Rede von
Karl
Rüdiger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wenn wir heute mittag gelegentlich des Heimkehrergesetzes hier unerquickliche Debatten hatten, dann darf ich wohl feststellen, daß wir erfreulicherweise bei der Beratung des Antrags zum Wiederaufbau der Landwirtschaft im ganzen Bundestag eine eigentlich fast einmütige und geschlossene Haltung zur Schau tragen.
Ich freue mich ganz besonders, daß mein Vorredner hier so freundliche und nette Worte gefunden hat, und ich möchte all das, was er gesagt hat, mit ziemlichen Nachdruck unterstreichen und mir zu eigen machen; aber ich hoffe. daß den Worten dann auch die entsprechenden Taten folgen.
Bei uns im Ernährungsausschuß ist es ja Gott
sei Dank so, daß wir die Not der Landwirtschaft
wirklich schon allgemein festgestellt haben, und
wenn wir hier zur Agrarpolitik nur wenige
Worte sagen wollen, dann müssen wir erklären.
daß die Landwirtschaft heute tatsächlich dem
Ruin entgegengeht. Das ist die Feststellung, die
in den Worten aller Redner durchgeklungen ist.
In welcher Situation befindet sich die deutsche Landwirtschaft? Wir müssen die Produktion nicht nur im Interesse der Landwirtschaft, sondern im Interesse des ganzen Volkes unter allen Umständen steigern, und dafür müssen die grundsätzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Wir glauben allerdings — und das darf ich mit Nachdruck zur Regierungsbank hin sagen —, daß die Interessen der Landwirtschaft manchmal gegenüber anderen Interessen allzusehr in den Hintergrund treten, und ich darf hier die Einmütigkeit und Geschlossenheit meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß wir restlos der Ansicht sind, daß die Verhältnisse zwischen Industrie und Landwirtschaft einer grundsätzlichen Klärung bedürfen und die Unterbewertung der Landwirtschaft allmählich etwas verschwinden muß. Ich darf weiter aussprechen — und auch als Angehöriger der Regierungsparteien darf ich das erklären —, daß wir manchmal das Gefühl haben, als ob den berechtigten Wünschen der Landwirtschaft nicht von allen Herren im Kabinett mit Nachdruck gefolgt wird.
Wir wollen keine Extrawurst; aber wir wollen uns auch nicht an die Wand drücken lassen.
Ich möchte hier nur, eins mit wenigen Zahlen sagen. Die Dinge liegen so, daß eine zehnprozentige Steigerung des landwirtschaftlichen Binnenmarktes heute schon mindestens anderthalb Milliarden ausmacht, nach den Ausführungen, die einer meiner Herren Vorredner gemacht hat, sogar noch etwas mehr. Wir wissen, daß der Kampf für den Export unserer Industrieprodukte auf dem Weltmarkt sehr hart sein wird. Man soll aber das eine tun und das andere nicht lassen. Man soll neben der Förderung des Exports auch an die Kräftigung und Festigung des Binnenmarktes denken, und wir glauben, daß da nicht all das geschehen ist, was manchmal hätte geschehen können.
Gerade auf dem Gebiet der Veredlungswirtschaft liegen die Verhältnisse leider ganz besonders im argen. Hierunter haben die kleinbäuerlichen Betriebe besonders zu leiden. Ich denke in diesem Zusammenhang auch an die Winzer. Ich denke an den Gartenbau, den mein Herr Vorredner ganz besonders unterstrichen hat. In denke an die verschiedenen Produkte, die speziell von kleinbäuerlicher Seite erzeugt werden. Es ist so, daß der Kleinbauer heute praktisch mindestens fünf Sechstel seiner Einnahmen aus dieser Veredlungswirtschaft — meist tierischen Ursprungs — bezieht. Wir müssen dieser' Veredlungsproduktion Rechnung tragen. Meine Herren, Sie haben jetzt die Gelegenheit, beim Milch- und Butterpreis zu beweisen, daß Sie nicht nur bereit sind, hier mit Worten für die Förderung der Landwirtschaft einzustehen, sondern daß sie ihren Worten auch die entsprechenden Taten folgen lassen.
Wir wissen, daß wir auf die Kaufkraft der Bevölkerung weitestgehend Rücksicht zu nehmen haben; aber wir wollen unter allen Umständen Preise erzielen, die der Kaufkraft entsprechen und auf der andern Seite die Produktionskosten der Landwirtschaft sicherstellen. Ich glaube, gerade der Milchpreis ist von entscheidendster Bedeutung; denn die Einnahmen der bäuerlichen Betriebe aus der Milchproduktion stellen die Hälfte der Gesamteinnahmen dar. Deshalb möchte ich Sie alle hier im Hause bitten, bei diesen entscheidenden Dingen nachher auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen.
Ich habe hier nur verhältnismäßig wenig Worte zu verlieren, weil praktisch die Einmütigkeit des Hauses festgestellt ist. Ich bin eigentlich selten gerade mit einem kommunistischen Redner so einig gewesen wie mit meinem Herrn Vorredner, und nur die Theorie und die Praxis werden uns nachher vielleicht trennen. Mit schönen Worten ist es nicht getan, sondern den schönen. Worten müssen dann-' auch die Taten folgen.