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ID0105205000

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    5. Herr: 1
    6. Bundesjustizminister.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 52. Sitzung. Bonn, Montag, den 27. März 1950 1873 52. Sitzung Bonn, Montag, den 27. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1874C, 1925C Zur Tagesordnung . . . . . . 1784D, 1892B Erste Beratung des von der Fraktion der Deutschen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 609) 1874D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller . . . . . . . . 1875A Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wuermeling, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes (Drucksache Nr. 618) . . . . . . . 1875D Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Befreiung nichtöffentlicher Schulen und Erziehungsanstalten von der Umsatzsteuer (Drucksache Nr. 656) . . . . . 1876A Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1876A Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichsleistungsgesetzes, des Leistungspflichtgesetzes im Lande Hessen sowie des Notleistungsgesetzes in WürttembergHohenzollern (Drucksache Nr. 657) . . 1877B Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 1877B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache Nr. 704) 1877D Loritz (WAV) . . . . . . . 1878A Renner (KPD) 1878B Erste Beratung des von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zahlung der Pensionsvorschüsse und Unterhaltsbeihilfen an die im Art. 131 des Grundgesetzes angeführten Personengruppen (Drucksache Nr. 668) . . . 1878D Dr. Nowack (FDP), Antragsteller 1878D Krause (Z) 1879D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Drucksachen Nr. 685 und 350) . . . 1879D Brookmann (CDU), Berichterstatter 1879D Frau Korspeter (SPD) 1880D Frau Dr. Brökelschen (CDU) 1882B, 1889D Krause (Z) . . . . . . . . 1884A Kohl (KPD) 1884D Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 1886C Priebe (SPD) 1887C Euler (FDP) . . . 1888B Farke (DP) 1888C Frau Döhring (SPD) 1889A Zweite und dritte Beratung des Gesetzes über die Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten (Drucksachen Nr. 760 und 522) 1890B Langer (FDP), Berichterstatter . . 1890C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für die unständigen Hafenarbeiter (Hafensonderbetrieb) (Drucksache Nr. 632) . . . . . . . 1891 B Storch, Bundesminister für Arbeit . 1891C Unterbrechung der Sitzung . . 1892A Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiedereinführung der Todesstrafe (Drucksache Nr. 619) 1892C Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller . . . . . . . 1892C, 1919A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 1895D Wagner (SPD) 1896D Dr. Kleindinst (CSU) 1904B Dr. Hammer (FDP) 1905A Dr. Laforet (CSU) 1906B Frau Meyer-Laule (SPD) . . . 1906D Loritz (WAV) 1908A Ewers (DP) 1909C Dr. von Merkatz (DP) 1911B Neumayer (FDP) 1912B Renner (KPD) 1914C Dr. Miessner (DRP) 1917D Dr. Schmid (SPD) 1918B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 1913D Schröter (CDU) 1914A Renner (KPD) . . . . . . . 1914 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Drucksache Nr. 628) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter (Drucksache Nr. 699) 1921A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ausschluß des Umtauschs und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen (Drucksache Nr. 711) . . . . . . . 1921B Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 770 und 630) . . . 1921B, 1925A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Berichterstatter . . . . . . . . 1921B Dr. Schneider (FDP) . . . . . . 1921D Euler (FDP) (zur Geschäftsordnung) 1925A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse von Bundestagsabgeordneten aus dem Beamtenverhältnis (Drucksache Nr. 720) 1923B Dr. Kleindinst (CSU), zur Geschäftsordnung . . . . . . 1923C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Drucksache Nr. 745) 1923D Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter 1923D Nächste Sitzung 1925C Die Sitzung wird um 10 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet.
