Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Darlegungen einiger der Herren Vorredner ist der Eindruck entstanden, als habe bei der Bildung der Ministerien eine gewisse Hypertrophie obgewaltet. Diese Darstellungen waren schief; denn wenn man sich die Pläne genau ansieht und sich konkret vorstellt, welche Zuständigkeiten und welchen Verwaltungsbau die Ministerien haben, die hier als überflüssig bezeichnet werden, so wird man sehen, daß diese Verwaltung unter allen Umständen vorhanden sein müßte, wenn nicht in der Form eines Ministeriums, so doch immerhin in der Form von großen Hauptabteilungen. Diese Verwaltungskörper würden bei einer anderen Organisation der Regierung, bei einem andern Gebrauchmachen von der Organisationsgewalt, die nach dem heutigen Grundgesetz beim Bundeskanzler und beim Bundespräsidenten liegt, irgendwo doch vorhanden
sein müssen. Das Wesen der Bildung dieser Ministerien ist, daß man mit Rücksicht auf den Neubau des Staates, mit Rücksicht darauf, daß wir die Grundlagen neu zu gestalten haben, gewisse Fragenbereiche zum Kabinettsrang erhoben hat, damit der Regierungswille, d. h. das Zusammenspiel der verschiedenen Sachbereiche so konkret erfolgen kann, wie es unsere besondere Aufgabe, unsere besondere Lage gebietet.
Mein Herr Vorredner, der Herr Kollege Bertram, hat in seiner Kritik gar nicht so sehr die Zahl der Minister als die Zahl der Ministerien gegeißelt. Die Ministerien, der Verwaltungsunterbau ich wiederhole mich - müßten sowieso vorhanden sein. Das, was hinzukommt, was politisch wesentlich und notwendig ist, ist der Kabinettsrang, aie Stimme im Kabinett. Wenn Sie sich dann die Aufgabenbereiche genau ansehen — gesamtdeutsche Fragen, Wohnungsbauministerium, Marshallplanministerium —, dann werden Sie mir zugeben müssen, daß das Fragenbereiche sind, die ihrer besonderen Vertretung im Kabinett bei der Willensbildung der Regierung bedürfen.
Mit der Zahl der Minister und überhaupt mit der Zahl an Ministerien wird in Deutschland — das ist eine sehr alte Platte — immer gegen das parlamentarische System polemisiert. Wenn Sie die totalitären Staaten aber einmal damit vergleichen — ich denke hier beispielsweise an den kostspieligen Aufbau des nationalsozialistischen Deutschlands, des sogenannten Dritten Reiches, sowie an den Staatsaufbau Sowjetrußlands und die Organisation des faschistischen Italiens, überhaupt aller totalitären Staaten —, wenn sie einmal Gehälter und Stellungen, die ungefähr unseren Landesministern und Bundesministern entsprechen, in den totalitären Staaten zusammenzählen würden, so würden Sie auf eine überraschende Hypertrophie von Funktionären und Bedienern eines solchen totalitären Apparats stoßen.
Wenn Sie den Aufbau der deutschen Bundesrepublik, die Zahl ihrer Ministerien und die Art der sehr wohl erwogenen Organisation und Kompetenzverteilung der Ressorts etwa mit der ständigen Umgestaltung bei einer Regierungsbildung in Frankreich vergleichen, dessen Zahl an Ministern ungefähr in die dreißig geht — dazu auch jeweils ein Verwaltungsunterbau —, wenn Sie an die Zahl der Ministerien in England, Spanien, ja überhaupt in allen westeuropäischen Staaten denken, so werden Sie finden, daß der Aufbau der deutschen Bundesregierung durchaus das Gewand unserer Armut trägt. Allerdings ist das, was notwendig ist, auch verwirklicht worden.
Es ist, wie gesagt, eine alte Platte, die Zahl der Minister gegen das parlamentarische System auszuspielen, das indessen — das hat die geschichtliche Erfahrung bewiesen — das sparsamste und billigste Regierungssystem ist, im Vergleich zu den Ausgaben, die ein totalitärer Staat durch das dort wahrhaft geltende Gesetz des wachsenden Staatsapparates verbraucht.
Herr Kollege Bertram ist auch einem sachlichen Irrtum hinsichtlich des Ministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats unterlegen. Die Koordinierung, d. h. das Zusammenspiel der beiden gesetzgebenden Körperschaften Bundesrat
und Bundestag kann niemals eine Regierungsaufgabe sein, sondern das liegt ja in der Souveränität, in der Eigenständigkeit dieser gesetzgebenden Körperschaften. Daß hierbei auch eine Regierungsinstanz gute Dienste zu leisten vermag, wird die Entwicklung zeigen. Sie haben davon gesprochen, das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats habe bisher noch keine sichtbare Koordinierungsaufgabe übernommen. Ich möchte dem Herrn Kollegen Bertram entgegenhalten: es ist nicht immer die schlechteste Arbeit, die still getan wird.
-Sie wird getan; Sie können sich ja davon überzeugen. Gerade das Vermeiden von Reibungen spart und ist beim Aufbau unseres Staates eine Notwendigkeit.
Föderalismus ist eine hohe Kunst, das möchte ich hier doch einmal sagen. Föderalismus ist die Ergänzung der Demokratie auf der staatlichen Ebene, ist noch mehr. Er ist eine Schule der Freiheit, dem Föderalismus ist Einigkeit in der Freiheit und aus der Freiheit. Wir haben den Föderalismus als eine alte staatliche Tradition im Aufbau unseres Staates entwickelt. Wie jede praktische Idee im Laufe der Zeit ihre Wandlungen erfährt, hat der Föderalismus auch bei uns in Deutschland durch die neuartigen Verhältnisse neue Aufgaben gestellt bekommen und damit Wandlungen erlebt. Es wird sehr wesentlich darauf ankommen, diese föderative Tradition in unserem Staatswesen praktisch, und zwar an der konkreten Aufgabe zu entwickeln. Es ist jene grundsätzliche menschliche Haltung, die in der Achtung vor der Freiheit des anderen lebt. Ich möchte hier unseren bayerischen Freunden besonderen Dank sagen; es entspricht dies absolut auch den Auffassungen unserer Fraktion. Es ist eine fundamentale Notwendigkeit, daß dieser föderative Aufbau des deutschen Bundesstaates zu einer Einigung führt, die weit tiefer, weit stärker und weit reicher sein wird, als es je ein zentralistischer Kommandostaat zustande bringen könnte.