Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle: ihm kann darin nicht recht gegeben werden, daß es sich bei dem Abänderungsantrag, das Entlassungsgeld von 100 auf 150 DM zu erhöhen, um einen politischen Sachverhalt handelt.
Gerade die Tatsache, daß sich die Meinungen durch die Fraktionen hindurch geteilt haben, ist Beweis dafür, daß es sich nicht um einen politischen Sachverhalt handelt, sondern um eine verschiedene Auffassung dieser Angelegenheit.
Es muß auch in diesen Angelegenheiten einmal Fragen geben, die nicht immer rein politisch angesehen werden, sondern die auch von einer anderen Seite her betrachtet werden können. Es unterscheiden uns nämlich hierbei Denkweisen oder Generationsunterschiede, Herr Kollege Schoettle.
Wenn wir die Forderung erhoben haben, das Entlassungsgeld von 100 auf 150 DM zu erhöhen — und ich will hier nicht die Argumente von gestern wiederholen —, dann ist es allein - —
— reden wir nicht darüber, Herr Dr. Baumgartner, wer abgeschrieben hat; dann würden Sie eine schlechte Zensur in Bayern bekommen —,
dann ist diese Forderung ausschließlich darin begründet, daß es sich hier um einen Personenkreis handelt, der mindestens und frühestens nach fünfjähriger Haft wieder in die Heimat zurückgekommen ist. Und es handelt sich hier — das Gesetz tritt
am 1. April 1950 erst in Kraft — doch jetzt, wo es de jure keine Kriegsgefangenen mehr gibt, ausschließlich um einen Personenkreis, der entweder in Untersuchungshaft genommen war oder langjähriges Zuchthaus und Straflager hinter sich hat und nunmehr zurückkommt. Daß wir diesen Personenkreis, ganz gleich, ob er bedürftig ist oder nicht, die Höchstsumme des Entlassungsgeldes zubilligen wollten, könnte, glaube ich, nach dem Beschluß von gestern keiner Kritik unterzogen werden, weil es keinen politischen Hintergrund hat.
Ich muß mich aber gegen den Ausdruck, den Herr Kollege Parzinger gewählt hat, „Kunstgriff" und ähnliches, mit aller Entschiedenheit verwahren.
— Wenn Sie behaupten, Kollege Parzinger, daß damit wiederum die Unterstützung der Heimkehrer von dem Ermessen der Bürokratie abhängig ist, dann dürfen Sie auch nicht der Bedingung „im Falle der Bedürftigkeit" zustimmen. Denn die Überprüfung der Bedürftigkeit ist in jedem Falle der Bürokratie, d. h. also der Verwaltung überlassen. Und außerdem möchte ich in diesem Falle, wenn man auch im Anfang schlechte Erfahrungen gemacht hat, nicht von vornherein zugrunde legen, daß der Beamte, der diese Frage zu überprüfen hat, dem Heimkehrer mit einer Abneigung gegenübertritt, sondern ihm ruhig auch mal zugute halten, daß er offenen Herzens die gesetzlichen Möglichkeiten ausnutzt, um dem Heimkehrer zu helfen. Der immer konstruierte Gegensatz, der aus dem Worte „Kunstgriff" spricht, als ob die Verwaltung von vornherein schon in einem ständigen- Gegensatz zu jedem Hilfsbedürftigen stände, kann nicht in allen Fällen aufrechterhalten werden.
- Wenn Sie wollen, daß ich lauter rede, ich bin dazu in der Lage. Mir kommt es nicht darauf an. Gerade die Tatsache, ,daß die Verwaltung die Bedürftigkeit prüfen muß, spricht dafür, daß es graduelle Unterschiede zwischen Bedürftigen und Nichtbedürftigen geben muß. Die Heimkehrer liegen ja nicht in zwei Kategorien fest, reich und arm; die einen erhalten 250 DM und die anderen gar nichts. Wenn man schon die Bedürftigkeit überprüft und wenn man zu dem Beamten das Vertrauen hat, daß er in der Lage ist, festzustellen: bedürftig oder nicht, kann man ihm auch das Vertrauen geben, festzustellen, wieviel innerhalb der möglichen Grenzen der Arme, der vor seinen Schreibtisch tritt, mit Recht beanspruchen kann.
Gerade dem Kollegen Bertram, der vom Bundesrat gesprochen hat, und denen, die ihm Beifall geklatscht haben, möchte ich sagen, worum es sich hierbei handelt. Der Bundesrat ist es gewesen, der mit Mehrheit gegen die Stimmen Bayerns und einiger anderer Länder dieses Entlassungsgeld von 150 DM abgelehnt hat. Die gleichen Herren von dieser Seite des Hauses, die Ihnen, Herr Kollege Bertram, Beifall geklatscht haben, als Sie hier mit Recht die Forderung nach Erhöhung vertreten haben, haben im Bundesrat gegen diese Erhöhung auf 150 Mark Stellung genommen. Uns kommt es bei diesem Antrag Drucksache Nr. 869 ausschließlich darauf an, zu verhindern, daß nicht die gleichen, die damals schon im Bundesrat das Gesetz in anderer Form durchgebracht haben, als wir es wollten, nun durch einen eventuellen Einspruch gegen dieses
Gesetz seine rasche Inkraftsetzung unmöglich machen; auf nichts anderes. Man soll in einem solchen Fall nicht politische Tatbestände oder einen Kunstgriff unterstellen, wenn es sich um ganz andere Erwägungen handelt.