Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DRP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir leider nicht möglich, Sie in gleicher Weise so heiter zu unterhalten wie mein Herr Vorredner; aber ich werde mir Mühe geben, mich um so kürzer zu fassen.
Es gibt für den Strafvollzug verschiedene Theorien, die heute ja lang und breit erörtert worden sind. Die Erziehungs- und Besserungstheorie sollte man mehr in das Gebiet des Jugendstrafvollzuges verlegen. Dort dürfte sie noch einigermaßen Aussicht auf Erfolg haben. Bei einem handfesten erwachsenen Mörder erscheint mir eine derartige Theorie den tatsächlichen Lebensverhältnissen wenig zu entsprechen.
Es gibt dann die Abschreckungstheorie, die heute von verschiedenen Seiten als Positivum für die Todesstrafe angeführt worden ist. Der Kollege Loritz wies mit Recht darauf hin, daß nach seiner Praxis und auch wohl nach der Praxis anderer
Jristen die Tatsache daß man für einen begangenen Mord auch seinen eigenen Kopf verliert, doch immerhin nicht ganz unbeachtlich sein dürfte. Wenn man allerdings in dieser Beziehung zu Statistiken greifen will, so darf man das wohl nicht in einem Lande wie dem unsrigen zu der
jetzigen. Zeit tun; denn es ist noch nicht lange her, daß wir einen rauhen Krieg, in dem nun einmal ein Menschenleben nicht viel gilt, hinter uns haben. Aber die Anregung der Herrn Kollegen Loritz. in der Schweiz, wo die Zeiten seit Jahrzehnten ruhig und gleichmäßig dahinfließen, einmal zu forschen, wie sich die Abschaffung der Todesstrafe in den einzelnen Kantonen ausgewirkt hat, erscheint mir so beachtlich, daß man ihr nachgehen sollte.
Es gibt schließlich noch eine dritte Theorie, die Sühne- oder Vergeltungstheorie. Sie ist diejenige. die im Volke tatsächlich verwurzelt ist. Strafrecht aber darf nicht wie die komplizierten Bestimmungen zum Beispiel des Bürgerlichen Gesetzbuches. des Handelsrechts oder des Aktien- und des Wechselrechts nun im Theoretischen hängenbleiben. Das Strafrecht muß mehr als jedes andere Recht volkstümlich sein. Fragen Sie das Volk aus allen Schichten - und gerade die urwüchsigen und unverbildeten Teile —, und vor allem: fragen Sie die Frauen! Sie werden in der überwiegenden Zahl aus ihrem natürlichen Instinkt heraus die Todesstrafe bejahen.
Die Deutsche Reichspartei bejaht ebenfalls die Todesstrafe.
Sie sollte aber, wie der Kollege Ewers schon hervorhob. anders als bisher in das Strafgesetzbuch eingebaut werden, nämlich in der Weise, daß sie im Gesetz neben lebenslänglichem Zuchthaus als Strafandrohung ausgesprochen wird. Der Richter muß die Möglichkeit haben, in jedem Einzelfall letztlich noch zwischen lebenslänglicher Zuchthausstrafe und Todesstrafe zu wählen, um dem jeweiligen Sachverhalt auch bis ins Letzte gerecht zu werden. Mit dieser Einschränkung, die sich ja leicht in das Strafgesetzbuch, bzw. in die Entwürfe. die sich in Vorbereitung befinden, einbauen läßt, unterstützt die Deutsche Reichspartei den Antrag der Bayernpartei.