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ID0105600400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 56. Sitzung. Bonn, Freitag, den 31. März 1950 2087 56. Sitzung Bonn, Freitag, den 31. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2088B, 2096B, 2112D Anfrage Nr. 54 der Fraktion der FDP betreffend Schiffsbau für Exportzwecke (Drucksachen Nr. 577 und 803) . . . 2088C Anfrage Nr. 17 der Fraktion der FDP betreffend Währungsgesetzgebung (Drucksachen Nr. 264 und 804) 2088C Zustimmung des Bundesrats zu den Entwürfen eines Ersten Wohnungsbaugesetzes . . . . . 2088C Gesetzes über Bekanntmachungen . . . 2088C Gesetzes zur Neuordnung der Treibstoffpreise 2088C Zur Tagesordnung . . . . . . . . 2088C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen (Drucksache Nr. 590) . . . 2088D Dr. Arndt (SPD), Antragsteller 2088D, 2093C Dr. Kopf (CDU) 2090C Dr. Schneider . (FDP) . . . . . 2091D Kuhlemann (DP). . . . . . 2092D Dr. Hamacher (Z) 2093A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . . . . . 2093B Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über die Entschließung der Fraktion der SPD betreffend Errichtung eines Bundesamts für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (Drucksache Nr. 786) . , 2088C, 2094B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter . . 2094B Interpellation der Fraktion der SPD betr. Zusatzprotokoll zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen (Drucksache Nr. 660) 2094D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 2094D Dr. Lütkens (SPD) 2095B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache Nr. 788) 2095D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen (Drucksache Nr. 806) . . . . 2096A Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Gleichstellung der heimatvertriebenen ruhegehaltsberechtigten Beamten, Angestellten und Lohnempfänger (Drucksache Nr. 637) in Verbindung mit der Interpellation der Abg. Dr. Kather, Wakkerzapp, Kuntscher u. Gen. betr. Wartegeld und Pensionen der heimatvertriebenen Beamten (Drucksache Nr. 692) und der Interpellation der Fraktion der BP und der Zentrumsfraktion betr. Vorlage eines Bundesgesetzes nach Art. 131 des Grundgesetzes (Drucksache Nr. 726) . . . . 2096A Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . 2096B, 2102B, 2103B Dr. Kather (CDU) . . . . . . 2098A Stech (SPD) 2101A Dr. Falkner (BP) . . . . 2102C, 2108A Gundelach (KPD) 2103C Dr. von Campe (DP) 2104D Krause (Z) 2105B Fröhlich (WAV) . . . . . . 2106B Ehren (CDU) 2106C Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 2107B Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht (Drucksachen Nr. 621 und 405) 2108B Stegner (FDP), Berichterstatter . . . . 2108C, 211213 Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . . . . . . . 2108D Dr. Nölting (SPD) . . . . . . . 2109D Agatz (KPD) . . . . . . . . . 2110D Dr. Bertram (Z) 2111B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Vorlage eines Bundesversorgungsgesetzes für die Kriegsopfer (Drucksache Nr. 686) 2113A Zur Geschäftsordnung: Bazille (SPD) . . . . . . . . 2113B Renner (KPD) 2113C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 (Drucksache Nr. 814) . 2114A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 2114B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und BP betr. Bereitstellung von Mitteln zum Wiederaufbau der Hochschulen (Drucksache Nr. 666) 2114D Nächste Sitzung 2114D Die Sitzung wird um 10 Uhr 15 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Stunde, in der wir uns anschicken, über das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen zu sprechen, trifft uns die schmerzliche Nachricht, daß der französische Staatsmann Léon Blum verstorben ist.

    (Die Abgeordneten mit Ausnahme der der KPDFraktion erheben sich von den Plätzen.)

    Nicht allein das französische Volk, auch das deutsche
    Volk hat an Léon Blum einen Freund verloren.
    Selbst die bittersten Erfahrungen, insbesondere in
    der nationalsozialistischen Zeit, haben das Herz
    Léon Blums nicht aufhören lassen, für die Menschlichkeit zu schlagen, und sie haben ihn nicht davon
    abbringen können, als Freund der Menschlichkeit


    (Dr. Arndt)

    stets auch ein Freund des deutschen Volkes zu bleiben.

