Rede von
Willi
Eichler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion sympathisiert an sich mit dem sachlichen Inhait
dieses Antrags,
wenn sie allerdings auch von Anfang an erklären muß, daß die Adresse, an die sich dieser Antrag wendet, falsch gewählt worden ist.
Es ist sehr schwer, an die Ernsthaftigkeit der Argumente der kommunistischen Fraktion hier zu glauben, wenn der Redner sogar die Stellungnahme des Bundesinnenministers hier zitiert, ohne offenbar auf die Idee zu kommen, daß diese ja nicht nur von der kommunistischen Fraktion gelesen wird. Was er an dieser Stellungnahme zu erwähnen vergessen hat, ist in diesem Zusammenhang das Interessanteste. Daraus geht nämlich hervor, daß von deutscher Seite aus die Werbung für die Fremdenlegion schon verboten gewesen ist, und zwar nach § 141 a des Reichsstrafgesetzbuchs,
obwohl in Art. 179 Abs. 3 des Versailler Vertrages die Werbung ausdrücklich zugestanden werden mußte. Dieser Paragraph des Strafgesetzbuchs ist im Januar 1946 außer Kraft gesetzt worden, nicht von den drei Hohen Kommissaren, sondern durch ein Kontrollratsgesetz Nr. 11, das von allen vier Besatzungsmächten unterschrieben worden ist.
Damit ist es klar, daß die Adresse der Kontrollrat ist und nicht die drei Hohen Kommissare.
— Wir haben noch nie erklärt, daß wir den Kontrollrat nicht anerkennen. Das wäre erstens eine außerordentliche Dummheit, und zweitens haben wir gar nichts dagegen.
Soviel wegen der Adresse. In der Tat scheint es uns nötig und für die Volksvertretung auch würdig, zu sein, Schritte gegen die Werbung von Fremdenlegionen irgendwelcher Art auf deutschem Gebiet zu unternehmen.
Wir haben selbstverständlich, das liegt im Charakter der Fremdenlegion und insbesondere am Aufbau der französischen, keinerlei wirklich authentisches Material, weder darüber, wieviel Leute dafür geworben worden sind, noch darüber, wieviele Deutsche jemals Mitglieder der Fremdenlegion gewesen sind.
Übereinstimmende Schätzungen haben bisher ergeben: man kann damit rechnen, daß bis zum
Jahre 1920 etwa 250 000 Deutsche und von 1920
bis 1929 weitere 70 000 allein in den Reihen der
französischen Fremdenlegion umgekommen sind.
Das, scheint uns, sind Zahlen, die zu denken geben, wobei es nicht nur die Höhe ist, weil an sich jeder, der nutzlos für eine Sache aufgeopfert wird, selbstverständlich überflüssigerweise geopfert wird. Um so mehr ist das zu bedauern, als die Auslese für die französische Fremdenlegion außerordentlich streng ist. Das heißt: es ist ganz sicher, ,daß die, die im Dienste der französischen Fremdenlegion umkommen, Leute
sind, die unter normalen Umständen wenigstens die Chance gehabt hätten, lange zu leben und vernünftige und ordentliche Arbeit zu leisten.
Nach den Berichten, die uns vorliegen, sind unter denjenigen, die zur Fremdenlegion gehen, auch ein großer Teil von Flüchtlingen und auch von Flüchtlingen, die in jüngster Zeit aus der Ostzone geflüchtet sind. Es sind aber auch — und das sollten diejenigen bedenken, die gern einen Stein auf die Fremdenlegionäre werfen und meinen, das seien nur schlechte Landesverräter und Leute ohne Gewissen und Charakter — im wesentlichen auch gestrandete Existenzen, die nicht so sehr wegen ihrer eigenen Unfähigkeit gestrandet sind als wegen der Unzulänglichkeit unserer eigenen Verfassungen und insbesondere unserer Wirtschaftsverfassung.
Grund genug also, darüber nachzudenken, daß der Kampf gegen die Werbung für die Fremdenlegion am wirkungsvollsten eigentlich dadurch geführt werden sollte, daß man Verhältnisse schafft, bei denen ein Deutscher schon von sich aus keinen Geschmack daran haben könnte, Mitglied einer Fremdenlegion zu werden, nicht nur aus nationalen Gründen, sondern vor allen Dingen aus sozialen Gründen.
Prinzipiell steht meine Fraktion auf dem Standpunkt, daß die Nationen, die wünschen, eine Armee aufzustellen, weil sie sie für irgendwelche wichtigen oder unwichtigen Zwecke brauchen, sehen sollten, dazu eigene Landeskinder einzustellen und die Angehörigen anderer Nationen damit zu verschonen.
Wir haben auch Nachrichten, daß England und Amerika gewisse Versuche der Mobilisierung einer Fremdenlegion anstellen, die Engländer 6000 und die Amerikaner 10 000 Mann, wenn auch offenbar unter erheblich menschenfreundlicheren Bedingungen als in der französischen Fremdenlegion. Wir haben Gründe, auch dagegen zu opponieren. Wir stellen fest — zu unserer Freude —, daß man in diesen beiden Völkern schon erheblichen Widerstand geltend gemacht hat, weil man sich insbesondere daran erinnert, daß König Georg III. von England seinerzeit in seinem Kampf gegen die englischen aufständischen Kolonisten in Nordamerika in Deutschland eine ganze Reihe von Fremdenlegionären, allerdings nicht als Freiwillige, hat werben lassen, sondern den entsprechenden Landesvätern von damals einfach abgekauft hat, eine Erinnerung, die für den deutschen Namen und für die deutschen Dynastien ganz gewiß nicht schmeichelhaft ist.
