen unterbleiben. Soziale Leistungen aller Art und Steuern haben sich unseres Erachtens nach den Kinderbeihilfen zu richten und nicht umgekehrt. Die wirtschaftlichen. sozialen und kulturellen Wirkungen, die die Gewährung von Kinderbeihilfen ohne Zweifel mit sich bringen, sind nur zu erreichen. wenn dem System der Kinderbeihilfen die Priorität gesichert. ist. Jedes Kind hat ein Recht auf Erziehung zur leiblichen. seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit, denn die Kinder von heute sind die Frauen und Männer von morgen!