Meine Damen und Herren! Bevor wir diesen Antrag eingereicht haben, . haben wir uns an den Herrn Bundesminister der Finanzen gewandt, ob er vielleicht bereit sei, von Regierungsseite her eine entsprechende Änderung des Umsatzsteuergesetzes einzuführen. Mit der Antwort vom 17. Februar 1950 hat uns aber der Herr Bundesfinanzminister mitgeteilt, daß seitens der Regierung eine entsprechende Abänderung der jetzt geltenden Regelung nicht beabsichtigt sei.
Dabei ist die jetzt geltende Regelung denkbar ungerecht, unsozial und erst durch die Unterdrückungsmaßnahmen des Dritten Reiches gegenüber den Privatschulen eingeführt worden. Bis zum 16. 10. 1934 waren die Befreiungen und Ausnahmen, wie wir sie mit unserem Antrag verlangt haben, geltendes Recht. Erst seit diesem Zeitpunkt sind sie im Zuge der nationalsozialistischen Schulpolitik abgeschafft worden. Die Regelung ist vor allem auch deshalb ungerecht, weil Überschüsse der Privatschulen dem Freistellenfonds der einzelnen Schulen zufließen. Die Einführung der Umsatzsteuerpflicht hat also nur dazu geführt, daß sich die etwaigen Überschüsse vermindert haben, dadurch die Freistellenfonds geringer wurden und eine entsprechend geringere Zahl von minderbemittelten Schülern in diese Schulen aufgenommen werden konnte. Der Staat leistet für die öffentlichen Schulen bei jedem Schüler erhebliche Zuschüsse. Diese braucht er bei den Privatschulen nicht zu leisten; er erspart also bei den Privatschulen erhebliche Beträge. Eine Förderung der Privatschulen durch die Wiedereinführung der Umsatzsteuerermäßigung bedeutet also praktisch keine Mehrbelastung der Staatsfinanzen, sondern eine Entlastung der Staatsfinanzen, weil die öffentlichen Schullasten in stärkerem Maße zurückgehen.
Eine Sonderbehandlung der Privatschulen im Vergleich zu den öffentlichen Schulen verstößt auch gegen das Grundgesetz. Art. 7 des Grundgesetzes, der ausdrücklich eine Gleichstellung von Privatschulen und öffentlichen Schulen fordert, läßt meiner Ansicht nach eine derartig unterschiedliche Behandlung überhaupt nicht zu.
Ich bin der Ansicht, daß die Finanzgerichte bei der Überprüfung der geltenden Regelung mit dieser geltenden Regelung kurzen Prozeß machen würden.
Die tatsächliche Handhabung der Steuererhebung für die Privatschulen ist auch im Bundesgebiet keineswegs gleichmäßig. Sie ist denkbar unterschiedlich. Während durch Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. Dezember 1949 für die Zeit vorn 1. Januar 1950 bis zum 31. März 1950 eine Befreiung der staatlich anerkannten Privatschulen von der Umsatzsteuer verfügt worden ist, während auch im Lande Hessen die Hermann Lietz-Schulen von der Umsatzsteuer vorläufig befreit worden sind, ebenso die Ordensschulen in Hessen, und während in Bayern Stundungen dem Landerziehungsheim in Neubeuren und Schongau gegenüber ausgesprochen worden sind, sind in anderen Ländern gleichgeartete Fälle von der Umsatzsteuer nicht befreit worden, so daß wir hier eine denkbar große Ungerechtigkeit auch gegenüber gleichartigen Schulen innerhalb des ganzen Bundesgebietes zu beklagen haben.