    Der Ältestenrat ist zusammengetreten und macht dem Hause folgenden Vorschlag: die morgige Tagesordnung, die sehr voll bepackt ist, zu entlasten und die Punkte 2 und 3 der morgigen Tagesordnung schon heute zu behandeln. Punkt 2 betrifft die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof. Der Ausschuß ist damit fertig; man könnte dieses Gesetz heute sehr rasch verabschieden. Auch Punkt 3 der morgigen Tagesordnung, die erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP, WAV und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse von Bundestagsabgeordneten aus dem Beamtenverhältnis, ist eine glatte Sache, die wir heute erledigen können. Ich fürchte, daß wir, wenn wir die beiden Sachen auf der Tagesordnung für morgen lassen, diese beiden Punkte — in Anbetracht der schweren Klötze, die morgen zu spalten sind — nicht werden behandeln können.
    Der dritte Vorschlag geht dahin, gleichfalls zu beraten den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Entwurf einer gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes. Diese Geschäftsordnung ist nötig. Sobald der Bundesrat einmal Einspruch einlegen sollte, werden wir diese Geschäftsordnung brauchen, um den Streit aus der Welt zu schaffen. Auch das wird einfach gehen. Im Ausschuß ist darüber offenbar Einstimmigkeit erzielt worden. Erhebt sich gegen diesen Vorschlag Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
    Dann rufe ich auf Punkt 10 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiedereinführung der Todesstrafe (Drucksache Nr. 619).
    Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel.
    Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitdem der nachmalige Professor des Staatsrechts an der Universität Mailand Cesare Beccaria sein berühmtes, in der ersten Auflage 1764 anonym erschienenes Werk „Dei delitti e delle pene", über Verbrechen und Strafen, schrieb, ist die Debatte über die Aufrechterhaltung oder Abschaffung der Todesstrafe, ihre Zulässigkeit, Berechtigung und Notwendigkeit nie mehr ganz zur Ruhe gekommen. Die Auseinandersetzungen, die meist mit großer Leidenschaft, ja Erbitterung geführt wurden, waren dadurch verwirrt und verwickelt, daß die rechtsphilosophische oder auch naturrechtliche Frage, ob dem Staate das Recht zustehe, die Todesstrafe zu verhängen, und die rechtspolitische Frage, ob der Staat, wenn die Vorfrage bejaht wird, gut daran tut, bei den schwersten Verbrechen, sei es zum Zwecke der Sühne, der Sicherung oder der Abschreckung, von ihr Gebrauch zu machen, nicht scharf auseinandergehalten wurden.
    Die tiefe Tragik und das hohe Ethos, Fluch sozusagen und Weihe des Problems, sollten es ermöglichen und gebieten, daß dies unvoreingenommen und jenseits einer hitzigen parteidoktrinären Betrachtungsweise behandelt wird. Wenn eine Berliner Zeitung am 21. Juni 1930 im Falle des Vatermörders Zech schrieb:
    Deutschland blieb zwei Jahre die Schande einer neuen Hinrichtung erspart. Es war der württembergischen Blockregierung und ihrem Vorsteher vorbehalten, dem deutschen Volk diese Schmach heute morgen auf dem Hof des Amtsgerichts Ravensburg zu schenken,
    so ist das eine Verfahrensweise, deren wir uns enthalten sollten.
    Die Tatsache, daß sich der Juristentag 1912 für die Beibehaltung der Todesstrafe ausgesprochen hat, kann man nicht dadurch aus der Welt schaffen, daß man sagt, so weit zurückliegende Argumente hätten im Jahre 1950 keine Geltung mehr. Ich kann nicht finden, daß die Argumentation für und gegen die Todesstrafe wesentlich über den damaligen Stand der Diskussion hinausgewachsen ist. An sich richtige Beweise und Grundgedanken werden vom Zeitablauf allein nicht entwertet. Zu den Grundlagen unserer Zeit gehören auch früher gewonnene Erkenntnisse. Man kann nicht einwenden: Wie, im 20. Jahrhundert noch Todesstrafe? Die Mörder zögern auch nicht im Angesicht des 20. Jahrhunderts, ihre armen, unschuldigen Opfer kalt und brutal dem Tode zu überantworten. Der Herr Abgeordnete Dr. Carlo Schmid hat in der 50. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 10. Februar 1949 an ein einmal in der französischen Kammer gesprochenes Wort erinnert: „Que les assassins commencent!" — die Herren Mörder mögen den Anfang machen —, mit der Unterlassung der Vernichtung des Lebens ihrer Mitmenschen nämlich. Er nannte den französischen député einen Witzbold. Man wird aber in dessen Einwand eher einen durchaus ernsthaften Hinweis sehen können.
    Es entspricht dem Schwergewicht und dem dunklen Ernst der aufgeworfenen Frage und es dient der Würde dieses Hauses wie der Sachbehandlung


