Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will diese Gelegenheit, die sich hier aus Anlaß der Diskussion des § 2 des Gesetzes ergibt, benutzen, um die Auffassung meiner Fraktion zu dem vorgelegten Haushaltsvoranschlag bekanntzugeben.
§ 2. Heute- früh hat die Regierung Adenauer eine Presseveröffentlichung herausgegeben, in der der einleitende Satz heißt: „Die Deutsche Bundesregierung kennt seit ihrem Bestehen keine verpflichtendere Aufgabe als die Wiederherstellung der deutschen Einheit."
Wir bestreiten die Richtigkeit dieser Äußerung des Kabinetts.
Wir beweisen das Gegenteil und benutzen diese Beweisführung, um unsere Stellung zum § 2 zu erläutern.
Sie sollten vielleicht auch die Tatsache, daß einer
wenigstens seine oppositionelle Stellung hier bekanntgibt, ruhig hinnehmen. Sie haben ja dafür
gesorgt, daß Sie hier sittsam unter Ausschluß der
Öffentlichkeit Ihre Geschäfte erledigen können.
Wir beweisen das Gegenteil. Wir beweisen und haben es mehrfach bereits getan, daß die Gründung dieses separaten Weststaates und die Schaffung des Grundgesetzes, das ihm seinen verfassungsrechtlichen Unterbau gibt, auf Befehl der westlichen Besatzungsmächte erfolgt sind. Wir haben bewiesen, daß es in Westdeutschland deutsche Kräfte gegeben hat und gibt, die, um die Ausdehnung der Potsdamer Beschlüsse auf Demokratisierung der Wirtschaft und der Verwaltung auf ganz Deutschland zu verhüten, diese Befehle der westlichen Besatzungsmächte freudigst durchgeführt haben. Wir sind der Auffassung, daß die Gründung dieses westdeutschen Staates die Krönung langjähriger Spaltungsbestrebungen darstellt, daß die Gründung dieses westdeutschen Separatstaates die Verhinderung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Gesamtdeutschland und des Abzugs der Besatzungsmächte bedeutet. Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß die Gründung des Weststaates bereits die Anerkennung des Besatzungsstatuts, des Ruhrstatuts, des Atlantikpaktes und damit auch der imperialistischen Kriegspolitik bedeutete, zu der die hier in Westdeutschland herrschenden Kräfte sowohl das Wirtschaftspotential wie das Menschenmaterial Westdeutschlands zur Verfügung zu stellen absolut bereit sind.
Wir sind der Auffassung, daß die Bildung dieses Weststaates nichts anderes ist als die Restaurierung der monopolkapitalistischen Kräfte, daß der Zweck dieses Manövers die Verhinderung der Verstaatlichung der Grundstoffindustrien, der Änderung der Eigentumsverhältnisse in den Grundstoffindustrien sowie die Verhinderung des Mitbestimmungsrechts der Werktätigen in der Wirtschaft ist.
Und ich weise abschließend, um nur ein Ergebnis dieser Ihrer destruktiven Arbeit aufzuzeigen, auf die Tatsache des Vorhandenseins von mehr als 2 Millionen Erwerbslosen im Augenblick hin.
§ 2, ganz recht!
Da wir Kommunisten von Anfang an diesen separaten Weststaat abgelehnt haben, lehnen wir
auch die Kosten für den Aufbau der Bundesorgane und des Bundesverwaltungsapparats ab!
Wir sind der Auffassung, daß diese Regierung, dieser Verwaltungsapparat keine andere Aufgabe hat als die der Verhinderung der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, als die der Durchführung der wirtschaftlichen und auf den Krieg ausgerichteten Pläne der westlichen Imperialisten. Wir sind der Auffassung,
daß dieser Verwaltungsapparat und diese Kolonialregierung dem deutschen Volke keine 27,3 Millionen Mark Zuschuß kosten dürfen.