Was insbesondere die Umsatzsteuer für die Internatskosten betrifft, so haben die Internate infolge der schwierigen Nachkriegsverhältnisse in weitgehendem Maße öffentliche Aufgaben übernehmen müssen: die Unterbringung von Flüchtlingskindern, von elternlosen Kindern, von Kindern aus geschiedenen Ehen, von Kindern berufstätiger Mütter oder von Kindern, die in Orten leben, wo sie keine höheren Schulen besuchen können. Diese Unterbringung kann für die höhere Schule tatsächlich nur in Internaten erfolgen. Wir können es uns meines Erachtens heute nicht leisten, bei derartigen Hochbegabungen eine entsprechende Ausbildung lediglich daran scheitern zu lassen, daß nicht die genügenden Internatsplätze vorhanden sind. Der Wiederaufstieg des deutschen Volkes hängt davon ab, daß unser Bildungswesen allen Hochbegabungen die Möglichkeit verschafft, ihr Studium zu vollenden. Außerdem können Internate Kinder aus gefährdeten Umwelteinflüssen zu sozial wertvollen Menschen erziehen, während sie sonst leicht zu Einzelgängern werden, die ihren Mitmenschen nicht dienen wollen und nur ihrem eigenen Vorteil nachgehen.
Wenn ferner von seiten des Finanzministeriums darauf hingewiesen worden ist, daß die Umsatzsteuer grundsätzlich jeden Verbrauch ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche oder soziale Stellung des Unternehmers belastet, so ist das zwar im Grundsätzlichen richtig, trifft aber unseren Fall nicht. Nach § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes ist die Ausübung der öffentlichen Gewalt keine gewerbliche Tätigkeit. Ob die Ausübung der Unterrichtsgewalt nun in einer öffentlichen Schule oder in einer staatlich anerkannten Privatschule erfolgt, ändert doch nichts daran, daß es sich um die Ausübung öffentlicher Gewalt handelt. Deshalb ist § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes meines Erachtens ohne weiteres anwendbar. Und § 18 der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen verstößt bereits gegen § 3 des Umsatzsteuergesetzes. Auch hier würden die Finanzgerichte voraussichtlich die geltende Regelung außer Kraft setzen. Jedenfalls ist in der Literatur dieser Standpunkt eingehend begründet und vertreten worden.
Ein Einnahmeausfall ist infolge der Ersparnis an Schul- und Fürsorgelasten für die gesamte öffentliche Haushaltswirtschaft nicht zu befürchten, wenn auch möglicherweise eine Verschiebung
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eintritt.
Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, daß die Umsatzsteuer jetzt allgemein auf 3 % erhöht worden ist. Eine solche Erhöhung der Umsatzsteuer auf 3 % würde selbst dann zu Ausnahmen zwingen, wenn der von der Finanzverwaltung geltend gemachte Grund an sich richtig wäre; er ist aber, wie ich bereits ausführte, falsch. Begünstigungen und Befreiungen sind aber im übrigen auch sonst dem Umsatzsteuerrecht in keiner Weise fremd. Einzelheiten will ich mir ersparen. Ich weise auf Ein- und Ausfuhrgroßhandel, Lieferung von land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder die Erhöhung der Umsatzsteuer für Warenhäuser hin, eine typische persönliche Erhöhung. Es ist also gar nicht richtig, wenn die Finanzverwaltung uns vortragen läßt, derartige persönliche Begünstigungen und Erhöhungen seien dem Umsatzsteuerrecht fremd. Ich glaube, daß die Einwendungen der Finanzverwaltung von der Furcht bestimmt sind, daß bei einer Ausdehnung solcher persönlichen Befreiungen die Luxusumsatzsteuer dann vor der Tür stände, die ja eine derartige persönliche Erhöhung möglich machen würde, und daß man dieser Luxusumsatzsteuer generell ablehnend gegenüberstehe. Ich glaube aber, bei einem so kleinen Komplex, wie es die öffentlich anerkannten Privatschulen sind, kann diese Befürchtung tatsächlich völlig unbeachtet bleiben. Ich bin deshalb der Ansicht, daß dieses Gesetz nur dem geltenden Recht Rechnung tragen würde.