    (Dr. Etzel) [Bamberg]

    in gleicher Weise, die Beratungen in einer Atmosphäre der Besonnenheit und der Verantwortung zu führen. Es sollte sich die Leidenschaftlichkeit vermeiden lassen, die seinerzeit bei den Verhandlungen im Weimarer Reichstag geherrscht hat, dessen Rechtsausschuß sich am 20. Mai 1929 bekanntlich mit 14 zu 14 Stimmen für die Abschaffung der Todesstrafe ausgesprochen hat, wobei die Stimme des bekannten Rechtslehrers Kahl, der 1912 noch für ihre Beibehaltung plädiert hatte, den Ausschlag gab.
    Das Mitglied des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats Wagner hat bei der 4. Lesung des Grundgesetzes am 5. Mai 1949 beantragt, die Bestimmung „Die Todesstrafe ist abgeschafft" als Art. 131a — er wurde später Art. 103 und dann Art. 102 — einzufügen. Der Antrag wurde vom Hauptausschuß mit 15 zu 4 Stimmen angenommen. In der zweiten Lesung der 9. und letzten Vollsitzung des Rates am 6. Mai 1949 beantragte dann der CDU-Abgeordnete Dr. de Chapeaurouge, den Art. 103 aus dem Grundgesetz zu streichen. Der Antrag verfiel der Ablehnung. Dabei verblieb es auch bei der Schlußabstimmung.
    Man kann geteilter Meinung sein, ob die Aufhebung oder die Beibehaltung der Todesstrafe verfassungsrechtlich festgelegt und ob eine solche Vorschrift systematisch in den Abschnitt über die Grundrechte oder in jenen über die Rechtsprechung aufgenommen werden soll. Tatsächlich enthalten weder die Bismarcksche noch die Weimarer Verfassung noch die Staatsgrundgesetze des Auslands Bestimmungen darüber. Die Aufnahme des Art. 102 war eine Neuerung. Wenn man dafür Verständnis haben mag, daß unter der Schock- und Schreckwirkung des nazistischen Blutrausches und Amoklaufes der Wunsch entstand, im Grundgesetz selbst durch Aufhebung der Todesstrafe für die Heiligkeit des Lebens und für eine Metanoia, eine Umkehr, eine Geistes- und Gesinnungswandlung zu demonstrieren, so gereicht eine solche Bemühung den Gegnern der Todesstrafe gewiß nicht zur Unehre. Aber sie hätten nicht der Versuchung erliegen dürfen, eine solche schwerwiegende und weittragende Entscheidung ohne Befragung des Volkes selbst zu treffen,

    (Sehr richtig! bei der DP. — Lachen bei der KPD)

    dem, abseits gelehrter Disputationen, ein beharrliches, unbestechliches und unverbrüchliches Rechtsgefühl innewohnt.
    Der Parlamentarische Rat war keine Volksvertretung,

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr richtig!) sondern ein auf dem Besatzungsrecht beruhendes Sonder- und Zweckgremium, das Geschöpf des Befehls der Sieger,


    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr gut!) gebildet durch Delegationen aus Landtagen, von denen einige, wie die von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nicht auf demokratische Weise zustande gekommen waren.


    (Hört! Hört! links.)

    Denn diese Länder besaßen nicht einmal eine demokratische Verfassung, oder aus Landtagen, die wie der bayerische, in der Zusammensetzung längst nicht mehr dem inzwischen wesentlich gewandelten politischen Willen der Wählerschaft entsprachen.
    Auch die Abstimmung über die Einführung des Grundgesetzes ist nicht auf demokratische Weise durch das Volk selbst erfolgt.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr gut!)

    Zwar behauptet die Präambel, das deutsche Volk in den Ländern habe kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt das Grundgesetz beschlossen, und in Art. 20 ist proklamiert, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe. In Wahrheit aber hatten die Bevölkerungen in den beteiligten Bundesländern mit dem Zustandekommen, der Verabschiedung und Einführung des Grundgesetzes nicht das Geringste zu tun.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr gut!)

    Die Mehrheit der Landtage konnte das Plebiszit der Bevölkerungen nicht entbehrlich machen oder ersetzen. Das Volk hat nicht gesprochen, und es kann auch unter der Herrschaft des Bonner Grundgesetzes nicht sprechen, weil der Parlamentarische hat in seiner letzten Sitzung am 6. Mai 1949 einen vom Zentrum eingebrachten Antrag auf allgemeine und grundsätzliche Einführung des Volksbegehrens und des Volksentscheids als verfassungsrechtlicher Einrichtungen und Mittel der unmittelbaren Gesetzgebung des Volkes abgelehnt hat.

    (Abg. Dr. Schäfer: Gott sei Dank!)

