Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Hause schon vor einiger Zeit, im Dezember, eine längere Debatte über Fragen der Remilitarisierung gehabt. Die sozialdemokratische Fraktion hat damals zu dem Problem grundsätzlich Stellung genommen, und es ist vielleicht nicht un-nützlich, um Mißverständnisse zu vermeiden, wenn ich einiges aus unserer damaligen Erklärung ins Gedächtnis rufe.
Wir haben gesagt: Die sozialdemokratische Fraktion lehnt es ab, eine deutsche Wiederaufrüstung auch nur in Erwägung zu ziehen. Wir lehnen das allerdings aus anderen Motiven als die Antragsteller der Drucksache Nr. 715 ab. Wir lehnen es ab, weil wir der Meinung sind, daß die Verantwortung für die Sicherung des Gebiets der Bundesrepublik bei den Besatzungsmächten liegt.
— Jawohl, Herr Rische, sie liegt bei den Besatzungsmächten, und wir haben keine Lust, uns von
ihnen gleichschalten zu lassen. Aber wir sind auch
der Meinung, daß jede Art der Remilitarisierung
hier in Westdeutschland, sei es durch Aufrüstung
materieller Art, sei es durch Aufstellung militärischer Einheiten, in keiner Weise zu der Sicherung
des Gebiets der Bundesrepublik beitragen kann.
Deshalb sympathisieren wir mit dem Inhalt des Antrags, den die KPD stellt, wenn wir auch dabei, wie Kollege Strauß es sagte, von den Antragstellern, dem Hintergrund und den Motiven absehen müssen, aus denen der Antrag gestellt worden ist.
Der Herr Justizminister hat schon darauf hingewiesen, wie die Rechtslage ist. Es ist eine elementare Tatsache in unserem politischen Leben, daß wir unter dem Besatzungsstatut stehen. Nach diesem Besatzungsstatut ist die gesetzgeberische Kompetenz in militärischen Fragen eindeutig der Hohen Kommission vorbehalten. Die Hohe Kommission — und darin darf ich vielleicht sogar die Ausführungen des Herrn Justizministers ergänzen — hat von dieser Kompetenz auch Gebrauch gemacht. Wir sind gar nicht mehr nur auf das Gesetz des Alliierten Kontrollrats von 1946 angewiesen. Die Hohe Kommission hat das Gesetz Nr. 7 und das Gesetz Nr. 16 erlassen. In beiden Gesetzen wird die Remilitarisierung, und zwar in jeder Hinsicht: Aufstellung militärischer Einheiten und Produktion von Rüstungsmaterial irgendwelcher Art und deren Verbreitung, Transport usw. ausdrücklich unter Strafe und sogar unter sehr hohe Strafe gestellt; das Gesetz Nr. 16 sieht Geldstrafen bis zum Betrage von 100 000 DM und Freiheitsstrafen bit zu lebenslänglicher Dauer vor.
— Es wird sich beweisen, ob das ein Stück Papier ist.
Aus den Ausführungen des kommunistischen Redners sollte man nur einen Absatz ernst nehmen: das ist der, in dem er über Rüstungsproduktion, die es hier in Westdeutschland geben soll, einige Behauptungen aufgestellt hat. ich glaube, wir sollten die Bitte an die Regierung richten, daß sie diese Ausführungen des kommunistischen Redners einmal vornimmt und prüft und den Dingen nachgeht und uns auch in diesem Hohen Hause darüber Bericht erstattet. Ich glaube, daß es unser deutsches Interesse ist, da restlose Klarheit zu haben, und wir wollen sie schaffen. Vielleicht sollte man auch, wenn man diese Dinge untersucht, einige kommunistische Abgeordnete, vor allem den Redner, einmal mitnehmen, um zu untersuchen, ob die Behauptungen richtig sind. Wenn dann gleich die Anschuldigungen über Rüstungsproduktion in der Ostzone kommen, dann könnten uns die Antragsteller vielleicht auch einmal Gelegenheit geben, dahinterzuschauen, so wie wir gewillt sind, hinter jede Anschuldigung auf Remilitarisierung hier in der Westzone zu schauen.
Meine Damen und Herren! Nicht nur die alliierte
Gesetzgebung, sondern auch die deutsche verbietet
die Rüstung. Der Herr Minister hat schon auf den
Art. 26 des Grundgesetzes hingewiesen, und es ist
erfreulich, wenn die Regierung die Absicht hat, die
dort erhobene Forderung auf Regelung durch ein
Bundesgesetz zu implizieren. Diese Sachlage ist
der kommunistischen Fraktion natürlich auch bekannt, und ich glaube, das Bemühen um ein Gesetz
und auch die angeblich in einigen genannten Betrieben vorgekommene Rüstungsproduktion sind
nicht die wirklichen Motive, die die antragstellende
Fraktion zu ihrem Antrag bewogen haben. Der Hintergrund ist doch der: Der Atlantikpakt ist geschlossen worden, und im Rahmen des Atlantikpaktes finden Waffenlieferungen an westeuropäische
Nationen statt; die kommunistischen Parteien aller
Länder Europas haben im Augenblick als Programmpunkt Nr. 1 die Bekämpfung der Ankunft, der Ausladung, der Verbreitung dieser Waffen.
— Nun, das ist ihre Sache. Sie tun das in Italien, in Frankreich, in Belgien usw.
Selbst wenn auch nicht das kleinste Teil von einem Gewehr hier in den Westzonen hergestellt wird, wird sich natürlich die Kommunistische Partei trotzdem, um auf diesem Gebiete nicht ganz ohne Aktivität zu sein, veranlaßt sehen, etwas gegen die Militarisierung auch hier in Westdeutschland zu tun, und um eine gute Nummer zu bekommen, wird sie einen solchen Antrag Drucksache Nr. 715 hier einreichen.
