Rede von
Dr.
Josef Ferdinand
Kleindinst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Als mein Herr Vorredner im Parlamentarischen Rat den Antrag auf Abschaffung der Todesstrafe gestellt hatte, haben die Meinungsverschiedenheiten, wie er bereits hervorgehoben hat, nicht von Partei zu Partei, nicht von Fraktion zu Fraktion bestanden. Auch die Abstimmung hat nach der rein persönlichen Überzeugung und nach der rein persönlichen Verantwortung stattgefunden. Natürlich ist die Frage entstanden, ob man nach den Brutalitäten der Nationalsozialisten, nach der Abstumpfung durch den Krieg, nach den vielen Untaten, insbesondere von Ausländern, an die Abschaffung der Todesstrafe herangehen kann. Im Parlamentarischen Rat hat aber eine starke Mehrheit für die Abschaffung der Todesstrafe gestimmt, und eine Reihe von Mitgliedern hat sich der Stimme enthalten. Diese Mehrheit war aus allen Fraktionen gebildet, auch aus der CDU und CSU. So ist die Bestimmung in das Grundgesetz gekommen.
Man mag zum Grundgesetz stehen, wie man will; es ist nun einmal die Grundlage unseres Verfassungslebens geworden. Wir sind nicht gesonnen, zehn Monate nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes aus ihm eine Bestimmung herauszubrechen, die unzweifelhaft in einem ideellen Zusammenhang mit den Grundrechten steht.
Was würden die Herren Antragsteller sagen, wenn morgen ein Antrag auf eine Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundes, etwa in bezug auf das Gemeinderecht oder das Schulrecht, eingereicht würde? Meine Herren, ich hätte vom Standpunkt des Bundesstaats, den ich mit Ihnen vertrete, nicht das Vorbild zu einer Verfassungsänderung gegeben.
— Das ist schon hervorgehoben worden. Er ist gemacht worden, um das Grundgesetz unter einen besonderen Schutz zu stellen und um nicht von Stimmungen und Verstimmungen aus die Zuständigkeiten oder die übrigen Bestimmungen überhaupt verrücken zu lassen. Wir können also rein verfassungspolitisch nicht unsere Hand dazu bieten, jetzt ohne zwingendsten Grund das Grundgesetz zu ändern, und zwar auch aus föderalistischer Gesinnung.
Nun kommt ein zweiter Gesichtspunkt. Wir haben es im Parlamentarischen Rat als einen Nachteil angesehen, daß die Frage der Abschaffung der Todesstrafe außerhalb der Strafrechtsreform behandelt werden mußte. Gewiß, die Gründe für und wider die Todesstrafe sind in den Fraktionen besprochen worden. Der Herr Antragsteller hat seine Gründe mit derselben Überzeugungskraft wie heute vertreten. Aber im Rahmen der Beratung des Grundgesetzes war die Stellungnahme zu dieser Frage nicht mit der Gründlichkeit und mit dem Aufwand möglich, wie es in einem Strafrechtsausschuß der Fall gewesen wäre. Aus diesem Grunde haben Mitglieder des Parlamentarischen Rates gegen den Antrag gestimmt oder sich der Stimme enthalten. Auch der vorliegende Antrag wird außerhalb einer Revision des Strafrechts gestellt. Wir sind der Anschauung, daß diese Frage nicht jetzt und nicht als isolierte Angelegenheit ausgetragen werden kann.
Nun komme ich zu einer rein praktischen Frage. Wenn man die Anschauungen des Hauses einigermaßen objektiv übersieht, so wird man nie der Überzeugung sein können, daß man eine verfassungsändernde Mehrheit für diesen Antrag zusammenbringt. Da muß ich sagen: welchen Zweck hat dann der Antrag in diesem überlasteten Hause und auch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht? Ich glaube deshalb, daß man diesen Antrag, nachdem er keine Möglichkeit hat, hier durchzugehen, auch gar nicht dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überweisen sollte.
Wir sind hier durchaus der Meinung des Herrn Justizministers, daß diese Frage erst wieder gestellt werden kann, wenn die Strafrechtsreform vor uns liegt, und zu ihr werden wir ja kommen müssen. Man kann sie nicht von ihr trennen, und es wird wenigstens die Frage aufgeworfen werden: welche Erfahrungen hat man mit der Aufhebung der Todesstrafe gemacht?
Welche Erfahrungen haben die Strafvollzugsbehörden
beim Vollzug von Strafen von Verbrechern gemacht, die voraussichtlich zum Tod verurteilt worden wären? Das kann nur in diesem Zusammenhang gemacht werden.
Nun ist bestritten worden, daß der Parlamentarische Rat überhaupt für die Beschlußfassung über diese Frage zuständig gewesen ist. Der Herr Kollege Laforet wird die staatsrechtliche Frage besonders behandeln, darauf will ich nicht eingehen;
ich will nur das eine sagen: wenn man hier Anträge stellt, Beschlüsse faßt und an den Beschlußfassungen teilnimmt, so stellt man sich auf den Boden dieses Grundgesetzes. Das gilt doch auch für die Herren Antragsteller. Aus diesen Gründen glauben wir, daß man den Antrag ablehnen muß, weil gar keine Möglichkeit besteht, daß er eine praktische Bedeutung annimmt.
— Jawohl, meine Herren, weil das Haus und der
Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht so
überlastet sind, werden sie nur zu Anträgen
Stellung nehmen können, von denen man voraussieht, daß sie eine praktische Bedeutung gewinnen.