Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst dankbar, daß man sich sowohl im Ausschuß für handelspolitische Fragen wie im Ernährungs- und Landwirtschaftsausschuß ganz sachlich und nüchtern über diese in Frage stehenden Verhältnisse aus-
einandergesetzt hat. Man hat sich dann einstimmig auf eine bestimmte Form des Antrages geeinigt. Damit sind vielleicht die Sorgen über die Führung der deutschen Agrarpolitik, wenn der Antrag angenommen wird, etwas gemildert, aber noch lange nicht behoben. Denn dazu gehört noch eine ganze Reihe von Maßnahmen seitens der Exekutive, die jetzt mit zwingender Notwendigkeit ergriffen werden müssen.
Zunächst einmal hat der Antrag festgestellt, daß die Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung in den nächsten Jahren ein dringendes Gebot für unser gesamtes Volk ist, nicht bloß für die Bauernschaft allein, sondern für die Verbraucher und für das Leben des ganzen Volkes in den Westzonen. Es ist eine sehr wichtige Lebensfrage für unser ganzes Volk, ob uns das gelingt oder ob das nicht gelingt. Unter allen Umständen muß alles so abgestellt sein, daß keinesfalls eine Unterbrechung der Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung eintritt. Deswegen habe ich mich persönlich trotz der großen Schwierigkeiten, die in der Landwirtschaft bestehen, in zahlreichen Versammlungen dafür eingesetzt, daß man unter keinen Umständen über den derzeitigen Verhältnissen, die auch auf einer Umstellungskrise beruhen, das eine vergißt, daß eine Vernachlässigung der Fortführung der Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung ein Fehler wäre. Alles muß daran gesetzt werden, damit wir nicht bloß das Programm von 100 % des Jahres 1938 erreichen. Wir müssen über die 100 % der Nahrungsmittelversorgung, wie sie im Jahre 1938 war, hinauskommen, weil uns sowieso noch ein großes Defizit verbleibt. Es bleibt sowieso noch eine Lücke, und je geringer die Lücke wird und je weniger zur Auffüllung der Nahrungsdecke notwendig ist, desto besser ist es für die industrielle Rohstoffversorgung, und desto besser ist es für den gewerblichen und industriellen Sektor. Deswegen muß das alles miteinander zusammenwirken.
Ich habe an die Bundesregierung eine Bitte, daß sie doch einmal dafür sorgen möchte, daß das Aufbauprogramm, das mit Hilfe der Amerikaner in Angriff genommen wurde, auch zur Vollendung kommt. Es wäre ungerecht, wenn man hier dem amerikanischen Volk nicht den Dank für die ungeheure Hilfe aussprechen wollte, die es gerade zur Verbesserung der deutschen Lebenshaltung in den Westzonen geleistet hat. Aber es wäre wünschenswert, daß diese psychologische Seite dieser Hilfe vom Volke restlos anerkannt und daß vielleicht manches andere mit Rücksicht darauf anders gehandhabt würde.
Vor allen Dingen werden auch in der deutschen Landwirtschaft durch die Ziffern, die immer in der Presse erscheinen und die oft bis zu einer Milliarde gehen, die in den Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft hineingegeben werden sollen, falsche Vorstellungen entstehen. Ich habe das scherzhaft so formuliert: Man soll nicht bloß für die Ansage der amerikanischen Hilfe Dank sagen, sondern auch für die Verwirklichung der .amerikanischen Hilfe Dank sagen können. Was nützt es mir, wenn ausgeführt wird, es werden bedeutsame Millionenbeträge für die landwirtschaftliche Forschung ausgeworfen, und es kommt dann nichts!
Meine verehrten Damen und Herren! Ich habe den Unterschied zwischen unserer wissenschaftlichen Tätigkeit gegenüber der anderer Länder in Europa -gesehen. Ich habe den Unterschied zwischen den dänischen, schwedischen, holländischen Einrichtungen und unseren deutschen Einrichtungen gesehen. Unsere deutschen Einrichtungen auf landwirtschaftlichem Gebiet waren in der Vorkriegszeit hervorragend. Sie haben aber eine wesentliche Unterbrechung erlitten, einmal schon durch den ersten Weltkrieg und durch den zweiten Weltkrieg erst recht. Das heißt mit anderen Worten: bei uns muß auf dem Gebiete der Forschung noch sehr viel nachgeholt werden. Das ist eine wichtige Grundlage, die auf die Praxis ausstrahlen muß. Deswegen wäre es mir schon wünschenswert, wenn wir von der Regierung Auskunft bekommen könnten, wieweit es mit der Hergabe dieser ERP-Mittel für solche Zwecke steht. Können wir mit den angekündigten Millionensummen endlich rechnen, oder bleiben sie immer noch in weiter Ferne sichtbar, aber nicht greifbar?