    Es ist also die Forderung geboten und an der Zeit, daß die Vorschrift der Abschaffung der Todesstrafe aus dem Grundgesetz herausgenommen wird. Damit wird der frühere Zustand wiederhergestellt und die Entscheidung der Frage dem Strafgesetz selbst überlassen. Wie der Art. 102 nicht nur einen Programmpunkt, eine Anweisung an den Gesetzgeber darstellt, sondern unmittelbar rechtsetzende Kraft, also den Charakter einer Anweisung an die Strafverfolgungs- und Strafvollstrekkungsbehörden sowie an alle Strafgerichte hat, so wird auch die Streichung des Art. 102 unmittelbar für diese staatlichen Organe wirken.
    Die Argumente für und gegen die Todesstrafe, die rechtsphilosophischen und die rechtspolitischen, sind jedem, der sich einmal mit dem Problem beschäftigt hat, geläufig. Ich will mich daher auf einige wenige Hinweise beschränken. Die Gegner sagen, die Todesstrafe sei kein erlaubtes und kein geeignetes Strafmittel, sie sei roh und kulturwidrig und in ihrer Tragweite unabsehbar, sie widerstrebe der Besserung, ihre abschreckende Wirkung sei nicht erwiesen und Unschädlichmachung auch ohne sie möglich. Es fehlten ihr Teilbarkeit und Individualisierbarkeit. Bei einem Justizirrtum sei sie nie wiedergutzumachen. Die Befürworter erklären, die Lebensvernichtung gelte auch sonst, zum Beispiel im Kriege oder bei Notwehr, unter bestimmten Umständen und Bedingungen als erlaubt, und vor allem sei die Todesstrafe für die schwersten Fälle der Tötung, die in normalen Zeiten allein noch in Frage kämen, die einzige angemessene Sühne. Man dürfe nicht nur das Wohl des Verbrechers, man müsse vor allem das Leben des friedlichen Bürgers, der Frauen und der Kinder schützen. In Zeiten gelockerter Sitten und Rechtsbegriffe sei die gänzliche Beseitigung der Todesstrafe besonders bedenklich. Der Gefahr des Justizirrtums sei durch prozessuale Sicherungen zu begegnen, wozu noch die Möglichkeit der Begnadigung käme, so daß die . Todesstrafe nur in allerschwersten und ganz unzweifelhaften Fällen vollstreckt werde.
    Die Frage, ob und inwieweit im Einzelfall der verbrecherische Wille eines Mörders, seine Richtung und Intensität durch den Zeitgeist und allgemeine Zeitverhältnisse, durch Vererbung, innersekretorische oder endokrine Störungen, also pathologische Formen oder Funktionen hormonaler Organe


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    oder durch besondere Umweltfaktoren, das soziale Milieu des Täters bestimmt worden ist, muß hier auf sich beruhen. Es ist davon auszugehen, daß nach dem Rechtsempfinden des überwiegenden Teils der Bevölkerung die Zuchthausstrafe, auch die lebenslängliche, nicht als eine der Schwere des Verbrechens entsprechende, ausreichende Strafe angesehen wird und daß gegenüber der Bestialität von Ungeheuern in Menschengestalt, gegenüber den oft mehrfachen Raub- und Lustmördern, den Vater-, Mutter- und Kindermördern ein Notwehrrecht der Gesellschaft besteht, das ihr die Befugnis verleiht, die Gewaltverbrecher zur Sühne, zur Abschreckung und zur Sicherung durch Tötung auszumerzen und der Gefahr vorzubeugen, daß ihnen eine künftige Amnestie oder ein politischer Umsturz, der sich nach den Erfahrungen der Geschichte oft gerade der kaltblütigsten, bedenkenlosesten und energischsten Elemente der Zuchthäuser als Mithelfer bedient, nicht die Gelegenheit zu neuer Untat oder die Möglichkeit gibt, durch Fortpflanzung das ungeheuerliche Ausmaß der durch zwei Weltkriege verursachten negativen Auslese ihrerseits noch weiter zu erhöhen.
    Auch Kreise, die heute gegen die Todesstrafe Stellung nehmen, haben es in den Jahren 1922 und 1929 durchaus nicht verschmäht, die Todesstrafe für Tatbestände einzuführen, bei deren Begehung die Intensität und Skrupellosigkeit des verbrecherischen Willens des Täters weit geringer, gewiß aber nicht größer, und die Beweggründe keinesfalls so verwerflich waren wie bei bestialischen Mördern. So verstieg sich die auf den Artikel 48 der Weimarer Verfassung gestützte zweite Verordnung zum Schutze der Republik vom 29. Juni 1922 in Art. I zu folgender Strafandrohung:
    Personen, die an einer Vereinigung teilnehmen, von der sie wissen, daß es zu ihren Zielen gehört, Mitglieder einer im Amt befindlichen oder einer früheren republikanischen Regierung des Reiches oder eines Landes durch den Tod zu beseitigen, werden mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft. Ebenso werden bestraft
    — also mit dem Tode oder lebenslangem Zuchthaus —
    Personen, die eine solche Vereinigung wissentlich mit Geld unterstützen.

    (Hört! Hört! bei der BP.)