Und da wir dieser grundsätzlichen Auffassung sind, halten wir es auch für abwegig, Anträge zu stellen.
— Ja, das wäre ein gutes Werk, wenn Sie das täten,
wenn Sie in die Ostzone gingen und sich dort einiges ansähen und dafür sorgten, daß es auch bei uns durchgeführt wird.
Wir lehnen also in konsequenter Folgerichtigkeit, wie wir den Weststaat abgelehnt haben, auch ab, solche einzelnen Anträge zu stellen, in denen wir ja nur Palliativmittelchen erblicken, wie etwa Anträge auf Streichung des einen oder anderen Ministeriums, auf Ersetzung der Stelle eines Staatssekretärs in einem Ministerium durch einen Ministerialdirektor. Wir sind der Meinung, daß es belanglos ist, hier angesichts des Grundproblems die Frage der Kürzung von Aufwandsentschädigungen, der Stellenzahl von Ministerialdirektoren usw. usw. zu behandeln. Das ist unsere Auffassung.
Wir sind vor allen Dingen der Auffassung — das ist ja schon von anderen Mitgliedern des Hohen Hauses zum Ausdruck gebracht worden —, daß es eine ungeheuerliche Übersteigerung des selbst von Ihnen eigentlich nur anzuerkennenden Bedarfs an Ministerien darstellt, wenn Sie über die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz hinaus statt der von dieser vorgeschlagenen 9 Ministerien 14 geschaffen haben.
Ich bin darüber hinaus der Auffassung, daß Sie doch nicht so kühn und kalt an Feststellungen des Bundesrates vorübergehen sollten — des Bundesrates, in dem ja Fleisch von Ihrem Fleische sitzt,
oder soll ich sagen: Geist von Ihrem Geiste? Das wäre aber wahrscheinlich eine Überschätzung seiner Mitglieder.
Der Bundesrat hat Ihnen seine Auffassung mitgeteilt, die folgendermaßen lautet:
Wenn auch das Gegenwartsproblem der öffentlichen Finanzwirtschaft selbst mit einem radikalen Abbau der Verwaltungskosten nicht gemeistert werden kann, hält der Bundesrat aus staatspolitischen und finanziellen Gründen die Vereinfachung und Verbilligung des behördlichen Verwaltungsapparats für eine zwingende Notwendigkeit. Damit in dem ersten Bundeshaushalt die präjudiziellen Grundlagen für die künftige Entwicklung der persönlichen und sächlichen Verwaltungsausgaben des Bundes gelegt werden, erscheint dem Bundesrat beim organisatorischen Aufbau der Bundesverwaltung besondere Zurückhaltung geboten.
Hier haben wir heute — zwar nur im Sinne einer Behauptung, ohne daß der Versuch gemacht wurde, den Beweis dafür zu führen — Andeutungen in der Linie gehört, daß Sie sich zum Beispiel bei der Bildung des einen oder anderen Ministeriums — Sie, die Koalitions-Mehrheit, meine ich — von Erwägungen haben leiten lassen, von Notwendigkeiten, die eben aus der Tatsache des Bestehens dieser Koalition und aus der Zwangslage der Erhaltung dieser Koalition herauswachsen. Ich will es noch deutlicher sagen. Im Haushaltsausschuß ist zum Beispiel bei der
Besprechung des Ministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates von der Regierungsmehrheit ganz ehrlich ausgesprochen und zugegeben worden, daß man tatsächlich wegen des Bestehens der Koalition und der daraus resultierenden Notwendigkeiten dieses Ministerium und andere überflüssige Ministerien habe schaffen müssen.
Das ist im Haushaltsausschuß offen von Mitgliedern der Mehrheit, also der Koalitionsparteien, zugegeben worden. Falls Sie das bestreiten, bin ich genötigt, das Protokoll herauszusuchen. Aber ich glaube, daß die Mitglieder dieses Ausschusses nicht den Mut aufbringen werden, das zu bestreiten.
