Rede:
ID0105206000

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 1052

  • date_rangeDatum: 27. März 1950

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Montag, den 27. März 1950 1873 52. Sitzung Bonn, Montag, den 27. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1874C, 1925C Zur Tagesordnung . . . . . . 1784D, 1892B Erste Beratung des von der Fraktion der Deutschen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 609) 1874D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller . . . . . . . . 1875A Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wuermeling, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes (Drucksache Nr. 618) . . . . . . . 1875D Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Befreiung nichtöffentlicher Schulen und Erziehungsanstalten von der Umsatzsteuer (Drucksache Nr. 656) . . . . . 1876A Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1876A Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichsleistungsgesetzes, des Leistungspflichtgesetzes im Lande Hessen sowie des Notleistungsgesetzes in WürttembergHohenzollern (Drucksache Nr. 657) . . 1877B Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1877B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache Nr. 704) 1877D Loritz (WAV) . . . . . . . 1878A Renner (KPD) 1878B Erste Beratung des von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zahlung der Pensionsvorschüsse und Unterhaltsbeihilfen an die im Art. 131 des Grundgesetzes angeführten Personengruppen (Drucksache Nr. 668) . . . 1878D Dr. Nowack (FDP), Antragsteller 1878D Krause (Z) 1879D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Drucksachen Nr. 685 und 350) . . . 1879D Brookmann (CDU), Berichterstatter 1879D Frau Korspeter (SPD) 1880D Frau Dr. Brökelschen (CDU) 1882B, 1889D Krause (Z) . . . . . . . . 1884A Kohl (KPD) 1884D Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 1886C Priebe (SPD) 1887C Euler (FDP) . . . 1888B Farke (DP) 1888C Frau Döhring (SPD) 1889A Zweite und dritte Beratung des Gesetzes über die Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten (Drucksachen Nr. 760 und 522) 1890B Langer (FDP), Berichterstatter . . 1890C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für die unständigen Hafenarbeiter (Hafensonderbetrieb) (Drucksache Nr. 632) . . . . . . . 1891 B Storch, Bundesminister für Arbeit . 1891C Unterbrechung der Sitzung . . 1892A Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiedereinführung der Todesstrafe (Drucksache Nr. 619) 1892C Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller . . . . . . . 1892C, 1919A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 1895D Wagner (SPD) 1896D Dr. Kleindinst (CSU) 1904B Dr. Hammer (FDP) 1905A Dr. Laforet (CSU) 1906B Frau Meyer-Laule (SPD) . . . 1906D Loritz (WAV) 1908A Ewers (DP) 1909C Dr. von Merkatz (DP) 1911B Neumayer (FDP) 1912B Renner (KPD) 1914C Dr. Miessner (DRP) 1917D Dr. Schmid (SPD) 1918B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 1913D Schröter (CDU) 1914A Renner (KPD) . . . . . . . 1914 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Drucksache Nr. 628) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter (Drucksache Nr. 699) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ausschluß des Umtauschs und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen (Drucksache Nr. 711) . . . . . . . 1921B Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 770 und 630) . . . 1921B, 1925A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Berichterstatter . . . . . . . . 1921B Dr. Schneider (FDP) . . . . . . 1921D Euler (FDP) (zur Geschäftsordnung) 1925A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse von Bundestagsabgeordneten aus dem Beamtenverhältnis (Drucksache Nr. 720) 1923B Dr. Kleindinst (CSU), zur Geschäftsordnung . . . . . . 1923C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Drucksache Nr. 745) 1923D Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 1923D Nächste Sitzung 1925C Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Josef Ferdinand Kleindinst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Als mein Herr Vorredner im Parlamentarischen Rat den Antrag auf Abschaffung der Todesstrafe gestellt hatte, haben die Meinungsverschiedenheiten, wie er bereits hervorgehoben hat, nicht von Partei zu Partei, nicht von Fraktion zu Fraktion bestanden. Auch die Abstimmung hat nach der rein persönlichen Überzeugung und nach der rein persönlichen Verantwortung stattgefunden. Natürlich ist die Frage entstanden, ob man nach den Brutalitäten der Nationalsozialisten, nach der Abstumpfung durch den Krieg, nach den vielen Untaten, insbesondere von Ausländern, an die Abschaffung der Todesstrafe herangehen kann. Im Parlamentarischen Rat hat aber eine starke Mehrheit für die Abschaffung der Todesstrafe gestimmt, und eine Reihe von Mitgliedern hat sich der Stimme enthalten. Diese Mehrheit war aus allen Fraktionen gebildet, auch aus der CDU und CSU. So ist die Bestimmung in das Grundgesetz gekommen.
    Man mag zum Grundgesetz stehen, wie man will; es ist nun einmal die Grundlage unseres Verfassungslebens geworden. Wir sind nicht gesonnen, zehn Monate nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes aus ihm eine Bestimmung herauszubrechen, die unzweifelhaft in einem ideellen Zusammenhang mit den Grundrechten steht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Was würden die Herren Antragsteller sagen, wenn morgen ein Antrag auf eine Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundes, etwa in bezug auf das Gemeinderecht oder das Schulrecht, eingereicht würde? Meine Herren, ich hätte vom Standpunkt des Bundesstaats, den ich mit Ihnen vertrete, nicht das Vorbild zu einer Verfassungsänderung gegeben.

