Rede von
Peter
Jacobs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere zunächst außerordentlich, dem soeben geäußerten Wunsch des Herrn Präsidenten, hinsichtlich der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit sich so kurz wie möglich zu fassen, nicht nachkommen zu können,
weil es sich unter Umständen als ein schweres Versäumnis erweisen würde, diese Angelegenheit mit dem Teil der Informationen über die Bühne gehen zu lassen, der bis jetzt gegeben wurde, ohne auf gewisse Dinge hinzuweisen, die wir als verantwortliche Parlamentarier auch in dieser Angelegenheit ganz einfach sagen müssen.
Es ist zunächst einmal festzustellen, daß Herr Dr. Vogel — bekannt als ein sehr rühriger Ausschußvorsitzender — diesen Bericht mit solch innerer Anteilnahme vorgetragen hat und — Herr
Kollege Dr Vogel, verübeln Sie es mir bitte nicht,
betrachten Sie es sogar als ein Kompliment — es manchmal zu klug getan hat.
Worum geht es bei dem Antrag, der hier zur Debatte steht? Es geht zunächst um 20 Millionen DM, die aus den Kassen einer Einrichtung zur Verfügung gestellt werden, von der wir aus unseren täglichen Erörterungen wissen, daß sie eigentlich schon vor Beginn ihrer Beratungen weiß, Mittel für bestimmte notwendige Aufgaben nicht zur Verfügung zu haben. Es ist doch falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren — ohne daß ich hier für die Ablehnung dieses Antrags plädiere, sondern ich sage das lediglich zur Unterstreichung der Notwendigkeit, uns dauernd und immer wieder einzuschalten —, wir müssen es lediglich als eine einmalige Bewilligung betrachten, und es ist doch falsch, zu glauben, daß der deutschen Filmindustrie ausschließlich durch öffentliche Mittel geholfen werden kann. Denn die Krise des deutschen Films ist wie auf vielen anderen Gebieten nicht nur eine Krise der Finanzen, sondern sie ist nicht zuletzt eine geistige und damit auch künstlerische Krise. Wenn durch den Vorsitzenden des Ausschusses darauf hingewiesen wurde, daß im Verlauf dieses Jahres erst fünf Filme in der Produktion gewesen sind, so mag diese Ziffer unbestritten sein. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß beispielsweise im vergangenen Jahr — und das hat der Ausschuß trotz seiner wiederholten Sitzungen, in denen er sich sehr lebhaft und sehr intensiv mit der Angelegenheit beschäftigt hat, erst vor einiger Zeit erfahren — die deutsche Filmproduktion insgesamt 72 Filme hergestellt hat.
— Ich bitte Sie, doch zu berücksichtigen, meine Damen und Herren, daß unter Umständen dieser Antrag mehr kostet als der Haarschnitt des verehrten Herrn Horlacher.
Wir stellen fest, daß die deutsche Filmproduktion im vergangenen Jahr insgesamt 72 Filme hergestellt hat, daß aber infolge der auch unter Berücksichtigung der heutigen Verhältnisse untragbaren Qualität nur knapp die Hälfte dieser Filme in den Verleih gekommen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit 20 Millionen Mark machen Sie aus einem schlechten Regisseur keinen guten, und mit 20 Millionen Mark wird aus einem unbrauchbaren Drehbuch noch kein brauchbares werden. Wir haben festzustellen, daß wir auf dem Gebiete der Filmwirtschaft und der künstlerischen Gestaltung den Anschluß an die Bedingungen der Umwelt in einem sehr weitgehenden Maße verloren haben. Viel schlimmer als die materiellen Trümmer, die uns zwölf Jahre Hitlersystem hinterlassen haben, ist die geistige Orientierungslosigkeit und das geistige Vakuum, vor dem wir stehen und das es in erster Linie zu überwinden gilt. Positive Maßnahmen, und zwar positivere als 20 Millionen DM oder darüber hinaus könnte ich mir so vorstellen, daß man dafür sorgt, den Menschen, die wir 1933 und danach außer Landes gejagt haben, im Hinblick auf ihre anerkannten Fähigkeiten einen Anreiz zu geben, wieder zu uns zurückzukommen. Das ist allerdings nicht möglich, wenn immer noch so viele antisemitische Rudimente beispielsweise in unserm Volk und in entscheidenden Gremien vorhanden sind Wenn ich daran erinnern darf, daß im Jahre 1933 Menschen aus diesem Land gejagt wurden wie zum Beispiel die unvergleichliche Elisabeth Bergner, die. als sie in England ankam, dort von der englischen Königin ihren Paß bekam; wenn ich daran erinnern darf, daß, als diese Frau in Amerika ein Gastspiel gab, in der amerikanischen Presse zu lesen war, es müsse ein Gesetz geben, das dieser Frau die Wiederausreise aus den Vereinigten Staaten verbietet, dann zeigt das ja auch jetzt, wie wir noch unter den Folgen einer solchen barbarischen und jedes Kulturvolkes unwürdigen Maßnahme zu leiden haben.
Ich erkläre nochmals im Namen meiner Fraktion, daß wir nicht zuletzt angesichts der wirtschaftlichen Werte, die der Film für Deutschland hat, dem Antrag unsere Zustimmung geben. Diese Zustimmung ist aber keinesfalls als ein Freibrief für Filmproduzenten zu betrachten, die glauben, auf Kosten des Staates irgendwelche keinem künstlerischen Zweck dienende Experimente betreiben zu können.
Die Zahl der Möglichkeiten, auf dem Gebiet der Filmproduktion noch in irgendeiner Form zu privaten Gewinnen zu kommen, scheint nicht so ganz gering zu sein; sonst gäbe es nicht täglich neue Interessenten, die an die Produktion neuer deutscher Filme herangehen.
Ich glaube, es sollte diesem Parlament und allen Menschen, die in diesem Lande guten Willens sind, und allen denjenigen, die glauben, daß unsere Fähigkeiten in erster Linie auf Gebieten zu liegen haben, die der Wohlfahrt der Menschen dienen, klar sein, daß der deutschen Filmwirtschaft von der Qualitätsseite, d. h. von der künstlerischen Seite her, insbesondere unter Berücksichtigung der Förderung des Kulturfilms, viel mehr geholfen werden kann als durch Hergabe finanzieller Mittel an Leute, die erst noch den Nachweis zu erbringen haben, daß sie all die Voraussetzungen, die wir nun einmal stellen müssen, zu erfüllen in der Lage sind.