Rede von
Hugo
Scharnberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grundlage für das Gesetz, welches Ihnen vorliegt, bildet der Artikel 48 des Grundgesetzes. Im Artikel 48 des Grundgesetzes ist festgelegt, daß die Abgeordneten dieses Hohen Hauses Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Das Nähere soll durch ein Bundesgesetz geregelt werden. Die Frage, die für den Ausschuß anstand, war, festzustellen: was ist unter „angemessen" zu verstehen, was ist darunter zu verstehen, daß die Unabhängigkeit des Abgeordneten gesichert ist? Andererseits war die finanzielle Lage unseres Bundes zu berücksichtigen. Zu regeln waren einmal die Frage der Aufwandsentschädigung und zum anderen die Frage des Unkostenersatzes.
Zunächst zu der Frage der Aufwandsentschädigung. Die Aufwandsentschädigung stellt einen Ausgleich für die mit Übernahme des Mandats verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dar. Diese wirtschaftlichen Nachteile sind tatsächlich vorhanden. Ich erinnere nur daran, daß die Beamten, die in dieses Haus gewählt werden, in den Wartestand ohne Gehalt versetzt werden. Ich erinnere weiter daran, daß die Angehörigen der freien Berufe — zum Beispiel Anwälte — sich meist Vertreter verpflichten müssen, für die sie entsprechende Aufwendungen zu machen haben. Ich erinnere daran, daß Unternehmer beträchtliche Ausfälle dadurch haben, daß sie sich ihren Unternehmen nicht in der bisherigen Weise widmen können. Auch die Festangestellten haben meist — zum mindesten indirekt — Nachteile durch die Tätigkeit hier in diesem Parlament. Diese Nachteile wirtschaftlicher Art treten nicht nur, wie ich eben sagte, für alle Betroffenen direkt in Erscheinung, sondern auch indirekt. Obwohl die einzelnen Berufsgruppen von der Übernahme des Mandats in wirtschaftlicher Beziehung zweifellos verschieden getroffen werden, ist es selbstverständlich, daß nur eine einheitliche Regelung getroffen werden konnte.
Der Gesetzentwurf sieht vor, daß als Aufwandsenschädigung 600 DM pro Monat gewährt werden. Der Ausschuß hat sich diesem Vorschlag angeschlossen. Er hat festgestellt, daß dies eine angemessene Entschädigung ist. Sie ist auch früher im alten Reichstag nach dem Diätengesetz vom 15. Dezember 1930 gewährt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Abgeordnete heute durch seine Tätigkeit im Bundestag wesentlich mehr in Anspruch genommen wird als damals. Daneben war die freie Benutzung der Bundesbahn und der Postverkehrsmittel gemäß den Bestimmungen des Artikels 48 des Grundgesetzes zu gewähren. All diese Regelungen sind im § 1 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes vorgesehen.
§ 2 regelt die Tagegelder, die entsprechend der Handhabung im Wirtschaftsrat und im Parlamentarischen Rat auf 30 DM täglich festgesetzt wurden. Außerdem sind Bestimmungen über die Verrechnung der An- und Abreisetage, gestaffelt nach den Entfernungen des Wohnsitzes des Abgeordneten vom Bundessitz, enthalten.
Der Ausschuß hat Ihnen einige kleinere Abänderungen vorgeschlagen, und zwar sind zu Beginn des § 2 die Worte „Zur Abgeltung ihrer Auslagen" gestrichen. Die Fassung ist dadurch klarer. Weiterhin ist in Ziffer 4 das Wort „Luft-. kilometer" durch „Straßenkilometer" — auch um eine bessere Klarstellung herbeizuführen — ersetzt worden.