    (Die Abgeordneten nehmen ihre Plätze wieder ein.)

    Wenn die sozialdemokratische Fraktion dem Hohen Hause den Antrag unterbreitet hat, das Haus möge beschließen, die Bundesregierung solle das deutsch-französische Wirtschaftabkommen zur Ratifizierung vorlegen, so ist dies nicht geschehen, weil im allgemeinen gegen den Inhalt dieses Abkommens Bedenken zu erheben wären. Aber gerade weil über den Inhalt dieses deutsch-französischen Wirtschaftsabkommens vom 10. Februar 1950 kaum Meinungsverschiedenheiten bestehen werden, tritt um so klarer die politische und staatsrechtliche Grundfrage hervor, ob der Bundestag zu beteiligen ist. Meine Absicht geht nicht dahin, dem Bundestag im einzelnen das juristische Für und Wider vorzutragen. Das ist im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht eingehend erörtert worden und hat zu dem Mehrheitsgutachten und dem Minderheitsgutachten geführt, die Ihnen vorliegen und bekannt sein werden. Mir liegt vielmehr daran, das
    Verfassungsproblem und die politische Grundsatzfrage aufzuzeigen.
    Nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung des Bundestages in Form eines Gesetzes. Man kann und darf dieser politischen Grundfrage nicht dadurch ausweichen, daß man die Neuregelung der Außenhandelsbeziehungen als Verwaltungsabkommen frisiert. Das ist uns nur allzu bekannt aus dem Petersberger Abkommen, bei dem wir Sozialdemokraten, wie Sie wissen, nach wie vor auf dem Standpunkt stehen, daß es staatsrechtlich der Wirksamkeit entbehrt, weil es nicht ratifiziert worden ist. Auch bei dem deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen handelt es sich um weit mehr als um Exekutive auf Grund und im Rahmen geltenden Rechts, etwa der Devisenbestimmungen oder der Wirtschaftsgesetze. Wir müssen uns daran erinnern, daß es bei den sogenannten Handels- und Schiffahrtsverträgen, die stets der Ratifizierung bedurft haben, die alte Methode war, daß die Steuerung der Außenhandelsbeziehungen durch Veränderungen des sogenannten autonomen Zolltarifs erfolgte.
    Die neue, leider wesentlich primitivere Methode ist die der Steuerung durch Kontingente, Devisenkontingente, andere Kontingente. Substanziell ist es das gleiche, und da es substanziell das gleiche geblieben ist, können sich auch die Rechte des Parlaments in dieser Frage nicht verändert haben, und wir dürfen sie nicht schmälern lassen. Denn wesentlich dabei ist ja nicht, ob formal eine Transformierung einzelner Abreden durch Gesetze in innerstaatliches Recht notwendig ist, sondern entscheidend ist, daß Abkommen dieser Art weitgehend eine Förderung oder Schädigung einzelner Wirtschaftszweige bedeuten, ja, daß es sich zum Teil bei diesen Abkommen geradezu um wirtschaftliche Existenzentscheidungen handelt.
    Darüber hinaus wäre es verfehlt, ein solches Abkommen für sich allein, gewissermaßen isoliert zu betrachten; denn es ist nur ein nicht herauslösbarer Teil aus einem ganzen Netz von Abmachungen. Wir haben in der Ausschußarbeit gehört, daß für die kommenden Monate insgesamt nicht weniger als etwa 60 derartige Abkommen bevorstehen. Alle diese Abmachungen sind ein einheitliches Ganzes und stehen unter dem Leitsatz der Liberalisierung des Außenhandels. Meine Damen und Herren, die Liberalisierung ist ein Politikum allererster Ordnung. Selbst also, wenn man von dem Minderheitsgutachten ausgeht, das der Herr Kollege von Merkatz erstattet hat, wäre hier die Ratifizierung erforderlich. Denn in dem Minderheitsgutachten heißt es, sie sei notwendig, wenn das Abkommen das wirtschaftliche und soziale Gefüge der Bundesrepublik in so grundlegender Weise berührt, daß dadurch der innere und äußere Zustand der Bundesrepublik verändert wird, weil eben ein solches Abkommen dann auch die politischen Beziehungen regelt. Wer wollte das angesichts der Gesamtheit der Abkommen, zu denen auch das deutschfranzösische Abkommen gehört, irgendwie in Abrede stellen wollen?
    Wieweit der sachliche Bereich dieser Regelung greift, ist u. a. auch ersichtlich aus dem Zusatzprotokoll über das Zahlungsabkommen mit dem sogenannten Saargebiet. Denn hier handelt es sich nicht nur um technische oder allein wirtschaftspolitische oder sozialpolitische Fragen, sondern um Probleme, deren Behandlung nur mit der größten Delikatesse und mit der feinsten Präzision in der Formulierung möglich gewesen wäre. Wir bedauern daher die Ausdrucksweise, die man bei diesem Zusatzprotokoll gewählt hat und die sich an den Sprachmißbrauch anschließt, als ob Bundesgebiet mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes gleichbedeutend wäre und als ob die Bundesrepublik ein anderer Staat als der deutsche Gesamtstaat wäre. Wir legen das größte Gewicht darauf, auch nur den Anschein zu vermeiden, als ob das sogenannte Saargebiet sich außerhalb des gesamtdeutschen Staates befände.

