Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Sorge, ich will nichts wiederholen, was bereits gesagt worden ist; ich beschränke mich auf das Grundsätzliche. Als im Ältestenrat beraten wurde, wie dieser Antrag der Bayernpartei im Plenum behandelt werden soll, habe ich mir den Vorschlag erlaubt, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Ich bin der Meinung, daß das die einzig richtige Behandlungsmethode gewesen wäre.
Nein, ich will Ihnen erkären, warum das richtig ist. Sie waren sich von Anfang an darüber klar, daß Ihr Antrag zu nichts anderem als zu einem stundenlangen Kolleg führen würde. Sie sind doch kein kleines Kind; glauben Sie denn, daß Sie für diese Verfassungsänderung hier im Hause eine Mehrheit finden? Im Ältestenrat ist doch klar und eindeutig kundgetan worden, daß Sie nicht damit rechnen können, daß auch nur eine ernstzunehmende Fraktion sich mit diesem Antrag befassen wird. Sie waren sich also über den Ausgang klar. Sie wollten gar nichts anderes als mit Ihrem Antrag beweisen, daß Sie den primitiven Rachegedanken, den Vergeltungsgedanken, die heute bei primitiven Menschen in unserem Volk herrschen, Rechnung zu tragen bereit sind,
primitiv deshalb, weil es die Gedanken des saturierten Bürgers sind.
— Ich gebe Ihnen auch darauf eine Antwort. — Tatsache ist nun einmal, daß die Aufhebung der Todesstrafe Bestandteil des Grundgesetzes ist. Tatsache ist weiter, daß die Diskussion um dieses Problem im Parlamentarischen Rat mit einer Gründlichkeit, mit einer Vornehmheit und mit einer Sachkunde geführt worden ist, die sich wohltuend von dem unterschieden hat, was wir heute hier, vor allen Dingen in Gestalt der Zwischenrufe der Herren von der Bayernpartei, erlebt haben.
— Ich habe gegen das Grundgesetz gestimmt, genau so wie Sie.
— Das ist Auffassungssache. Ich glaube, in diesem Fall ist sich das Plenum mit mir einig, daß das eine höchst unsachliche Betrachtung des Problems war. Wenn dann noch hinzukommt, daß die Bayernpartei sich zu Hause als eine christliche Partei anpreist,
dann wird die Sache noch dubioser. Sie müßten sich doch als christliche Partei gegen die Ausbreitung des Rachegedankens im Volke aussprechen und dagegen ankämpfen. Und wenn Sie gar schon bei der Begründung Ihrer Konzeption von der Behauptung ausgegangen sind, daß noch im 20. Jahrhundert ein katholischer Geistlicher sich für die Beibehaltung der Todesstrafe ausgesprochen habe, dann hätten Sie doch — ich nehme an, daß Sie das sind — als frommer bayerischer Christ zumindest die Verpflichtung gehabt, darauf hinzuweisen, daß es für diese Auffassung in der katholischen Glaubenslehre einen durchaus ernstzunehmenden geistigen Unterbau gibt.
Ich werde mit ihnen als Kulturbayer keine Diskussion über Humanität beginnen.
Tatsache ist doch, um die Sache so ernst zu behandeln, wie 'sie es verdient, daß tatsächlich in der katholischen Glaubenslehre die Todesstrafe unter einem gewissen sakralen Aspekt angesehen und betrachtet worden ist. Tatsache ist doch, daß nach der katholischen Glaubenslehre der Delinquent — —
— Vielleicht versuchen Sie einmal, sich ein bißchen anständig zu benehmen.