    (Abg. Dr. Seelos: Warum haben Sie dann den Art. 79 gemacht?)

    — Das ist schon hervorgehoben worden. Er ist gemacht worden, um das Grundgesetz unter einen besonderen Schutz zu stellen und um nicht von Stimmungen und Verstimmungen aus die Zuständigkeiten oder die übrigen Bestimmungen überhaupt verrücken zu lassen. Wir können also rein verfassungspolitisch nicht unsere Hand dazu bieten, jetzt ohne zwingendsten Grund das Grundgesetz zu ändern, und zwar auch aus föderalistischer Gesinnung.
    Nun kommt ein zweiter Gesichtspunkt. Wir haben es im Parlamentarischen Rat als einen Nachteil angesehen, daß die Frage der Abschaffung der Todesstrafe außerhalb der Strafrechtsreform behandelt werden mußte. Gewiß, die Gründe für und wider die Todesstrafe sind in den Fraktionen besprochen worden. Der Herr Antragsteller hat seine Gründe mit derselben Überzeugungskraft wie heute vertreten. Aber im Rahmen der Beratung des Grundgesetzes war die Stellungnahme zu dieser Frage nicht mit der Gründlichkeit und mit dem Aufwand möglich, wie es in einem Strafrechtsausschuß der Fall gewesen wäre. Aus diesem Grunde haben Mitglieder des Parlamentarischen Rates gegen den Antrag gestimmt oder sich der Stimme enthalten. Auch der vorliegende Antrag wird außerhalb einer Revision des Strafrechts gestellt. Wir sind der Anschauung, daß diese Frage nicht jetzt und nicht als isolierte Angelegenheit ausgetragen werden kann.
    Nun komme ich zu einer rein praktischen Frage. Wenn man die Anschauungen des Hauses einigermaßen objektiv übersieht, so wird man nie der Überzeugung sein können, daß man eine verfassungsändernde Mehrheit für diesen Antrag zusammenbringt. Da muß ich sagen: welchen Zweck hat dann der Antrag in diesem überlasteten Hause und auch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht? Ich glaube deshalb, daß man diesen Antrag, nachdem er keine Möglichkeit hat, hier durchzugehen, auch gar nicht dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überweisen sollte.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der BP: Gleich abstimmen!)

    Wir sind hier durchaus der Meinung des Herrn Justizministers, daß diese Frage erst wieder gestellt werden kann, wenn die Strafrechtsreform vor uns liegt, und zu ihr werden wir ja kommen müssen. Man kann sie nicht von ihr trennen, und es wird wenigstens die Frage aufgeworfen werden: welche Erfahrungen hat man mit der Aufhebung der Todesstrafe gemacht?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Welche Erfahrungen haben die Strafvollzugsbehörden

    (Abg. Dr. Seelos: Die sind dafür!)

    beim Vollzug von Strafen von Verbrechern gemacht, die voraussichtlich zum Tod verurteilt worden wären? Das kann nur in diesem Zusammenhang gemacht werden.
    Nun ist bestritten worden, daß der Parlamentarische Rat überhaupt für die Beschlußfassung über diese Frage zuständig gewesen ist. Der Herr Kollege Laforet wird die staatsrechtliche Frage besonders behandeln, darauf will ich nicht eingehen;


    (Dr. Kleindinst)

    ich will nur das eine sagen: wenn man hier Anträge stellt, Beschlüsse faßt und an den Beschlußfassungen teilnimmt, so stellt man sich auf den Boden dieses Grundgesetzes. Das gilt doch auch für die Herren Antragsteller. Aus diesen Gründen glauben wir, daß man den Antrag ablehnen muß, weil gar keine Möglichkeit besteht, daß er eine praktische Bedeutung annimmt.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr logisch!)