Zum zweiten war neben der Frage der Aufwandsentschädigung die Frage des Unkostenersatzes zu prüfen. Es erschien allen Mitgliedern des Ausschusses selbstverständlich, daß der Abgeordnete Ersatz für seine Unkosten haben muß. Auch erschien es allen Mitgliedern zweckmäßig und richtig, eine gewisse Pauschalierung vorzunehmen. Sehr eingehende Beratungen haben darüber stattgefunden, inwieweit die Pauschalierung Platz greifen soll. Dabei war der Gedanke maßgeblich, Mißbrauch möglichst auszuschalten. In der ursprünglichen Drucksache Nr. 704 war vorgesehen, daß die Abgeordneten als Ersatz für ihre Auslagen in Bonn und im Wahlkreis pauschal 100 DM und gegen Nachweis weiterhin 200 DM bekommen. Damit sollten die Auslagen des Abgeordneten für Telefon, Schreibutensilien, Porto, Bürounkosten und auch für eine Schreibkraft abgegolten werden. Weiterhin war vorgesehen, daß für die Benutzung eines Kraftwagens im Wahlkreis pauschal 200 DM je Monat gewährt werden. Außerdem sollten noch für die Benutzung eines Kraftwagens vom Wohnsitz zum Bundessitz 24 Fahrten hin und zurück mit 25 Pfennig pro Kilometer vergütet werden. Schließlich kam noch als drittes ein Tagegeld für den Kraftfahrer hinzu. Der Ausschuß ist der Meinung, daß diese Beträge materiell durchaus angemessen sind. Aber er ist der Auffassung, daß die Regelung dieser Dinge nicht in das Gesetz gehört, weil es sich hier um eine Verwaltungsmaßnahme handelt. Daher schlägt Ihnen der Ausschuß vor, daß der Herr Präsident ermächtigt wird, diese Dinge in Verbindung mit dem Ältestenrat zu regeln. Dementsprechend wären in der Vorlage auf Drucksache Nr. 704 in § 1 Absatz 1 die Ziffer 3, in § 2 Absatz 1 der Satz 2, im § 2 Absatz 4 der letzte Satz und der § 5 in der Fassung des Entwurfs zu streichen.
Ich bitte dann außerdem noch, den Ausschußbericht auf Drucksache Nr. 797 in § 8 wegen eines Druckfehlers zu ändern. In der Fassung des Ausschusses zu § 8 Absatz 2 sind die Worte „und 3" zu streichen, so daß also der § 8 Absatz 2 folgenden Wortlaut hat:
Es werden gezahlt die für den Sterbemonat anfallenden Vergütungen; ferner die Aufwandsentschädigungen nach § 1 Absatz Ziffer 2 bis zum Ende des 3. Kalendermonats
usw.
Die Streichung der Worte „und 3" ergibt sich daraus, daß die Ziffer 3 in § 1 Absatz 1 gestrichen ist.
Anstatt des nach dem Vorschlag des Ausschusses zu streichenden § 5 in der Fassung des Entwurfs soll folgende Fassung treten:
Unkosten, die den Mitgliedern des Bundestags in Ausübung ihres Mandats erwachsen, werden nach Maßgabe von Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz erstattet. Die Ausführungsbestimmungen erläßt der Präsident im Benehmen mit dem Ältestenrat; sie werden veröffentlicht.
Die letzten Worte möchte ich besonders betonen. Diese Regelung schien dem Ausschuß auch den Vorteil der größeren Beweglichkeit und der Möglichkeit, sich an veränderte Arbeitsmethoden des Parlaments anzupassen, zu haben. Voraussetzung für diese Regelung war allerdings, daß der Ältestenrat die materielle Regelung in der Weise beschließt, wie es in dem Antrag in der Drucksache Nr. 704 vorgesehen ist. Dieser Beschluß ist inzwischen vorsorglich vom Ältestenrat gefaßt. Materiell ändert sich demnach nichts gegenüber dem Gesetzentwurf laut Drucksache Nr. 704.
Der § 3 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes regelt das unentschuldigte Fernbleiben von den Vollsitzungen. Als Entschuldigungsgründe waren anerkannt Krankheit und Tätigkeit außerhalb des Bundestags im Interesse des Parlaments oder der Regierung. Der Ausschuß war der Meinung, daß zu diesen Gründen auch noch „sonstige triftige Gründe" hinzukommen müßten, zum Beispiel die Erledigung dringender Familienangelegenheiten. Daher haben wir Ihnen eine entsprechende Abänderung des ursprünglichen Gesetzentwurfs vorgeschlagen. Außerdem soll der Abzug nicht 30 DM betragen, sondern logischerweise 1/30 der Aufwandsentschädigung, also 20 DM.
In § 3 Absatz 3 schlägt Ihnen der Ausschuß eine andere Fassung vor, wonach beim Fernbleiben bei namentlichen Abstimmungen dem Abgeordneten nur einmal 20 DM abgezogen werden sollen, nicht aber ein Tagegeld zusätzlich. Das hätte nämlich aus der ursprünglichen Fassung entnommen werden können.