Wenn man also heute die Notwendigkeit des Bestehens des einen und des anderen Ministeriums davon abhängig macht, daß man sagt, mindestens im Augenblick habe das betreffende Ministerium so ungeheuer vordringliche Aufgaben, wie es zum Beispiel der Herr Kollege Bausch — sogar mit Recht — für das Ministerium für Wohnungsbau behauptete, dann verstehe ich nicht, verehrter Herr Kollege Bausch, warum man diesem nach Ihrer Konzeption so überaus wertvollen und wichtigen Ministerium ausgerechnet den Staatssekretär gestrichen hat.
- Ach, der Minister ist die Hauptsache? Sind Sie wirklich davon überzugt?
- Ich rate Ihnen, einmal Minister zu spielen. Dann können Sie sehr schnell von der Irrtümlichkeit Ihrer Auffassung überzeugt werden.
Die Verwaltung ist die Hauptsache. An dieser ehernen Verwaltung, diesem reaktionären Block, der alle Entwicklungen der letzten 50 Jahre bei uns in Deutschland überstanden hat und der auch Ihre Bestrebungen, sofern welche vorhanden sein sollten, auf eine gewisse Demokratisierung der Verwaltung zunichte machen wird, an dieser Verwaltung, eherner als Erz, verehrter Herr Kollege Bausch, zerbrechen auch Sie sich den Kopf, vor allen Dingen an der Verwaltung, die bei uns auf dem Gebiete der Justiz besteht.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen unsere Auffassung zur Kenntnis _gebracht. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, daß Ihre Entscheidungen dadurch irgendwie beeinflußt werden.
— Richtig, nicht wahr? Es gibt ein Sprichwort, das mit „Narren" endet und mit „Beharren" anfängt.
— Ja, ich überlasse Ihnen auch das andere.
Ich möchte nur noch ein Wort an meinen verehrten Herrn Kollegen Pünder richten. - Da
sind Sie ja wohl, Herr Kollege Pünder; wir kennen uns ja schon länger. — Herr Kollege
Pünder hat sich bemüßigt gesehen, die Behauptung herauszustellen, daß im Haushaltsausschuß die kommunistische Fraktion überhaupt nicht ver- treten gewesen sei.
— Schön! — Das ist nicht ganz wahr, und wenn es wahr ist, ist es eine Folge der heute noch bestehenden Tatsache, daß unsere Fraktion zahlenmäßig so schwach ist.
Aber, Herr Pünder, ich möchte Sie einmal auf Ihr Gewissen fragen: Hätte denn die Anwesenheit der Kommunisten in diesem Ausschuß Sie irgendwie bewegen können, einen kommunistischen Antrag anzunehmen?
— O nein! — Also Ihr Hinweis ist nichts anderes als ein bißchen Bluff. Wenn Sie ernst genommen werden wollen, Herr Abgeordneter, dann sollten Sie sich solche kleinen Anzapfungen sparen. Hier werden Etats aufgestellt, hier werden Ministerien gebildet nach den Belangen der Klasse, die Sie zu vertreten haben. Hier werden Ministerien aufgerichtet, die die Aufgabe zu erfüllen haben, die die westlichen Besatzungsmächte und das deutsche Monopolkapital von Ihnen erwarten. Hier wird eine Regierung aufgebaut, die spaltet, statt zu einen, die dem werktätigen Volk das Recht auf Mitbestimmung in der Wirtschaft versagt. Hier wird eine Regierung aufgebaut, die den Krieg und die Einbeziehung Westdeutschlands in den Krieg systematisch vorbereitet.
Dafür haben Sie Mittel übrig. Für soziale Zwecke, für soziale Pläne haben Sie bisher keine Mittel übrig gehabt.
— Ich kann Ihnen die Erklärung des Herrn Adenauer zur Kriegsfrage vorlesen, wenn Sie sie noch nicht gelesen haben sollten.