    Hiernach war für den Tatbestand des Komplotts oder der finanziellen Unterstützung eines Komplotts allein die Todesstrafe angedroht, selbst wenn also das Komplott oder ein Teilnehmer desselben gar nicht einmal zur Vorbereitung oder zum Versuch, geschweige denn zur Ausführung der Tötung eines Angehörigen des geschützten Personenkreises geschritten war. Es lag zweifellos eine Ausschreitung, ein Exeß des Strafgesetzgebers vor.
    Das von dem Reichspräsidenten Ebert ausgefertigte und verkündete und von den Reichsministern des Innern Köster und der Justiz Dr. Radbruch gegengezeichnete Republikschutzgesetz vorn 21. 7. 29 nahm denn auch eine Abschwächung vor, traf aber in § 1 immerhin noch folgende Bestimmung:
    Wer an einer Vereinigung oder Verabredung
    teilnimmt, zu deren Bestrebungen es gehört,
    Mitglieder einer republikanischen Regierung
    des Reiches oder eines Landes durch den Tod
    zu beseitigen, wird mit Zuchthaus nicht unter
    fünf Jahren oder mit lebenslangem Zuchthaus
    bestraft. Ist in Verfolgung dieser Bestrebungen eine Tötung begangen oder versucht worden, so wird jeder, der zur Zeit der Tat an der Vereinigung oder Verabredung beteiligt war und ihre Bestrebungen kannte, mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft.
    Und § 4 bestimmte:
    Dem Teilnehmer an einer in den §§ 1, 2 bezeichneten Vereinigung, Verabredung oder Verbindung steht gleich,
    — d. h. er wird je nachdem mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bzw. mit dem Tode oder lebenslangem Zuchthaus bestraft —
    wer die Vereinigung oder Verbindung oder einen an der Verabredung Beteiligten mit Rat oder Tat, insbesondere mit Geld unterstützt.
    Danach konnte schon die Teilnahme an einem Komplott oder dessen finanzielle Förderung unter der Voraussetzung einer ausgeführten Tötung oder eines unternommenen Tötungsversuchs mit dem Tode bestraft werden, auch wenn die Tötung oder der Tötungsversuch durch einen anderen Teilnehmer oder einen dazu gewonnenen Dritten ausgeführt wurde und nur der Tatbestand des Totschlags oder Totschlagsversuchs, aber nicht des Mordes oder Mordversuchs erfüllt war.
    Nun erkennt Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes das Recht auf Leben als Grundrecht an, das nach Art. 1 Abs. 3 die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht bindet. Ich sehe hier von der Untersuchung der Frage ab, ob der Staat gegenüber offenem Aufruhr, der die bestehende gesellschaftliche und staatliche Ordnung gewaltsam umstürzen will und dessen Akteure sich tödlich wirkender Waffen bedienen, berechtigt ist, eine Tötungsanordnung, also den Schießbefehl an die Polizeiorgane zu erteilen. Sicher ist, daß der Polizeipräsident von Berlin

    (Abg. Dr. Baumgartner: Zörgiebel!)

    — jawohl, Zörgiebel — im Jahre 1929 vor Gott und den Menschen nicht befugt war, auf ruhig und ernst anläßlich des 1. Mai trotz ergangenen Umzugsverbots für ihr menschliches und soziales Recht demonstrierende Arbeiter mit der Wirkung schießen zu lassen, daß mehr als zwanzig von ihnen tot auf dem Platz blieben und über hundert zum Teil schwer verwundet wurden.

    (Zuruf des Abgeordneten Renner.)

    Ein Gesetz, das die Euthanasie einführt, wäre verfassungswidrig, da es das Grundrecht auf Leben in seinem wesentlichen Gehalt antastet, was nach Art. 19 Abs. 2 verboten ist. Jeder Versuch einer Behörde, jede von ihr zu dem Zweck unternommene Maßnahme, einen Menschen euthanatisch zu liquidieren, wäre Freiheitsberaubung, Nötigung, Körperverletzung; die Ausführung selbst Mord. Dem Bedrohten stünde Notwehr, der Verwaltungsrechtsweg, die Zivilklage und nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 84 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde zu diesem offen. Ein angerufenes ordentliches Gericht, ziviles oder Verwaltungsgericht, hätte nach Art. 100 das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Da das Leben unteilbar ist, kann es nicht beschränkt werden. Ein Eingriff in dieses Grundrecht bedeutet notwendigerweise seine Aufhebung.
    Außer Zweifel aber dürfte stehen, daß Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes der Beibehaltung, Einführung oder Wiederzulassung der Todesstrafe nicht entgegen steht. Stände schon dieser Artikel im Wege, dann hätte es der besonderen Bestim-