    (Beifall bei der SPD und teilweise in der Mitte.)

    Diese unsere Sorge hat uns auch zu der Interpellation veranlaßt, die Punkt 2 unserer Tagesordnung bildet und durch die wir die Bundesregierung um die Beantwortung bestimmter Fragen gebeten haben, insbesondere um die Beantwortung der Frage, ob es der Bundesregierung vor Unterzeichnung des Wirtschaftsabkommens bekannt gewesen ist, daß darin besondere Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem sogenannten Saargebiet vorgesehen sind, ob die Bundesregierung dem deutschen Delegationsleiter eine ausdrückliche Ermächtigung gegeben hat, diese Zusatzabkommen mit seinen Bestimmungen über besondere Abkommen mit dem sogenannten Saargebiet zu unterzeichnen und ob dem Abschluß solcher Abkommen, wie sie in den Zusatzabkommen vorgesehen sind, in Hinsicht auf den völkerrechtlichen Status des sogenannten Saargebiets eine besondere Bedeutung zukommen würde. Wir hoffen, daß die Bundesregierung uns insoweit eine befriedigende Antwort erteilen kann und wird.
    Wir würden aber auch gern hören, wieweit der Herr Bundesjustizminister an alledem beteiligt gewesen ist. Gewiß sind Verfassungspolitik und Verfassungsschutz traditionell Aufgaben des Innenministeriums, wie mein Fraktionsfreund Mayer im Rahmen der Etatsdebatte erst vor wenigen Tagen hier mit Recht betont hat. Doch in jeder Frage der Auslegung des Grundgesetzes erwarten wir, daß auch das Bundesjustizministerium sich ohne Rücksicht auf parteipolitische Konstellationen zur Stimme des Rechts macht. Warum mußte erst der Rechtsausschuß des Bundestags sich auf Art. 59 Abs. 2 besinnen und sich mit Mehrheit für das Erfordernis der Ratifizierung aussprechen?
    Meine Damen und Herren, dem Ansehen des Bundestages ist nicht damit gedient, daß man


    (Dr. Arndt)