    — Jawohl, meine Herren, weil das Haus und der
    Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht so
    überlastet sind, werden sie nur zu Anträgen
    Stellung nehmen können, von denen man voraussieht, daß sie eine praktische Bedeutung gewinnen.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hammer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Hammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich will von der Erörterung der verfassungsrechtlichen Fragen absehen und jetzt zu der eigentlichen Sache selbst einiges sagen: Es ist in Deutschland eine oft geübte Gewohnheit, seine Ausführungen mit einem Zitat aus Goethes „Götz" zu
    schließen. Gestatten Sie mir ausnahmsweise, mit einem solchen Zitat anzufangen. Ort: nicht Jagsthausen, sondern die Hofhaltung in Bamberg. Teilnehmer: der Abt von Fulda und jener Dr. Olearius aus Sachsenhausen. Der Kirchenfürst fragt den Mann, wer er sei. „Doctor utriusque juris". Wo er herkäme? „Von Bologna". Er fragt ihn dann nach seiner Wissenschaft und stellt ihm die Frage: Nun, wie ist das eigentlich mit eurem Recht? Sind da die zehn Gebote auch drin enthalten oder nicht? Da gibt dieser Olearius die Antwort: „Explicite nein, implicite ja!" Damit, meine Damen und Herren, hat dieser Dr. „Wolfgang Olearius" doch ganz eindeutig behauptet, daß nicht nur das kanonische Recht, sondern unser abendländisches Recht überhaupt säkularisiertes Christentum ist. Säkularisiertes Christentum heißt, daß es eine Tötung nicht geben darf, es sei denn in der Notwehr.

    (Sehr gut!)

    Versuchen Sie die kümmerliche Anzahl von Paragraphen unserer Tötungslehre darauf nachzusehen, so werden Sie außer dem, was der § 218 als erlaubt übriggelassen hat, nicht viel finden. Auch da ist schon die Einstimmigkeit nicht mehr vorhanden. Ich erinnere Sie an den Einspruch der alten Kirche. Mit den sehr fraglichen und problematischen Dingen des Zweikampfes und mit der vorhin zum ersten Mal in einem deutschen Parlament gestreiften Frage der Euthanasie sind Sie schon beinahe am Ende, wenn nicht die Todesstrafe wäre.
    Von der Todesstrafe wissen wir doch nach den Aussagen der Kulturhistoriker, daß das ursprünglich das Problem von fas und nefas war, von dem verletzten Gesetz der Gottheit, das gesühnt wurde, und daß die Hinrichtung ursprünglich eine sakrale Handlung, ein Opfer war. Ich bitte Sie, zu überlegen, was davon noch für uns übrig geblieben ist und wie fremd diese Vorgänge in unserer Welt wirken. Einer meiner Vorredner — ich glaube, es war der Herr Kollege Wagner — wies darauf hin, daß sich in der Gesellschaft wohl kaum einer Bereitfinden würde, an irgendeinem Tisch neben einem Henker Platz zu nehmen. Es ist das Erstaunliche geschehen, das der Tiefenpsychologe deuten möge, daß aus diesem Opferer einer geworden ist, der die Stelle eines Parias hat, jawohl, fast der einzige in unserer ganzen Gesellschaft mit Ausnahme der Prostituierten. Hier sind uns Dinge wie Petrefakte in unsere Gegenwart mitgegeben worden, die nicht mehr richtig am Platze sind. Wenn Sie den Versuch machen, sich zu überlegen: was kann denn Strafe für uns bedeuten? —, dann bleibt nur die Strafe in ihrer Bedeutung als Erziehungsmittel und die Strafe als endgültige Sicherungsverwahrung zum Schutz der Gesellschaft vor den Asozialen übrig.
    Es mag in anderen Zeiten dazu vielleicht noch mehr zu sagen sein. Wir sind ja im Augenblick davor bewahrt, ein Kriegsrecht kodifizieren zu müssen. Dann mögen diese Dinge unter Umständen anders aussehen.
    Im Augenblick scheint es mir so zu sein, daß eindeutig der Beweis geführt wird, daß die Tötung durch Gesetz keine erlaubte Notwehr mehr darstellt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es sind keine Beweise geführt worden, daß die Verhängung der Todesstrafe die Kriminalität gesenkt hätte,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und selbst wenn die Herren Statistiker ihre Arbeit nicht getan hätten, - wer halbwegs einen Sinn für den Ablauf der Geschichte hat, der weiß, daß in jener Zeit, in der der gehenkt wurde, der eines Strickes Wert entwendet hatte, die Kriminalität weiß Gott nicht geringer war, als sie heute beim modernen Strafvollzug gewesen ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, trotzdem etwas ganz anderes zu der Frage der Todesstrafe, das den Anschein hat, paradox zu sein. Wir wissen alle oder wir haben gehört, daß uns immer Dichter und Weise erzählt haben, daß in der Seele des Menschen der Hang zu töten, der Hang, dem gehaßten Feind das Messer in die Brust zu stoßen, kreisen würde wie das Blut in unserem Leib. Wenn die Leute das mit schlechten Worten gesagt haben, dann hat man versucht, sie mit Aufklärung und Humanität zu besprengen, und hat das nicht wahrhaben wollen, was sie gesagt haben. Seit etwa fünfzig Jahren, seit in Deutschland und in Europa der große Sigmund Freud uns gelehrt hat, in die tiefsten Tiefen der Menschenseele hinabzusteigen, ist an die Seite dieser Seher und Dichter auch der Wissenschaftler getreten, und der macht genau dieselbe Aussage, noch eine weitergehende, daß in uns allen der Hang zu töten unauslöschbar sei, ja daß unser ganzes Fundament auf diesem ehernen Geschehen einer archaischen Welt stände; er hat uns noch mehr gesagt, er hat uns auch gelehrt, daß der Hang des Menschen, sich selbst zu töten, genau so vorhanden sei wie der, andere zu töten. Meine Damen und Herren, wenn Sie daran zweifeln würden, dann würde ich Ihnen nur einen einzigen Namen zurufen, ich würde Ihnen den Namen Baab zurufen, und ich würde Sie bitten, einmal zu prüfen: horchen Sie in sich hinein und registrieren Sie die Reaktion!
    Wir leben nun in einer politischen Zeit, in der diese Reaktion — die Reaktion, den Feind zu töten, zu vernichten — die unerwünschteste aller Reaktionen sein kann. Wir stehen als Volk vor der Aufgabe, in einer großen Versöhnung. in der Verkündung eines großen und wirksamen Landfriedens die Gegner der Vergangenheit zu binden und die Gegner in der Zukunft unschädlich zu machen. Zur wirksamen Demokratie gehört die Bereitwilligkeit, unter allen Umständen in dem Nachbarn und


