Rede von
Gustav
Gundelach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die vorliegenden drei Interpellationen, die in Angelegenheit der Flüchtlingsbeamten, -angestellten und -lohnempfänger zur Beratung stehen, und die Beantwortung durch den Herrn Bundesfinanzminister sind ein Beweis mehr dafür, daß die Regierung Adenauer, wenn es sich um die Belange der notleidenden Schichten unseres Volkes handelt, es mit ihren Versprechungen aus der vergangenen Zeit nicht allzu ernst nimmt. Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat sein Versprechen vom 19. Januar dieses Jahres nicht gehalten. Er hat in der Sitzung des Haushaltsausschusses am 4. Januar 1950 tatsächlich ein Versprechen gegeben. Ich zitiere das Protokoll. Es heißt dort wörtlich:
Bundesfinanzminister Schäffer weist darauf
hin, daß man den Antrag der KPD nicht in
einer gesonderten gesetzlichen Regelung erledigen kann, sondern daß die Frage der sechsprozentigen Gehaltskürzungsverordnung bei der
vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagenen
gesetzlichen Regelung gemäß Art. 131 des
Grundgesetzes, die noch im Laufe des Januar
den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet
werden wird, behandelt werden muß.
Also bereits im Januar sollte das Hohe Haus als gesetzgebende Körperschaft diesen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen. Heute erklärt der Herr Bundesfinanzminister, daß zwar im Januar schon so ein Entwurf erarbeitet worden ist; er liege aber noch bei der Bundesregierung. Die Bundesregierung habe Veranlassung, erst die allgemeine Etatsentwicklung zu überschauen, um dann in Verbindung damit dem Hohen Hause einen solchen Gesetzentwurf zu unterbreiten. Da kann es uns wie mit dem Etat von 1949 gehen, den wir am zweitletzten Tag, nämlich gestern, verabschiedet haben. Wenn das mit dem Etat 1950/51 ebenfalls geschehen sollte, dann haben wir die Aussicht, daß eventuell Ende
des Jahres ein solcher Gesetzentwurf dem Hause vorliegen wird. Meine politischen Freunde und ich sind sich völlig darüber im klaren, daß die Regierung Adenauer diesem Hohen Hause nie ein Gesetz vorlegen wird, das die berechtigte Forderung auf Gleichstellung der ruhegehaltsberechtigten Flüchtlingsbeamten, -angestellten und -lohnempfänger mit den einheimischen Versorgungsberechtigten erfüllen wird.
Finanzminister Dr. Schäffer hat selbst davon gesprochen, daß er nur Steuereinnahmen in Höhe von 9,2 Milliarden zur Verfügung habe. Er hat weiter davon gesprochen, daß die Hälfte dieser Steuereinnahmen bereits allein für Besatzungskosten auszugeben sind. Wir sagen: Statt einer Politik der Senkung und Beseitigung der Besatzungskosten betreibt die Adenauer-Regierung nach den Äußerungen, die man wiederholt in der Presse lesen konnte, eine Politik der Beibehaltung der Besatzung auf viele Jahrzehnte hinaus. Das bedeutet, daß die Bevölkerung Westdeutschlands auf Jahrzehnte mit 4,5 Milliarden im Jahr belastet sein wird.
— Das hat mit dem Osten gar nichts zu tun.
Wir haben zu der Politik einer Regierung Stellung zu nehmen, die für Westdeutschland verantwortlich ist.
— Wir sind jederzeit bereit, mit Ihnen auch darüber zu diskutieren, was für eine Politik in der Deutschen Demokratischen Republik betrieben wird.
Die Folge der Finanzpolitik der Adenauer-Regierung muß sein, daß den sozialen Belangen jener Gruppen, zu denen wir heute hier Stellung zu nehmen haben, in keiner Weise auch nur einigermaßen Rechnung getragen wird.
Der Herr Finanzminister hat bereits bei der Behandlung eines Antrags meiner Fraktion auf Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzungsverordnung vom Dezember 1930 angekündigt, daß er den Beamten durch Gehaltsabzüge neue Lasten auferlegen will. Wenn der Herr Finanzminister heute morgen Gelegenheit genommen hat, einen Zwischenruf meines Parteifreundes Renner umzudrehen, als sei es ein Gedanke von uns, die Gehälter der Beamten zu kürzen, so war das eine sehr merkwürdige Art und Weise, in diesem Hohen Hause vorzugehen. Denn, Herr Finanzminister, ich bin auch hier in der Lage, ein Protokoll des Finanzausschusses vom 11. 11. 1949 heranzuziehen und Sie selber zu zitieren. In diesem Ausschuß haben Sie in Verbindung mit der Stellungnahme zur sechsprozentigen Gehaltskürzung folgendes gesagt:
Durch die Aufrechterhaltung der Kürzung könne ein innerer Lastenausgleich unter der Beamtenschaft vollzogen werden, indem die heute in Brot stehenden zugunsten der unschuldig verdrängten Beamten auf die Aufhebung der Gehaltskürzung verzichten. Es wäre besser gewesen, hätten auch die Länder bei der Aufhebung dieser Verordnung an diesen inneren Zusammenhang gedacht.
Er beabsichtige, den Gesetzentwurf für die verdrängten Beamten mit der Frage der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung zu verbinden, um in einem Wurf sowohl für verdrängte wie für die in Brot stehenden Beamten eine Neuregelung zu treffen. Er bitte, ihm deshalb Zeit zu lassen.
Das war im November vergangenen Jahres. Heute stehen wir am letzten Tag des Monats März dieses Jahres; es sind also immerhin fast vier Monate vergangen. Das Gesetz ist zwar angekündigt; wann wir es aber bekommen, steht noch völlig aus.
Der Herr Finanzminister will also eine Notgemeinschaft, und er will einen Teil der Beamten zugunsten eines anderen Teils neu belasten. Wir Kommunisten lehnen eine Regelung der Versorgungsbezüge für die Flüchtlingsbeamten, -angestellten und -lohnempfänger auf Kosten ihrer Berufskollegen ab. Mit dieser unserer Auffassung befinden wir uns in völliger Übereinstimmung sowohl mit dem betroffenen Kreis wie auch mit dessen Interessenvertretung, dem Deutschen Gewerkschaftsbund.
Meine Damen und Herren! Die Regierung und die hinter ihr stehenden Parteien haben den verdrängten Beamten, Angestellten und Lohnempfängern besonders während des Wahlkampfs große Versprechungen gemacht. Diese Parteien haben es der Öffentlichkeit gegenüber jetzt auch zu verantworten, wenn ihre Regierung die gemachten Versprechungen nicht einhält.