    irgendwo — wie der Herr Bundeskanzler seinerzeit in Bochum — eine anfechtbare Kritik am Parlament übt, sondern daß man die Rechte der Volksvertretung respektiert. Der Herr Bundeskanzler hat gestern hier in seiner launigen Art gesagt, seine Stellung sei ja gar nicht so stark, wie wir immer dachten. Nun, wir wunschten, daß manchmal auch seine Ausdrucksweise außerhalb des Parlaments nicht so stark wäre, wie es erscheint.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn wir hier miteinander sprechen, dann wird namlich dieses Extreme in der Kritik sehr viel mehr vermieden werden, als es sich einschleicht, wenn man vor Parteiausschüssen oder gegenüber Zeitungsreportern spricht, wie bei dem Interview mit dem „Rheinischen Merkur".
    Meine Damen und Herren, wir verschließen uns nicht der Schwierigkeit einer parlamentarischen Behandlung, die bedingt ist durch die große Zahl der in Betracht kommenden Abkommen, ihre Kurzfristigkeit und die Eile, die jeweils bei dem Abschluß geboten ist. Dies ist eine Schwierigkeit, die dadurch gesteigert wird, daß es sich vielfach jetzt um eine Regelung im Speziellen handelt, statt um eine Regelung im Generellen. Es mag auch sein, daß man im Auslande heute leider zu einer laxen Behandlung dieser Grundfragen des Parlamentarismus neigt; aber es ist ja doch an uns, hier unseren Stil der parlamentarischen Arbeit zu entwickeln.
    Ich darf deshalb nochmals auf eine Besonderheit gerade dieses Bundestages aufmerksam machen. Dieser Bundestag hat die besondere Aufgabe, die Ausführungs-Gcsetzgebung zum Grundgesetz zu erarbeiten und an der Entwicklung des noch ungeschriebenen Verfassungsrechts mitzuarbeiten. Es mag möglich sein, daß man in dieser Frage wie auch in irgendeiner anderen vielleicht juristisch zweierlei Meinung sein könnte. Aber wenn diese zweierlei Meinungen juristisch auch bestehen mögen, so sollte man sich mindestens im Zweifel immer zu Gunsten der Rechte des Parlaments entscheiden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das sollte ein politischer Grundsatz hier im Hause werden, weil das Parlament das Fundament ist, auf dem wir alle miteinander stehen.

    (Händeklatschen bei der SPD.)

    Bisher aber haben wir stets erlebt, daß man sich in solchen Fragen, in denen angebliche juristische Zweifel obwalten konnten, regelmäßig gegen das Parlament entschieden hat, und zwar sowohl bei dem Petersberger Abkommen, wie bei dem Streit um den Benzinpreis oder auch bei dem gar nicht bis hier ins Haus hereingedrungenen Streit um den Butterpreis.
    Meine Damen und Herren, wir sind ja augenblicklich hinter Weimar, ja, noch hinter der Zeit des Nationalsozialismus zurück; denn in der Weimarer Zeit hat man es für notwendig gehalten, bei ähnlichen Abkommen sogenannter wirtschaftspolitischer Art im Jahre 1926 wenigstens ein Ermächtigungsgesetz zu beschließen, das der Regierung die Befugnis zu solchen angeblich nur administrativen Abkommen gab. Sogar in der Zeit des Nationalsozialismus wurde es für erforderlich gehalten, mit Hilfe des Artikels 48 die Gesetzesform zu ersetzen.
    Auch heute ist insoweit ein Rahmengesetz möglich und erforderlich, ein Rahmengesetz mit konkreten Richtlinien, die die wesentlichen Begrenzungen, Schutzmaßnahmen und Bedingungen für den Abschluß solcher Abkommen im einzelnen festlegen; ein Rahmengesetz, das die Klausel enthält, daß ungeachtet einer vorläufigen Wirksamkeit eines solchen Abkommens dieses jeweils alsbald dem Hohen Hause zur Zustimmung vorzulegen ist.
    Aus diesen Gründen darf ich Sie bitten, dem Antrage der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen, daß das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen dem Bundestag zur Ratifizierung vorzulegen ist.

    (Händeklatschen bei der SPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich eroffne die Aussprache.
Als erster hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf das Wort. Redezeit: 12 Minuten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Kopf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, das -Problem der Ratifikationsbedürftigkeit der Handelsverträge hat seine rechtliche und seine politische Seite. Mit der rechtlichen Seite dieses Problems hat sich der Rechtsausschuß eingehend befaßt. Er hat, wie Ihnen bekannt ist, die auseinandergehende Auffassung seiner Teilnehmer in einem Mehrheits-
    und in einem Minderheitsgutachten zum Ausdruck gebracht.
    Auch innerhalb unserer Fraktion sind die Auffassungen über die rechtliche Seite geteilt. Es wird von den Herren, die die Ratifikationsbedürftigkeit bejahen, darauf hingewiesen, daß die deutsche Staatspraxis von jeher, schon vor dem ersten Weltkriege, Handelsverträge stets ratifiziert hat,

