Meine Damen und Herren! Wir sind mit der Grundtendenz dieses Gesetzes, daß unbedingt und schnellstens eine
oberste Spitze in der Finanzgerichtsbarkeit errichtet werden soll, ein oberster Gerichtshof selbstverständlich einverstanden. Wir sind auch im wesentlichen mit allen Paragraphen, wie sie
der Entwurf der Regierung uns gebracht hat, einverstanden. Wir sind auch mit der abgeänderten Fassung, wie sie in den beiden Ausschüssen erarbeitet worden ist, einverstanden.
Nur mit einer einzigen Fassung sind wir nicht einverstanden; das ist § 3 Absatz 3, den die beiden Ausschüsse gestrichen haben. Hier rühren wir an das Problem, das immer wieder auftaucht, wenn wir die Frage entscheiden wollen, wie oberste Gerichtshöfe zu besetzen sind. Und da es sich hier um einen obersten Gerichtshof handeln soll — das war auch in den beiden Ausschüssen nicht streitig —, ist die Frage nur: wie soll man diesen obersten Gerichtshof besetzen? Der Regierungsentwurf schlug ursprünglich diesen Absatz 3 des § 3 vor:
Zum Mitglied des Bundesfinanzhofes kann nur ernannt werden, wer das 35. Lebensjahr vollendet hat. Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß die Befähigung zum Richteramt erlangt haben. Die Mitglieder müssen, soweit sie nicht die Befähigung zum Richteramt besitzen, die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst erlangt haben.
Der Ausschuß oder, ich möchte sagen, die beiden Ausschüsse haben über dieses Problem diskutiert, und es zeigte sich sofort, daß hier ein Zentralproblem angeschnitten wurde. Die Meinungen gingen naturgemäß sofort auseinander, und da sind diese vereinigten Ausschüsse — jedenfalls nach dem Eindruck, den ich dort bekommen habe — einfach ausgewichen. Man hat sich auf die bisher bestehende Regelung, nämlich die in der Reichsabgabenordnung, zurückgezogen, die bestimmte, daß nur die Hälfte der Richter am Bundesgerichtshof ordentliche Richter sein müßten.
Der Bundesfinanzhof hat in der Vergangenheit mit Ausnahme der Periode im Nationalsozialismus eine Bedeutung erlangt, die erstaunlich ist. Alle, die Gelegenheit hatten, seine Urteile kennenzulernen, waren von der Qualität dieser Urteile überzeugt. Er hat deshalb eine außerordentliche Autorität erlangt, und wenn wir nicht wollen, daß diese Autorität in der Zukunft sinkt, sollten wir jetzt schon dafür sorgen, daß in der Besetzung dieses Gerichtshofes nur die besten Kräfte erscheinen können. Wir sind damit einverstanden, daß die Richter mindestens das 35 Lebensjahr vollendet haben müssen. Wir sind aber nicht damit einverstanden, daß man jetzt diesem Problem, das wir doch lösen müssen, ausweicht, einfach um deswillen, weil sich vielleicht im Augenblick sonst Schwierigkeiten ergeben könnten. Wir sind um deswillen nicht damit einverstanden, weil der Hinweis, daß es bisher gut gegangen sei, uns nicht restlos zu überzeugen vermag.
Es ist mir bekanntgeworden, daß trotz der seither geltenden Bestimmung theoretisch auch andere Leute als nur solche, die die Befähigung zum Richteramt erworben haben, zu obersten Richtern dorthin berufen werden konnten und daß das tadellos geklappt hat. Aber, meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht: seither hatten wir auch eine andere Art der Berufung dieser Richter. Seither hatten wir nicht die Möglichkeit, wie sie jetzt im Grundgesetz verankert ist, die Richter nach einer ganz anderen Methode, nämlich nach Wahl, zu bestimmen.
Darin liegt nach unserer Auffassung zweifellos eine gewisse Gefahr, wenn wir nicht von vornherein die Normativbestimmungen, die Bedingungen festlegen, an die auch dieser Richterwahlausschuß gebunden ist. Deshalb sind wir der Meinung, daß wir diesem Problem nicht ausweichen, sondern daß wir es anpacken sollten.
