Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt die Drucksache Nr. 685 vor über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet,
ein Problem, das die Aufnahme illegaler Grenzgänger aus der russischen Besatzungszone betrifft. Dieses Problem ist bereits im vergangenen Jahr des öfteren Gegenstand von Erörterungen in erster Linie in den unmittelbar betroffenen Ländern und den Landesflüchtlingsverwaltungen der Länder des ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiets gewesen.
Zur Regelung dieses Problems nahmen die Flüchtlingsverwaltungen der Länder des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in einer Entschließung auf der Tagung in Uelzen am 11. Juli 1949 zum ersten Male konkret Stellung. Die Entschließung ist auf Seite 7 der Drucksache Nr. 685 zum Abdruck gekommen. Sie enthält Vorschläge und Empfehlungen an die Ministerpräsidentenkonferenz, in der Frage der Behandlung der aus der russischen Zone einwandernden illegalen Grenzgänger nach einheitlichen Grundsätzen zu verfahren. Diese Vereinbarungen, die auch von der Ministerpräsidentenkonferenz 'angenommen worden sind, werden seit dem 1. September vorigen Jahres angewandt. Seit dem 15. November 1949 sind im Zuge der neuen Verordnung der Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet Beauftragte der Bundesregierung eingesetzt, denen bestimmte Aufgaben zugewiesen worden sind.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 20. Oktober 1949 auf Antrag des Landes Niedersachsen beschlossen, die Bundesregierung zu bitten, auf Grund des Artikels 119 des Grundgesetzes unverzüglich eine Verordnung über die Aufnahme und Verteilung illegaler Grenzgänger vorzubereiten, die sich auf die Uelzener Beschlüsse vom 11. Juli 1949 aufbaut. Diesem Beschluß des Bundesrates vom 20. Oktober 1949 entsprechend hat die Bundesregierung im November 1949 eine Verordnung vorgelegt, die durch den Flüchtlingsausschuß des Bundesrates nur geringfügige Abänderungen erfuhr, denen die Bundesregierung dann auch zustimmte. Die Verordnung der Bundesregierung wurde daraufhin dem Bundesrat zur Entscheidung zugeleitet.
Nachdem das Kabinett die Verordnung verabschiedet hatte, übersandten die Hohen Kommissare für Deutschland unter dem 2. Dezember 1949 der Bundesregierung ein Memorandum, das zu der gleichen Frage Stellung nimmt. Dieses Memorandum liegt Ihnen ebenfalls in der Drucksache Nr. 685 auf Seite 6 abschriftlich vor. In diesem Memorandum wird die Bundesregierung gebeten, nach gewissen Grundsätzen zu verfahren. Einer dieser Grundsätze ist, die Aufnahme jedes deutschen Flüchtlings in das Gebiet der Bundesrepublik, der Bundesregierung, zu kontrollieren. Dabei wünscht die Hohe Alliierte Kommission, daß besonders auf die Anzahl der deutschen Flüchtlinge geachtet wird, die mit Rücksicht auf die gegenwärtig bestehende Übervölkerung und die großen Wohnraumschwierigkeiten in Deutschland aufgenommen werden können.
Bereits am 16. Dezember 1949 reichte die sozialdemokratische Fraktion des Hohen Hauses mit Drucksache Nr. 350 einen Gesetzentwurf über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet ein. Dieser Antrag Nr. 350, meine Damen und Herren, ist am 18. Januar dieses Jahres an folgende Ausschüsse überwiesen worden: an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen, den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und den Ausschuß für Heimatvertriebene. Als federführender Ausschuß ist der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen bestimmt worden.
Diese Ausschüsse haben folgendes beschlossen. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat am 25. Januar dieses Jahres das Gesetz, wie es in der Drucksache Nr. 350 vorlag, als Ganzes abgelehnt. Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat am 1. Februar 1950 beschlossen, die Beratung über den Antrag der Fraktion der SPD zurückzustellen und die Bundesregierung zu ersuchen, die von ihr vorgesehene Verordnung zu erlassen.
Der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen hat sich in mehreren Sitzungen eingehend mit dem Gesamtproblem unter Zugrundelegung des SPD-Gesetzentwurfes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet beschäftigt. Es wurden in diesen Sitzungen alle rechtlichen, alle politischen und ganz besonders auch, meine Damen und Herren, alle menschlichen Momente erörtert, und in der Sitzung vom 16. Februar 1950 wurde mit Mehrheit beschlossen, die Drucksache Nr. 350 mit den aus der nebenstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen dem Bundestag ungeachtet der Regierungsvorlage, deren Wortlaut sich im wesentlichen mit dem neuen Gesetzestext deckt, zur Beschlußfassung vorzulegen. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen vertraten die Auffassung, die Erlaubnis zur ständigen Niederlassung im Bundesgebiet dürfe nur kriminellen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetischen Sektor von Berlin versagt werden, die wegen einer Tat verfolgt werden, die auch dann mit Strafe bedroht ist, wenn sie im Geltungsbereich der Bundesrepublik begangen sein würde. Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich dahin, die besondere Erlaubnis nur den Personen zu erteilen, die wegen einer drohenden Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit oder aus sonstigen zwingenden Gründen die genannten Gebiete verlassen müssen.
Der Antrag des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen an das Hohe Haus lautet folgendermaßen:
Der Bundestag wolle beschließen:
den vorliegenden Gesetzentwurf mit den . . . Änderungen
— also den Beschluß des Ausschusses — zu genehmigen.
Ich darf das Hohe Haus bitten, entsprechend zu verfahren.