    (Sehr richtig! bei der CDU)

    daß man im Jahre 1926 zu dem Notmittel gegriffen hat, ein Ermächtigungsgesetz zu machen und einem Ausschuß die Befugnis zur Genehmigung dieser Verträge zu übertragen, und daß sogar das nationalsozialistische Regime nach 1933 sich bemüßigt fühlte, derartige Verträge zu ratifizieren und bekanntzumachen.
    Es wird ferner darauf hingewiesen, daß zwar nicht der einzelne Vertrag, wohl aber der Komplex von Verträgen, das Rankenwerk der Verträge die Wirtschaftspolitik des Staates ausmacht und daß schon aus diesem Grunde eine Ratifikation stattfinden muß, weiter darauf, daß die Maßnahmen der Kontingentsgewährung und -verteilung und der Devisenbewirtschaftung keineswegs nur der Verwaltung angehören, sondern Eingriffe in die Gesetzgebung enthalten.
    Ich selbst habe mir im Rechtsausschuß diese Auffassung nicht zu eigen machen können. Ich war bei der Ausarbeitung des Minderheitsgutachtens beteiligt. Unser Ausgangspunkt ist dabei vor allem der Umstand gewesen, daß gerade die geschichtliche Betrachtung der Handelsverträge zeigt, welche tiefgreifenden Wandlungen in dem Aufbau und in der Bedeutung dieser Handelsverträge vor sich gegangen sind. Die alten Handelsverträge waren umfassender Art. Es waren Handels-, Schiffahrts- und Niederlassungsverträge; sie waren auf lange Zeit bestimmt. Die heutigen Handelsverträge befassen sich mit den Fragen des Handels und der Zahlung. Sie sind äußerst kurzlebiger Natur, sie dauern im allgemeinen nur ein viertel bis ein halbes Jahr und passen sich den wechselnden Erfordernissen der Wirtschaftspolitik an. Unsere Minderheit im Rechtsausschuß war deshalb der Auffassung, daß derartige kurzlebige Handelsverträge nur ausnahmsweise der Ratifikation bedürfen, und zwar dann, wenn sie nicht nur von politischer Bedeutung sind, sondern direkt die politischen Beziehungen regeln, also wenn beispielsweise eine echte Zollunion zustande käme.


    (Dr. Kopf)