Wir sind der Auffassung, daß an diesem Spezialgerichtshof — so möchte ich ihn einmal nennen - unbedingt nur allerbeste Kräfte sitzen können, denn diese Spezialmaterie erfordert das einfach. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ja nichts Neues. Lesen Sie doch nur mal Finanzgesetze wie das Einkommensteuergesetz. oder wie sie sonst heißen mögen, lesen Sie mal die Durchführungsverordnungen dazu oder sehen Sie sich mal die sogenannten technischen Gesetze an, die wir neulich dazu erlassen haben. Es gehört beinahe schon eine Geheimwissenschaft dazu, ein derartiges Gesetz überhaupt zu lesen. Für einen normalen Menschen ist das gar nicht mehr möglich, und selbst ein Spezialjurist ist dazu kaum in der Lage. Dort oben kommt es aber nicht darauf an, nur zu lesen, sondern dort oben kommt es ja darauf an, nach dem Geist und dem Text dieser Gesetze Recht zu sprechen. Dazu gehören eine ganz besondere Fähigkeit und ganz besondere Fachkenntnisse. Deshalb sind wir der Meinung, daß dort nur Menschen hingehören, die ihrer Ausbildung nach diese Fachkenntnisse mitbringen.
Im Ausschuß wurde darauf hingewiesen, der Begriff „höherer Verwaltungsdienst" sei nicht mehr einheitlich. Das ist zugegeben. Früher war dieser Begriff einheitlich. Es handelte sich um Leute, die studiert und die die zwei vorgeschriebenen Prüfungen abgelegt hatten. Das mag sich in den einzelnen Ländern verschoben haben, aber das ändert nichts an dem Grundproblem. Führen wir diesen Begriff ,.höherer Verwaltungsdienst" wieder ein, so haben wir immerhin die Gewähr, daß damit schon die Grundtendenz auch für den Richterwahlausschuß festgelegt ist.
Auf die Wiedereinführung dieses Begriffes legen wir aber gerade deshalb so entscheidendes Gewicht, weil es sich hier ja nicht um eine Tatsacheninstanz handelt. Wir vertreten auch sonst den Standpunkt, daß man das Laienelement in die Rechtsprechung mit einbeziehen sollte. Aber das sollte man nur da tun, wo es sich um Tatsacheninstanzen, d. h. um die Beurteilung konkreter Tatbestände handelt, und nicht da, wo es um reine Rechtsfragen geht, wie hier beim Bundesfinanzhof.
Aber es kommt noch ein weiterer Grund hinzu, weshalb wir glauben, daß das Problem jetzt gelöst werden sollte. Auch der gemischte Ausschuß konnte sich der Tatsache nicht verschließen, daß, wenn das Gesetz hier verabschiedet sein wird, diese Richter, und zwar alle Richter, auf Lebenszeit bestellt werden sollen. Wir stimmen diesem Grundsatz zu. Wenn wir jetzt aber Elemente hineinnehmen, die nach unserer Auffassung nicht die nötigen Qualifikationen mitbringen, dann schaffen wir damit auch ein gewisses Präjudiz für die kommende Gesetzgebung über die Finanzgerichtsbarkeit. Das kann man dann einfach nicht mehr ändern, denn damit werden Tatsachen geschaffen, die irreparabel sind; die Richter sollen ja durch diesen Aus-
schuß auf Lebenszeit bestellt werden. Wenn sie aber einmal bestellt sind, mag die Finanzgesetzgebung sagen, was sie will, an dieser Tatsache kann sie dann nichts mehr ändern. Deshalb sind wir der Meinung, daß das jetzt geändert werden müßte.
Ich stelle deshalb namens meiner Fraktion den Abänderungsantrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
§ 3 Absatz 3 wird in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt.
Ich bitte .das Haus, diesem unserem Abänderungsvorschlag zuzustimmen.