    (Dr. Etzel [Bamberg])

    mung des Art. 102 gar nicht erst bedurft; daß sie aber der Parlamentarische Rat wollte, beweist, daß er in der Vorschrift des Art. 2 keine Abschaffung der Todesstrafe erblickte. Weiterhin ist darauf zu verweisen, daß auch das unschuldige Opfer des Mörders ein Recht auf Leben hatte und daß der Mörder, wenn er es mißachtet, sein eigenes verwirkt. Dieser allgemeine Grundsatz der Verwirkung von Grundrechten hat in den in Art. 18 des Grundgesetzes aufgeführten Fällen des Mißbrauchs von Grundrechten zum Kampf gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung einen konkreten Ausdruck gefunden. Die vom Bundesverfassungsgericht auszusprechende Verwirkung erfolgt, ohne daß ein echter strafrechtlicher Tatbestand vorzuliegen braucht. Wieviel mehr muß diese Verwirkung eintreten, wenn eine Untat wie die des Mordes begangen ist!
    Unsere Zeit und unsere Menschen schwanken zwischen den beiden äußersten Erscheinungen der menschlichen Existenz, zwischen Verwilderung und Erschlaffung. In einer solchen Epoche des Zusammenbruchs ehemals festgefügter sittlicher und gesellschaftlicher Ordnungen ist der Verzicht auf die Todesstrafe gefährlich und eine unverzeihliche Schwäche. Wer Fühlung mit dem Volk hat, weiß, daß es sich in seiner überwältigenden Mehrheit entschieden dagegen wehrt,

    (Abg. Renner: Woher wissen Sie das?) Freiwild und Opfer für Mörder zu sein, welche die Gewißheit haben, daß sie für ihre Unmenschlichkeiten nicht mit dem eigenen Leben zu büßen haben.


    (Sehr wahr! bei der BP.)

    Die Bevölkerung hat kein Verständnis dafür, daß die vor deutsche Schwurgerichte kommenden Massenmörder von Buchenwald und anderen Schreckenslagern, daß vielfache Mörder, die ihre Tat aus niedrigsten, gemeinsten Beweggründen mit der größten Kaltblütigkeit und in unmenschlicher Weise vollführten, daß ausländische, sich aus den Kreisen der sogenannten Verschleppten rekrutierende Mörder, die einen besonders hohen Anteil ausmachen

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sehr gut!)

    — so betrug nach dem Münchener Zentralamt für Kriminalidentifizierung und Polizeistatistik in Bayern 1949 der Anteil der Ausländer bei Mord und Totschlag das 5,5fache des verhältnismäßigen Anteils der Deutschen —,

    (Hört! Hört! bei der BP. — Zuruf von der SPD: Das haben sie bei den Nazis gelernt!)

    ich sage, das Volk lehnt sich dagegen auf, daß alle diesen Unmenschen für ihre Untaten ihr Leben als Staatspensionäre weiterführen können, auf Kosten auch der unglücklichen Hinterbliebenen der hingemordeten Opfer, deren Steuergroschen zum Unterhalt der Ungeheuer beitragen müssen.
    In den Vereinigten Staaten von Amerika, in England und Frankreich, den erzdemokratischen Ländern, den Geburtsstätten der Menschenrechte, den Vaterländern der Bills of rights ist die Todesstrafe beibehalten. Die Sowjetunion hat sie, bald nach ihrer Abschaffung, wieder eingeführt. In Italien beginnt die öffentliche Meinung ihre Wiedereinführung zu fordern. Im Bundestagsausschuß zum Schutze der Verfassung ist das Wort von der Notwendigkeit, „die Rute und das Beil" anzuwenden, gefallen. Konnte ein Ungeheuer wie jener Massenmörder aus Düsseldorf, der 9 vollendete Morde — davon 3 Kindermorde — und 7 Mordversuche auf dem Gewissen hatte, konnte ein zynischer, berechnender und raffinierter Gewaltmörder wie jener
    berüchtigte Versicherungsbetrüger Tetzner, konnten die jüngst vom Schwurgericht Hamburg wegen gemeinschaftlichen doppelten Raubmordes zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilten Verbrecher, der Pole Musor und die Russen Schewzow und Heros, können die in der ersten Hälfte des März festgenommenen mehrfachen Raubmörder, der ehemalige Sowjetsoldat Jaskow und seine Komplizen, die sich nicht scheuten, wegen 12 Mark einen Raubmord zu begehen, konnte der scheusälige, vom Schwurgericht München ebenfalls soeben zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilte Mörder Kressierer, der das warme Blut der von ihm geschlachteten Tiere zu trinken pflegte, weil das — wie er sagte — „das Schlachten erst schön macht" und der seinen Komplizinnen gegenüber erklärte, er habe schon viele Säue geschlachtet, aber eine solche zweibeinige Sau, bei der das Blut so gegurgelt habe – diesem unglücklichen Opfer, einer Frau, hatte er die Kehle bis auf den Halswirbel durchschnitten —, habe er noch nie gesehen, konnten alle diese Untiere billigerweise erwarten, daß sie mit dem Leben davonkommen? Ich frage: Wie kann eine Gesellschaft solchen Untieren gegenüber von der Todesstrafe absehen? Hier ist der Verzicht auf sie die Äußerung einer falsch verstandenen Humanität,