    Wir sind weiter der Auffassung, daß diese kurzfristigen Handelsverträge nicht Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung betreffen, sondern Angelegenheiten der Bundesverwaltung, und daß die Maßnahmen der Devisenverwaltung, der Kontingentverwaltung und der Zollverwaltung eben Verwaltungsaufgaben und nicht Aufgaben der Gesetzgebung sind. Ferner sind wir der Meinung, daß ein Eingriff in die Gesetzgebung selbst im Sinne des Art. 59 des Grundgesetzes nur dann stattfindet, wenn durch den Abschluß eines Handelsvertrages eine Änderung der bereits bestehenden Gesetzgebung, beispielsweise der Zollgesetzgebung, erforderlich wäre.
    Wie auch immer die rechtlichen Auffassungen dieser beiden Standpunkte sich gestalten mögen, wir sind als Juristen gewohnt, das juristische Gewicht auch der andersartigen und gegenteiligen Meinung durchaus anzuerkennen und als beachtlich zu empfinden. Wir glauben aber, daß wir ungeachtet dieser rechtlichen Gegensätze nach einer praktischen Lösung suchen müssen, die den politischen Erfordernissen, die Herr Kollege Arndt vorhin dargetan hat, entspricht. Und hier wird auch von Seiten der Kreise, die rechtlich auf dem Standpunkt des Minderheitsgutachtens stehen durchaus anerkannt, daß der Bundestag die Möglichkeit haben solle, sich zu diesen Handelsverträgen nicht nur erst dann zu äußern, wenn diese perfekt und abgeschlossen sind, sondern sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt in ihre Gestaltung einzuschalten.
    Wir glauben daher, daß wir in den Wünschen und praktischen Erfordernissen durchaus nicht so weit auseinanderliegen wie in unserer rechtlichen Stellungnahme. Wir suchen daher nach einer Möglichkeit, um diesen auf beiden Seiten, im Minderheits- und Mehrheitsgutachten, geäußerten Wünschen entgegenzukommen und sie zu einer praktischen Vereinigung zu führen. Das wird durchaus möglich sein. Der Schlußabsatz des Mehrheitsgutachtens spricht ja auch davon, daß nach einem Weg gesucht werden soll, wonach sich vielleicht in Anbetracht der Kurzfristigkeit und der großen Zahl der Handelsverträge nicht das Plenum dieses Hohen Hauses, sondern ein Ausschuß die Mitwirkung bei den Verträgen vorbehält. Die Art dieser Mitwirkung hängt allerdings von der rechtlichen Grundlage ab, von der wir ausgehen.
    Bejahen wir die Ratifikationsbedürftigkeit, dann wird dieser Ausschuß an Stelle des Plenums die Genehmigung der Handelsverträge vorzunehmen haben. Er wird dazu einer Ermächtigung bedürfen, wie sie der Reichstagsausschuß von 1926 seinerzeit bekommen hat.
    Verneinen wir die Ratifikationsbedürftigkeit, dann wird sich dieser Ausschuß, wohl der Außenhandelsausschuß, eben darauf beschränken müssen, sich über den Abschluß der Handelsverträge unterrichten zu lassen, und zwar nach meiner Ansicht nicht erst nach ihrem Abschluß, sondern bereits während der Dauer der Verhandlungen. Allerdings wird er dabei nicht die Grenze überschreiten dürfen, die uns gesetzt ist; er wird nicht in die Exekutive eindringen können, aber er wird im Rahmen des Unterrichtetwerdens durchaus die Möglichkeit haben, auch gutachtlich zu den einschlägigen Fragen Stellung zu nehmen.
    in der Praxis wird durchaus eine Möglichkeit gegeben sein, beide rechtlichen Standpunkte zu befriedigen. Wir haben daher gemeinsam von den Parteien der Koalition aus einen Antrag vorbereitet, den ich zur Kenntnis bringen darf. Zunächst wünschen wir, daß der Antrag der SPD dem Außenhandelsausschuß und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz überwiesen wird. Gleichzeitg aber — und das ist das Wesentliche und wohl auch das Bedeutungsvollere — stellen wir folgenden zusätzlichen Antrag:
    Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz wird ersucht, Vorschläge auszuarbeiten, die geeignet sind, die Ausübung der Rechte des Bundestages beim Abschluß von Handelsverträgen in einer die laufende Arbeit des Bundestages nicht beeinträchtigenden Weise zu gewährleisten.
    Darf ich ganz kurz nochmals auf den Sinn dieses letzten positiven Antrages zu sprechen kommen. Sein Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß es bei der ungeheuer großen Zahl von Handelsverträgen—vielleicht 40 bis 60 — und bei ihrer kurzen Dauer von einem Viertel- bis einem halben Jahr unmöglich ist, daß sich dieses Hohe Haus, wenn man die Ratifikationsbedürftigkeit bejahen sollte, mit etwa 200 bis 250 Handelsverträgen im Jahr befaßt. Durch eine derartige Arbeitsmehrbelastung würde unsere laufende gesetzgeberische Arbeit wesentliche Störungen erleiden. Wie immer auch die rechtliche Beurteilung res Problems sein mag bleibt daher nur der Ausweg, hiermit einen Ausschuß zu befassen. Es ist notwendig, daß zunächst einmal der Rechtsausschuß die rechtlichen Möglichkeiten erwägt, in welcher Weise dieser Ausschuß als Hüter der Rechte des Parlaments in die Bearbeitung der Handelsverträge eingeschaltet werden kann. Aus diesem Grunde haben wir diesen Antrag formuliert als eine praktische Brücke zwischen zwei gegenteiligen Meinungen, die in ihrer Zielsetzung auf dasselbe hinausgehen: die Rechte des Parlaments auch beim Abschluß von Handelsverträgen zu wahren.