Rede von
Friedrich
Mensing
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Abgeordnete Leuchtgens hat hier im Laufe der letzten Stunden Ausführungen gemacht, die mich zu einer Stellungnahme veranlassen. Die Worte, die er hier gesprochen hat, erinnern mich lebhaft an die Jahre vor der Machtübernahme der Nazis. '
Ich selbst erinnere mich jener Methode, mit der man in den Jahren vor 1933 im hannoverschen Provinziallandtag arbeitete. Herr Kollege Leuchtgens, da erlebte ich einmal, daß — ich hätte beinahe gesagt: Ihr Kollege Rust —
der damalige Minister und Abgeordnete Rust im hannoverschen Provinziallandtag den Antrag stellte, die Tagegelder, die nur 16 Mark betrugen, um die Hälfte zu ermäßigen. Damals, erinnere ich mich, traten wir von unserer Fraktion vor und erklärten: Herr Rust, wir wollen Ihrem Sparsinn entgegenkommen. Wir stellen zunächst fest, daß von den 8 Herren Ihrer Fraktion 5 Herren Reichstagsabgeordnete sind, die ihre Reichstagsdiäten in die Tasche stecken. Weiter sind 5 Ihrer Herren pensionierte Beamte, die von einer zweiten staatlichen Stelle ihre Pension beziehen. Und als Drittes: Schämen Sie sich nicht, sich hier noch die Tagegelder des hannoverschen Provinziallandtages geben zu lassen? Wir wollen aber, wie gesagt, Ihrem Sparsinn entgegenkommen und stellen daher den Antrag: Doppelverdiener des hannoverschen Provinziallandtages erhalten in Zukunft kein Tagegeld mehr. Und ich erinnere mich noch der Situation
— Herr Kollege Renner, das interessiert auch Sie —, wie sich der ganze Landtag erhob und lediglich die NSDAP-Fraktion und die KPD-Fraktion sitzen blieben. Als sich alle erhoben hatten, da stand der KPD-Fraktionsführer — damals der Abgeordnete Suplieth, wenn ich mich recht erinnere — auf und rief Herrn Rust zu: „Rust, es sieht besser aus, wenn wir uns auch erheben!"
Und so stand der ganze Landtag auf.
Sehen Sie, das ist die Methode, mit der auch Sie heute arbeiten. Das ist Theorie und Praxis, ist die Methode, mit der ein anderer Kollege Ihrer Fraktion im Lande herumreist und im Volke erzählt, daß die Tagegelder deshalb noch nicht hätten ermäßigt werden können, weil Sie nicht in der Lage gewesen wären, die zehn Unterschriften für einen entsprechenden Antrag zusammenzubringen. Ich habe Herrn von Thadden vor Wochen geschrieben, daß ich bereit wäre — und auch andere Kollegen meiner Fraktion —, ihm die fehlenden Unterschriften zur Verfügung zu stellen, damit die Frage hier behandelt werden kann; allerdings in einem anderen Sinne, als Sie sich die Dinge vorstellen. Wenn wir schon zu einer Kürzung kommen wollen, kann dies nur geschehen, wenn dies individuell geschieht.
Worauf ist es denn zurückzuführen, daß das Parlament eine beruflich verhältnismäßig einseitige Zusammensetzung erfahren hat, daß zum Beispiel die Massen, die ich vom Handwerk vertrete, hier nicht vertreten sind.
Herr Leuchtgens, ich möchte Ihnen das Rätsel lüften und Ihnen sagen, worauf das zurückzuführen ist. Ein Handwerksmeister — und wir haben eine Million selbständige Handwerksbetriebe allein im Bundesgebiet —, der es wagt, sich in die politische Arena zu begeben, muß sich von vornherein einen erstklassigen Geschäftsführer oder Werkmeister nehmen, wenn sein Geschäft nicht zurückgehen soll. Oder er muß es so machen, wie ich es getan habe, einen Teilhaber in sein Geschäft nehmen, damit er sich hier betätigen kann.
Sehen Sie, das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Die Methode, mit der Sie arbeiten, ist nichts anderes — um ein scharfes Wort zu gebrauchen — als der Appell an den inneren Schweinehund im Menschen.
Ich möchte Sie daher herzlich bitten: ziehen Sie daraus die Schlußfolgerung. Mit dieser Methode werden Sie sich bewußt oder unbewußt zu Totengräbern der heutigen Demokratie machen.