    (Dr. Hammer)

    Volksgenossen den Bruder und Freund zu sehen. Sie merken aus sich selbst heraus, meine Damen und Herren, wieviel in uns gegen diese Zumutung rebelliert, wie wir unter unseren Affekten leiden und kaum vergessen können. Es ist unhaltbar, in einer derartigen Stunde der deutschen Öffentlichkeit das Spektakelstück vergossenen Blutes, und sei es das von Verbrechern, zu geben; Sie können nicht den Frieden und die Versöhnung predigen und gleichzeitig — durch Presse, durch Rundfunk, mit allen Möglichkeiten — dem sensationslüsternen Volk, unkontrolliert, von einer Presse, der weitgehend die Verantwortung dazu fehlt, die Gelegenheit geben, sich mit dem Vorgang des Tötens und Hinrichtens zu befassen. Die Aufgabe, vorbildlich für Frieden und für Versöhnung innerhalb unseres Volkes zu sein, verbietet uns, barbarische Sühne- und Vergeltungsmaßnahmen in Deutschland ablaufen zu lassen.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Halten Sie doch eine Lobrede auf die Mörder! Es fehlt nur noch wenig! — Abg. Arnholz: Das bleibt Ihnen vorbehalten! — Abg. Renner: Ein selten dämlicher Zwischenruf war das, Herr Baumgartner! — Abg. Dr. Schmid: Das ist sogar unter dem Niveau Ihrer Partei, Herr Kollege Dr. Baumgartner! — Abg. Dr. Baumgartner: Das hat ja gar nichts mit Mord, gar nichts mit Sühne zu tun, was Sie sagen!)

    — Herr Kollege Baumgartner, ich habe vorhin als Ausgang meiner Betrachtungen nicht nur dialektisch festgestellt, daß unser abendländisches Recht säkularisiertes Christentum ist, und ich halte es nicht für nötig, einen Vertreter der Bayernpartei auf die Offenbarung hinzuweisen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Baumgartner: Die Kirche ist für die Todesstrafe! Beide Kirchen haben sich wiederholt für die Todesstrafe ausgesprochen! — Zuruf von der SPD: Schlimm genug ist das! — Abg. Dr. Schmid: Es gab eine Zeit, wo wir auch die Scheiterhaufen hatten! — Glocke des Präsidenten.)