Nun aber, meine Damen und Herren, haben wir den Eindruck — und das hat uns veranlaßt, die Sache hier ernsthafter zur Sprache zu bringen —, daß wir eigentlich auch in unserem Osten von einer Fremdenlegion zu sprechen haben,
nicht so, daß etwa die russische Besatzungsmacht Freiwillige für die Rote Armee wirbt; darüber haben wir keine Meldungen, und wir würden es auch durchaus glauben, wenn uns versichert wird, daß das nicht der Fall ist. Durchaus aber muß die Entwicklung der sogenannten
Volkspolizei im Osten jedem ernsthaften Menschen zu denken geben.
Eigentlich schon der Name Volkspolizei; denn es hat sich gezeigt, daß bei unserer neudeutsehen Sprachverhunzung das Vorwort „Volk" immer dann gebraucht wird, wenn man das Volk aus irgendeinem Grunde hintergehen will.
Ob das Volkspolizei oder Volksgericht oder Volksdemokratie ist,
es ist immer dieser Pleonasmus, der verdächtig ist und vor dem man auch von dieser Stelle aus warnen sollte.
Meine Damen und Herren, die Volkspolizei in der Ostzone ist heute etwa 200 000 Mann stark.
Davon sind rund 50 000 sogenannte Bereitschaftspolizei. Das ist eine Bereitschaftspolizei, die nicht nur in ihren Übungen nicht. mehr an eine Polizei erinnert, sondern einfach militärische Übungen veranstaltet und die zwar formell dem Innenministerium der Ostzone untersteht, praktisch aber in allen ihren Einheiten durch russische Offiziere, sogenannte Sowjetniks, kontrolliert wird, die darauf zu achten haben, daß die von der SMA herausgegebenen allgemeinen Richtlinien für die deutsche Volkspolizei auch beachtet werden.
Nun, meine Damen und Herren, man kann dieses Instrument nennen, wie man will; wir wollen uns nicht auf Titel festlegen. Auch über den Zweck dieser Polizei wollen wir uns insofern nicht den Kopf zerbrechen, als wir glauben,' wir kennten ihn jetzt ohnehin genau. Ich möchte aber zu bedenken geben, daß die Verwendung dieser Polizei vielleicht noch fragwürdiger sein wird als die jeder Fremdenlegion;
denn bisher galt es als ein ungeschriebenes Gesetz
für die Fremdenlegionen, daß sie meist in Erdteilen eingesetzt werden, wo niemand der Beteiligten in die Verlegenheit kommen kann, auf seine
eigenen, sagen wir mal, Volksgenossen zu schießen.
Diese Voraussetzung scheint uns bei der Volkspolizei keineswegs gesichert zu sein.
Es scheint uns so zu sein, daß sie etwa, sagen wir, die SA der SMA sei.
In dem Sinne nehmen wir uns heraus, auch von den Bereitschaften der Volkspolizei als von einer Fremdenlegion zu sprechen.
Wir haben deshalb vorzuschlagen, da wir diesen Fragenkomplex einmal sehr gründlich durchleuchten möchten, diesen Antrag nicht einfach heute mit ja oder nein zur Abstimmung zu bringen, sondern ihn dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen, der Gelegenheit haben wird, gründlich jede Einzelheit der uns vorliegenden Informationen zu überprüfen.
Wir haben dafür noch einen anderen Grund. Gerade im Zusammenhang mit den Erörterungen über die Fremdenlegion hat sich ein Problem herausgestellt, das vielleicht in Zukunft ein Problem unserer ganzen Demokratie werden kann. Es handelt sich hier um eine Art von Fremdenlegionären, die wahrscheinlich nie daran gedacht haben, daß sie jemals damit zu tun haben könnten, nämlich eine Gruppe von deutschen Wissenschaftlern, z. B. von Atomforschern. Eine ganze Reihe von ihnen hat 1945 mit der amerikanischen Regierung Verträge auf fünf Jahre abgeschlossen, die jetzt
abgelaufen sind. Nach zuverlässigen Nachrichten hat ein Regierungsbeamter in Amerika erklärt, einen Teil dieser Leute könnte man jetzt nicht einfach wieder nach Deutschland zurückkehren lassen, auch wenn sie es möchten, weil sie inzwischen durch die Arbeit, die sie geleistet haben, notwendigerweise in den Besitz sehr intimer militärischer Geheimnisse gekommen sind, die man von Amerika nicht leichtfertig einfach jedem zugänglich machen könnte. Selbstverständlich hat man — ohne Zwang — keine praktische Möglichkeit, jemand zu nötigen, diese Geheimnisse nicht zu verraten. Ich möchte darüber heute nicht mehr sagen, als diesen Komplex mit einem Fragezeichen zu versehen. Ich glaube aber, daß es nötig ist, daß wir im Auswärtigen Ausschuß darüber sprechen, um zu erörtern, in welcher Weise wir über diesen Gegenstand dann im Bundestag Beschluß fassen können. Ich bitte also, diesen Antrag Nr. 687 dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.