Mit den anderen Dingen ist es dann auch so. Es ist meines Erachtens notwendig — und Gott gebe, daß das geschehen kann, den Grundsatz stelle ich mit aller Schärfe heraus —, daß vor Beginn des neuen Wirtschaftsjahres, das ist der 1. Juli 1950, die Wirtschaftsplanung für die Landwirtschaft für das nächste Wirtschaftsjahr auf allen Gebieten vorliegt.
Wenn das nicht vorliegt — —
— Jawohl, es muß vorliegen; denn wenn das nicht vorliegt, dann kann sich das Ganze nicht darauf einstellen. Herr Präsident Löbe, ich habe schon bei den Beratungen im Ausschuß gesagt: Ich bin nicht so ängstlich, ob das Planung heißt oder Lenkung oder wie es sonst heißt. Vorn Standpunkt der Landwirtschaft kommt es mir darauf nicht so sehr an. Aber eine Ordnung der Dinge muß auf jeden Fall geschaffen werden,
so daß man sich darauf einstellen kann, damit der Bauer draußen weiß, wie sich die Verhältnisse gestalten, mit welchen Faktoren, mit welcher Unterstützung er rechnen kann. Dazu gehören z. B. auch die Pläne wegen der Senkung der Düngemittelpreise. Glauben Sie mir, die Pläne, die im Laufe des Jahres auftauchen, verwirren mehr, als sie Gutes stiften. Wenn ich schon etwas in Aussicht nehme, dann muß ich es zur rechten Zeit in Aussicht nehmen, dann muß es vor Beginn des Wirtschaftsjahres geschehen und nicht mitten im Laufe des Wirtschaftsjahres. Das war ja der Fehler der deutschen Agrar- und Ernährungspolitik, an dem wir — durchaus begreiflich — die ganzen Jahre hindurch gelitten haben. Wir müssen also den richtigen Ausgangspunkt für diese Dinge bekommen. Glauben Sie mir: mit einer bloßen Verkündigung einer Senkung der Düngemittelpreise sind die langfristigen Pläne für den Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft nicht schon erfüllt. Denn wenn die Senkung der Düngerpreise nicht von der Ausweitung der Produktion begleitet ist, dann ist das eine Fehlentwicklung, die sich im nächsten Jahre wieder ungünstig für die landwirtschaftliche Erzeugung auswirken wird. Deswegen muß, das alles nach bestimmten Richtlinien vor sich gehen.
Besonders notwendig ist, daß die Regierung einmal das gesamte Problem der Milch- und der Fettwirtschaft überhaupt einer gesamten, aufeinander abgestellten Lösung entgegenführt. Denn so, wie die Verhältnisse auf dem Gebiete des Milchmarktes jetzt liegen, ist dringend eine Ordnung notwendig. Hier ist ein Bundesmilchverkehrsgesetz eine unerläßliche Notwendigkeit, damit der Streit aufhört, ob das frühere Reichsmilchgesetz mit bestimmten Bestimmungen noch gilt oder ob es nicht gilt.
Ebenso ist eine Ordnung in der deutschen Ölwirtschaft ein zwingendes Gebot der Stunde. Denn wir können es uns nicht leisten, daß wir unter Vorherrrschaft eines ausländischen Konzerns unsere ganzen Ölmühlenbetriebe zugrunde gehen lassen, daß wir dann hier Arbeiterentlassungen und eine Störung unseres gesamten Fetthaushalts bekommen.
Das sind die Probleme, die hier vorliegen.
Die andere Frage habe ich in dem Antrag niedergelegt, die einzelnen Gesichtspunkte, die auch von dem Herrn Berichterstatter hervorgehoben worden sind. Ich hoffe, daß die JEIA-
Importe — das ist ja mit den Worten „ungeregelte Importe" in dem Antrag gemeint — allmählich zu Ende gehen und daß die Regierung die notwendigen Instrumente in die Hand bekommt, auch durch den Bundestag, um sich hier handelspolitisch durchsetzen zu können.
Aber zum Schluß noch ein Wort. Ich würde den Herrn Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft dringend bitten, sich gegenüber seinem Kollegen auf dem Sektor der Wirtschaft bei Vertretung der landwirtschaftlichen Belange stärker durchzusetzen. Denn hier ist eine Klärung der landwirtschaftlichen Interessen gegenüber denen der Industrie, des Gewerbes und des Handels ein unbedingtes Erfordernis.
Ich habe auf manche Dinge schon im Ausschuß hingewiesen; ich will das hier nicht wiederholen, will hier keine Verschärfung der Debatte hervorrufen. Aber ich wäre dem Herrn Bundesminister dankbar, wenn er die Unterstützung durch den zuständigen Ausschuß des Bundestages weitgehend in Anspruch nähme, damit wir auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Erzeugung und zum Wohle unserer Bauernschaft das Ziel erreichen, das zu erreichen im Interesse unseres ganzen Volkes notwendig ist.