Meine Damen und Herren! Bei Behandlung dieses Problems könnte man im ersten Augenblick den Eindruck gewinnen, als wenn es sich hier um eine Maßnahme handle, die der Nationalsozialismus damais schon verabschiedet hatte. Dazu ist zu sagen, daß zwar das, was unser Antrag über die Methode besagt, ein und dasselbe ist, das Prinzip aber grundsätzlich verschieden ist. Der Nationalsozialismus hat die Kinderbeihilfen gegeben, weil er auf dem Standpunkt stand, daß die Familie für den Staat da sei, und der Staat nahm nachher auch die Kinder für sich in Anspruch. Wir aber gehen von dem Grundsatz aus, daß der Staat für die Familie da ist, und daß der Staat, wenn er überhaupt aufbauen will, zuerst eine gesunde Familie aufbauen muß. Wir wollen, daß der Staat — oder hier der Bund —, wenn er überhaupt eine gesunde Voraussetzung haben will, zuerst dafür sorgen muß, daß es innerhalb des Staates gesunde Familien gibt.
Betrachten wir die Situation von heute —
und aus dieser Situation haben wir gefolgert —,
so müssen wir sagen, daß diese Voraussetzungen
heute nicht gegeben sind. Wenn wir heute darauf
zurückblicken, wieviele Kindermorde geschehen
sind oder wieviele Kinder schon zu Verbrechern
geworden sind, so müssen wir feststellen, daß
diese Zustände zum Teil eben dadurch heraufbeschworen worden sind, daß die Kinder von der
Familie nicht so ernährt werden können, wie sie
ernährt werden müßten, weil eben die finanzielle
Grundlage nicht da ist. Wir müssen also zu dem
Schluß kommen, daß wir da in erster Linie einzugreifen haben. Meine Freunde und ich sind
durchaus darüber im klären daß das gewaltige finanzielle Auswirkungen zur Folge haben wird. Wir sind uns aber auch darüber im klaren, daß wir am falschen Ende sparen würden, wenn wir an diesem Ende sparen wollten.
Diese Regelung hat außerdem aber eine starke moralische Seite für das gesamte deutsche Volk. Man könnte natürlich auch sagen: Wir haben Arbeitslose genug, oder: Wir schaffen damit wieder die Voraussetzungen für den nächsten Krieg, indem wir Kanonenfutter liefern. Beides ist nicht zutreffend oder braucht es jedenfalls nicht zu sein. Arbeit haben wir auf lange, lange Sicht mehr als zuviel; darüber sind wir uns wohl alle klar und brauchen uns auch darüber nicht zu unterhalten. Die Arbeitslosigkeit, die wir gegenwärtig haben, ist wohl nur auf unsere Wirtschaftsführung zurückzuführen. Es muß Aufgabe der Wirtschaftführung sein, die Arbeitslosigkeit bei uns zu beseitigen. Wir brauchen auch keine Sorge zu haben, daß wir, wenn wir wieder mehr Kinder haben und diese Kinder auf anständige Weise großziehen, wieder den Weg zum Kriege beschreiten. Selbst bei einem noch so großen Kinderreichtum braucht kein Krieg geführt zu werden, wenn eine vernünftige Wirtschaftspolitik getrieben wird. Ich bin aber auch der Ansicht, daß das deutsche Volk von dem Schlagwort „Volk ohne Raum" gründlich kuriert ist. Man zeigt uns heute nämlich, daß wir auf viel engerem Raum als damals wohnen können, als es hieß: Wir müssen einen Krieg führen, um Raum zu gewinnen.
Ich wollte damit nur kurz skizzieren, daß diese Gesichtspunkte nicht ausschlaggebend sind. Für uns vom Zentrum ist allein ausschlaggebend, daß wir gesunde Familien aufbauen wollen, weil sie die Grundlagen für einen gesunden Staat sind. Deshalb hat der Staat die Verpflichtung, dabei zu helfen. Über das Wie und das Wieviel dessen, was der Staat dazu beitragen muß, kann man sieh unterhalten.
Ich beantrage deshalb, diesen Antrag Drucksache Nr. 740 dem sozialpolitischen Ausschuß und dem Haushaltsausschuß zu überweisen und den sozialpolitischen Ausschuß als federführend einzusetzen.