Der § 4 regelt die Frage doppelter Tagegelder solcher Mitglieder des Bundestags, die auch Mitglied einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft sind, in den Fällen, in denen beide Körperschaften am gleichen Tage versammelt sind. Selbstverständlich hat dann der betreffende Abgeordnete nur Anspruch auf ein Tagegeld und nicht auf zwei.
Im Zusammenhang mit diesem Paragraphen ist im Ausschuß auch sehr eingehend die Aufwandsentschädigung solcher Abgeordneten erörtert worden, die auch in anderen Parlamenten tätig sind. Die Meinung des Ausschusses ging dahin, daß eine Regelung dieser Frage nicht bei uns, sondern bei den betreffenden Länderparlamenten erfolgen muß.
In § 6 ist vorgesehen, daß die Abgeordneten gegen Unfall versichert werden können, eine Regelung, die angemessen erscheint im Hinblick darauf, daß die Abgeordneten insbesondere durch die erhöhte Reisetätigkeit einer erhöhten Unfallgefahr ausgesetzt sind.
In § 7 ist bestimmt, daß ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung unzulässig ist, eine Bestimmung, die üblich ist und auch früher im alten Reichstag so gehandhabt wurde. § 8 regelt die Versorgungsverhältnisse der Hinterbliebenen von verstorbenen Mitgliedern.
§ 9 setzt fest, daß das Gesetz rückwirkende Kraft per 1. September 1949 erhält. Dies ist nötig, um die seitdem geleisteten Zahlungen zu legalisieren.
Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß sowie ein interfraktionell eingesetzter Unterausschuß haben das vorliegende Gesetz und die Ihnen jetzt von mir vorgetragenen Abänderungsvorschläge sehr eingehend beraten. Die Ausschüsse waren sich darüber im klaren, daß der Diätenfrage in weiten Kreisen unseres Volkes lebhafte Beachtung geschenkt wird. Dabei wird immer wieder Aufwandsentschädigung und Unkostenersatz gleichgesetzt, und durch Addition von beiden werden phantastische Ziffern genannt. Auch wird in der Kritik hin und wieder die Forderung aufgestellt, ein Ersatz für Spesen, die den Abgeordneten durch Unterhaltung und Benutzung eines Kraftwagens erwachsen, nicht zu vergüten Die eingesetzten Ausschüsse haben die Berechtigung dieser Kritik nicht anerkennen können. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Abgeordnete außer der Aufwandsentschädigung Ersatz seiner baren Auslagen erhält. Sie mit der Aufwandsentschädigung zu addieren und dann zu behaupten, daß der Abgeordnete Tausende von Mark erhält, ist genau so abwegig wie das Verfahren, wenn man dem Einkommen eines Geschäftsmannes seine Unkosten hinzurechnen wollte.
Andererseits ist der Kraftwagen ein unentbehrliches Verkehrsmittel unserer Zeit geworden, das zum Beispiel jeder kleinere und größere Geschäftsmann benötigt und meist auch besitzt. Es ist nicht einzusehen, warum dem Abgeordneten des Bundestags — der durch die Übernahme seines Mandats durchweg vielfach erhebliche materielle Opfer in seinem Zivilberuf bringt und der sich zudem durch seine Tätigkeit am Bundessitz, also außerhalb seines Wohnsitzes, ebenso familiären Unbequemlichkeiten und Unzuträglichkeiten wie auch gesundheitlichen Gefahren durch die starke arbeitsmäßige Überlastung aussetzt — die Benutzung eines Kraftwagens verweigert werden soll. Selbstverständlich war ein Mißbrauch zu verhindern, was aber durch die Regelung der Anordnung des Präsidenten im Benehmen mit dem Ältestenrat in wirksamer Weise geschieht; denn hierdurch ist es nur noch möglich, die Fahrten vom Wohnsitz zum Bundessitz und zurück zu liquidieren, die nötig sind.
Der Ausschuß ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich bei dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf nebst den- Abänderungen um eine angemessene und den Bestimmungen des Artikels 48 des Grundgesetzes entsprechende Regelung han-
delt. Der Ausschuß beantragt infolgedessen, das Gesetz mit den vorgeschlagenen Abänderungen anzunehmen.