    (Sehr richtig! bei der BP)

    bedeutet er die Preisgabe wahrer Moral und wirklicher Humanität.
    Wenn manche einwenden, wer . einmal einer Hinrichtung beigewohnt habe, müsse gegen die Todesstrafe sein, so ist demgegenüber die Frage berechtigt: würden diese auch dann noch gegen die Todesstrafe sein, wenn sie dabei gewesen wären, als der Mörder sein armes Opfer kaltblütig, roh und unmenschlich umbrachte? Würden sie auch dann noch dagegen sein, wenn der Mörder seine Opfer aus ihrer eigenen Familie ausgewählt hätte?

    (Zuruf von der SPD: Ja!)

    Würden sie auch dann noch dagegen sein, wenn sie den entsetzten Blick in die furchtbaren Abgründe aller der Akten in Mordprozessen getan hätten?
    Die Gerechtigkeit schreit nach Wiederzulassung der Todesstrafe für derartige Untaten. Die Justitia hält nicht nur die Waage, sondern führt auch das Schwert. Es muß nachdenklich stimmen, daß ein Mann wie der Kapuzinerpater Sigisbert Greinwald, der als Kurat der Münchener Gefängnisse während seiner dortigen siebzehnjährigen Seelsorge acht Mörder auf das Schafott begleitet und sicher tiefe Einblicke in ihre Psyche gewonnen hat, in seiner 1931 erstmals erschienenen und nach dem zweiten Weltkrieg neu aufgelegten Schrift „Für und Wider der Todesstrafe" sich entschieden für diese ausgesprochen hat.
    Es ist weder Pathos noch emphatische Übertreibung, wenn ich zum Schluß noch einmal der Meinung Ausdruck gebe, daß die Bevölkerung in ihrer überwiegenden Mehrheit die Wiederzulassung der Todesstrafe im Namen der Moral, des Rechts, der Gerechtigkeit und der Sicherheit der menschlichen Gesellschaft fordert.

    (Beifall bei der BP und der DP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich beneide die Antragsteller darum, daß sie in dieser Zeit vornehmlich von dieser Frage erfüllt sind und es als eine Hauptsorge sehen, daß künftighin in unserem jungen


    (Bundesminister Dr. Dehler)

    Staate, wir wollen einmal sagen: mehr geköpft werde.

    (Zuruf von der BP: Wer sagt das? — Weitere Zurufe.)

    Hier wird ein Problem angerührt, das mir so bedeutsam erscheint, daß ich es nicht für richtig halte, diese Frage mitten in den anderen Sorgen, von denen wir erfüllt sind, aufzuwerfen und zu behandeln. Die Diskussion bewegt alle kultivierten Staaten seit ungefähr zwei Jahrhunderten, seitdem ein wirklich mutiger Mann, Cesare Beccaria, Mitte des achtzehnten Jahrhunderts gegen die Härte der Strafen und insbesondere gegen die Härte der Todesstrafe aufgetreten ist. Beinahe in jedem Land hat diese Frage ein wechselvolles Geschick gehabt, sehr abhängig von der augenblicklichen politischen Situation, oft von dem Willen der politischen Machthaber. Man braucht sich nur die Dinge in Rußland zu vergegenwärtigen: zehn Tage nach der Abdankung des Zaren Nikolaus II. — Abschaffung der Todesstrafe. Kerenski kam ans Ruder — Einführung der Todesstrafe. Lenin hat in seinem Programm als wichtigsten Punkt die Abschaffung der Todesstrafe aufgestellt. Kaum waren die Bolschewiken am Ruder, so wurde, wie wohl noch niemals in der Geschichte, durch den Staat getötet und gemordet.

    (Abg. Renner: Haben Sie unter Hitler geschlafen?)

    Jetzt, kurz nach dem Kriege, Abschaffung der Todesstrafe durch das Präsidium des Obersten Sowjets. Vor wenigen Wochen Wiedereinführung gegen die Täter, die angeblich Sabotage treiben und sich sonst gegen den Staat vergehen. So oder so ähnlich ist es mit dieser Frage überall.
    Meine Damen und Herren! Ich möchte vorschlagen, daß der Bundestag zumindest auf eine andere Zeit wartet, bis er die Frage erörtert. Ich werde Ihnen in absehbarer Zeit den Entwurf einer Reform des Strafrechts vorlegen.

    (Abg. Loritz: Höchste Zeit!)