Weiterhin ist das ernsthafteste Motiv dieses Antrages natürlich das der Methode „Haltet den Dieb!".
Nun, ich werde nicht die Methode des kommunistischen Redners nachahmen und jetzt mit langen Listen von Namen und Adressen uber Peenemünde und Dessau, und was weiß ich alles, auffahren, was da an Einzelteilen produziert wird. Das wäre ein leichtes; darüber liegt unendlich viel Material bei uns vor,
und zwar auch solches, das absolut zuverlässig ist. Ich möchte nur auf eine Tatsache hinweisen, die von überragender Bedeutung in der Ostzone ist.
— Wenn Sie es wissen, schön, sagen Sie es selbst! Es ist nämlich Aue, es ist der Uranerzbergbau. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß in einem modernen Kriege, wenn es ihn unglücklicherweise noch einmal geben sollte, nicht die Panzerplatten, das Gewehr usw. entscheidend sein werden, sondern die Waffe par excellence eines kommenden Krieges wird die Atomwaffe sein, und nun hat die russische Besatzungsmacht, man kann sagen: die gesamte Ostzone mobilisiert, um dort das Ausgangsmaterial für die Produktion von Atomwaffen zu gewinnen.
Im Uranbergbau in Aue arbeiten 150 000 Menschen. Sie werden das bestreiten; aber wir wissen es trotzdem.
Allzuviele sind von dort geflohen und zu uns herübergekommen. Diese Produktion in Aue ist natürlich eine Kriegshilfsproduktion par excellence, und sie überragt an Bedeutung alles übrige, was in der Ostzone auf dem Gebiet der Rüstung getan wird. Aus unseren Berichten geht übrigens hervor, daß es eine Taktik der russischen Besatzungsmacht ist, nicht so sehr fertige Waffen in ostdeutschen Betrieben zu produzieren, sondern diese Betriebe mehr in die Rüstungsmaschinerie der gesamten Sowjetunion einzugliedern und hier mehr Einzelteile und Rohmaterialien für Waffen zu gewinnen, die dann woanders fertiggestellt werden.
Nun ein Seitenhieb zu diesen 150 000 — —
— Wir können ja mal hinfahren, Herr Rische; wenn Sie mir garantieren, daß man freies Geleit hat, dann können wir da mal hinfahren. Das würde mich sehr interessieren.
Ihre Methode der Dementis kennen wir. Es gibt gegen die Sowjetunion einen der schwersten politischen Vorwürfe. Dieser Vorwurf ist der, daß in Rußland Millionen von Menschen Zwangsarbeit leisten müssen. Das wird nun von den Kommunisten dementiert. Leute, die in Deutschland in den KZs Zwangsarbeit machen mußten, haben ihnen das Angebot gemacht, eine internationale Kommission zusammenzustellen, die sich das einmal an Ort und Stelle ansehen und durch einen Bericht diese angeblich verleumderischen Behauptungen entkräften könnte.
Bezeichnenderweise haben diese Leute kein Einreisevisum bekommen, und bezeichnenderweise wird niemals jemand die Gelegenheit haben nachzuprufen, ob aas Dementi, das natürlich immer kommt, berechtigt ist.
Ich komme zum Schluß und stelle fest, daß für das geforderte Gesetz keine deutsche Kompetenz besteht, und darüber ist die SPD im Augenblick gar nicht besonders traurig.
Zweitens besteht auch kein besonderer Bedarf an einem solchen Gesetz; denn solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, nehmen wir an, daß in Westdeutschland keine Rustung stattfindet. Drittens befolgt dieser Antrag die Methode „Haltet den Dieb!".
In der Ostzone wird tatsächlich remilitarisiert und gerüstet, und zwar in großem Ausmaße.
Gestatten Sie mir aber noch ein Wort zu den Einsatzbereitschaften der Polizei. Sie dementieren immer. Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, empfehle ich Ihnen, einen gewissen Herrn Reimann einmal darüber zu fragen.
— Natürlich, nicht den Vater, sondern den Sohn! Der Sohn war drüben in der Offiziersschule und hat sich mit Erfolg nach dem Westen abgesetzt.
Fragen Sie ihn mal danach, welche militärischen Proportionen die Bereitschaften in der Ostzone schon erreicht haben!
Meine Damen und Herren! Angesichts dieser Sachlage empfehlen wir dem Hohen Hause, über den Antrag zur Tagesordnung überzugehen.
— Aber warten Sie! Ihre Arbeit ist nicht umsonst gewesen, Herr Rische. Nehmen Sie Ihren Antrag, streichen Sie das Wort „Bundestag", ersetzen Sie es durch „Provisorische Volkskammer", streichen Sie das Wort „Bundesregierung", ersetzen Sie es durch „Regierung der Deutschen Demokratischen Republik",
und schicken Sie ihn nach Berlin!
Aber, meine Damen und Herren, wir haben gar keinen Zweifel, daß die Provisorische Volkskammer
über diesen Antrag auch zur Tagesordnung über-
gehen wird, allerdings aus ganz anderen Gründen.
Vizepräsidenf Dr. Schmid: Nach § 76 der Geschäftsordnung kann dem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung widersprochen werden. Wird diesem Antrag widersprochen?
— Dann kann ein Redner iur den Antrag und ein Redner gegen den Antrag sprechen. Ich nehme an, daß das hohe haus sich mit den Ausfuhrungen des Abgeordneten Dr. Mommer als Redner für den Antrag begnügt.
— Gegen den Antrag hat das Wort der Herr Abgeordnete Renner.
Es ist eine Geschäftsordnungsdebatte, also haben Sie 5 Minuten Redezeit!