Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei meinem letzten Aufenthalt in Passau erhielt ich die in Urschrift beiliegende eidesstattliche Erklärung des Kraftfahrers des Herrn Bundestagsabgeordneten Günter Goetzendorff. Ich halte mich für verpflichtet, dem Präsidenten des Deutschen Bundestags davon Kenntnis zu geben.
Diese eidesstattliche Erklärung hat folgenden Wortlaut:
Freiwillig und im Bewußtsein, daß eine wissentlich falsche eidesstattliche Erklärung mit Gefängnis bedroht ist und diese eidesstattliche Erklärung zur Vorlage an die Bundesfinanzbehörde bzw. an das ordentliche Gericht verwendet werden soll, erkläre ich hiermit an Eidesstatt folgendes:
Ich, Rudolf Stadler, Automechaniker und Kraftfahrer in Passau, Maierhof 40 1/7, war vom März 1947 bis 1. Februar 1950 als Kraftfahrer im Dienst des früheren Provinzredakteurs und jetzigen Bundestagsabgeordneten Günter Goetzendorff beschäftigt. Wegen verschiedener Differenzen und vor allem wegen des unkorrekten Verhaltens des Herrn Günter Goetzendorff habe ich mein Dienstverhältnis zu ihm gelöst. Ich beschuldige den Abgeordneten Günter Goetzendorff folgenden unkorrekten Verhaltens.
Goetzendorff hat tatsächlich mit seinem Pkw folgende Fahrten von Bonn nach Passau durchgeführt: 25. 9. 49, 9. 10. 49, 22. 10. 49, 6. 11. 49, 20. 11. 49, 8. 12. 49, 22. 1. 49,
— das soll wohl heißen „50" —
5. 2. 49.
— Das muß wohl auch „50" heißen. —
Mir ist als sein Chauffeur bestimmt bekannt, daß Goetzendorff mindestens drei Fahrten nach Passau verrechnet hat, die nicht gefahren worden sind. Er hat also den deutschen Bundesstaat um mindestens DM 1200,— betrogen. Goetzendorff hat einmal angeordnet, daß ich bei ihm in Godesberg übernachte, um den Anschein zu erwecken, daß wir Bonn verlassen haben. Er wollte dadurch verhindern, daß ich von den Kraftfahrern der übrigen Bundestagsabgeordneten und von der Fahrbereitschaft gesehen werde.
Im Monat Oktober 1949 hatte der Abgeordnete Goetzendorff versucht, eine Mietautorechnung in Höhe von DM 450,— der Abrechnungsstelle in Bonn vorzulegen. Es handelt sich hierbei um eine Sonntagsfahrt zur Abholung eines Mädchens aus der Gegend von Hannover.
Die Rechnung wurde von ihm auf einen Werktag vordatiert, so daß ihr der Charakter einer Dienstfahrt verliehen wurde. Bundestagspräsident Dr. Köhler hat jedoch die Bezahlung abgelehnt.
Zu weiteren mündlichen Aussprachen bin ich gerne bereit.
Gezeichnet: Rudolf Stadler.
Der Herr Abgeordnete Goetzendorff hat in einem Schreiben an den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestags vom 27. März 1950 zu der Frage dieser Berechnungen folgendes erklärt:
Der von mir entlassene Kraftfahrer Stadler hat diese Anschuldigungen als Mittel benützt, von mir finanzielle Zuwendungen zu erhalten. Er hat sich, als ihm dies nicht glückte, zu einer politischen Partei Bayerns begeben. Dort wurde die vorliegende eidesstattliche Erklärung in skrupellosester Weise formuliert. Die Persönlichkeit des Menschen, der die Niederschrift formulierte, ist mir bekannt. Ich bin in der Lage, die Hintergründe und die Unwahrheit dieser Behauptungen durch Zeugen, die unter Eid aussagen werden, zu beweisen.
Der Herr Abgeordnete Loritz hat namens der Fraktion der WAV einen Beschluß dieser Fraktion mitgeteilt und auch gestern dem Hohen Hause bekanntgegeben, dessen Wortlaut ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen darf:
Die WAV-Fraktion fordert den Abgeordneten Günter Goetzendorff auf, gegen sich selbst sofort ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen zur Klärung der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen in bezug auf die eidesstattliche Erklärung des Fahrers Rudolf Stadler und die bei der Staatsanwaltschaft Offenburg niedergelegten Erklärungen eines Flüchtlings.
Der Abgeordnete Goetzendorff wird aufgefordert, bis zur Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe den Sitzungen des Bundestags und der Fraktion fernzubleiben. Falls Goetzendorff nicht sofort Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gegen sich stellt, wird die Fraktion der WAV von sich aus Strafanzeige gegen Goetzendorff erstatten.
Gezeichnet: Loritz.
Inzwischen ist mir mitgeteilt worden, daß am 27. März von der Fraktion der WAV bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Passau wegen Betrugs zum Nachteil der Kasse des Deutschen Bundestags Strafanzeige erstattet worden ist.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich mit dieser Frage in mehreren Sitzungen befaßt. Ihm lagen auch über andere angebliche Verfehlungen des Herrn Abgeordneten Goetzendorff Akten vor. Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ist zu dem Antrag gekommen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, zur Aufklärung des Tatbestandes in der Frage des angeblichen Betrugs zum Nachteil der Bundeskasse den Beschluß zur Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Goetzendorff fassen zu wollen.
Der Ausschuß ließ sich dabei von der Erwägung leiten, daß es im Interesse des Ansehens und der Sauberkeit des deutschen Parlaments liege. derartige Beschuldigungen unter allen Umständen so rasch und so lückenlos wie möglich aufzuklären.
Das Hohe Haus hat einen Ruf zu verlieren, und es würde von den Mitgliedern des Ausschusses, die diesen Beschluß einmütig gefaßt haben, nicht verstanden werden können, wenn der Weg zur Durchführung der Strafuntersuchung in diesem Falle von dem Parlament nicht freigegeben würde. Ich bitte Sie daher, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.