    Ich kann das nicht datieren; es wird aber keinesfalls länger als eineinhalb bis zwei Jahre dauern. Ich meine, dann wäre die gegebene Zeit, sich über die Wiedereinführung der Todesstrafe schlüssig zu werden. Das ist mein Vorschlag.
    Ich möchte mich nun aber gegen ein Argument des Herrn Antragstellers wenden, und ich möchte fast meinen, daß hinter diesem Antrag eine bestimmte Tendenz steht. Das Entscheidende dieses Antrages ist ja die Behauptung, der Parlamentarische Rat habe keine Kompetenz zur Entscheidung dieser Frage gehabt.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Man stellt hier die Behauptung auf, der Parlamentarische Rat sei gar nicht gehörig zusammengesetzt gewesen, er sei nicht vom Volke gewählt worden, ja, man versteigt sich so weit, daß man behauptet, dieser Parlamentarische Rat sei auf Befehl der Militärregierungen tätig gewesen.

    (Abg. Renner: Stimmt denn das etwa nicht?) Nicht in meiner Eigenschaft als Minister, aber als Mitglied des Parlamentarischen Rates wende ich mich gegen diesen Vorwurf, der das Werk des Parlamentarischen Rates auf das gröblichste entwerten und die Grundlage unserer staatlichen Existenz annagen würde. Es ist nicht wahr, daß der Parlamentarische Rat auf Weisung der Militärregierung tätig gewesen sei.


    (Zuruf von der BP: Zwei Drittel!)

    Das ist nicht richtig! Der Parlamentarische Rat hat
    aus sich das Bewußtsein der eigenen Verantwortung gehabt, er hat das Mandat des deutschen Volkes erfüllt und aus dieser Überzeugung heraus gehandelt. Die Militärregierungen hatten uns lediglich ein Stück unserer demokratischen Freiheit freigegeben. Ich habe das Empfinden, daß hier ein Antrag gestellt wird, um zu versuchen, an einem an sich unschuldigen Punkte unser Grundgesetz zu entwerten.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Das ist oberflächlich, Herr Justizminister, sehr oberflächlich!) Meine Damen und Herren, man kann nicht verlangen, daß dieses Grundgesetz mit Liebe und mit Ehrfurcht entgegengenommen wird. Dafür ist es zu jung, und dafür sind die Umstände, unter denen es zustandegekommen ist, vielleicht zu wenig regulär gewesen. Aber eines darf man verlangen, wenn man nicht von vornherein die Axt an die Wurzel unseres Staates legen will, daß man diesem Grundgesetz mit Fairneß und mit Loyalität gegenübertritt, daß man diesem jungen Staat die Möglichkeit des Lebens gewährt.

    Darin sehe ich die böse Tendenz dieses Antrags: Man will diese Autorität nicht anerkennen, man will diesem Grundgesetz keine Chance geben. Lassen Sie uns doch auch bei dieser Bestimmung einmal abwarten, wie die Entwicklung sein wird,

    (Zurufe von der BP.)

    sprechen wir auch über die Frage, ob sich die Abschaffung der Todesstrafe bewährt hat oder nicht, in ein oder in zwei Jahren! Warum diese Überstürzung? Nur aus der Tendenz heraus, die ich Ihnen angedeutet habe.

    (Abg. Dr. Baumgartner: Das Volk will es! 90 Prozent wollen es!)

    — Meine Damen und Herren, was das Volk will, — —

    (Abg. Dr. Baumgartner: Sie wissen ja nicht mehr, was das Volk will! — Weitere Zurufe von der BP. — Glocke des Präsidenten.)

    — Ich antworte Ihnen.

    (Erneute Zurufe von der BP.)

    Wir haben in Bayern in dem Vertrauen auf das Rechtsgefühl des Volkes das Schwurgericht in der alten Form wieder eingeführt, damit das Volk über Schuld oder Nichtschuld entscheidet. Sie haben gesehen, was sich in der letzten Woche in München ereignet hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD.) Haben da diese zwölf Geschworenen des Münchener Schwurgerichts in der Sache Schäfer und Lebküchner das richtige Rechtsgefühl gehabt? Sie sind der Verantwortung ausgewichen.


    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich glaube, es gibt ein höheres Maß des Rechtsgefühls, als es das dumpfe, triebhafte Verlangen nach der Todesstrafe darstellt. Meine Damen und Herren, wir wollen doch nicht über Dinge diskutieren, die letztlich nicht diskussionsfähig sind. Die Einstellung zur Todesstrafe ist keine Frage der ratio und des Intellekts, sondern ist eine Frage der letzten persönlichen Entscheidung des einzelnen. Und ich sage: zu meiner liberalen und humanen Auffassung gehört die Abschaffung der Todesstrafe.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD, in der Mitte und bei der FDP.)