Rede von
Friedrich
Rische
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sehr wenig über die wirtschaftspolitischen Gründe ausgesagt, die schließlich zur Vorlage dieses Gesetzentwurfes führten. Wir sind jedoch der Meinung, daß sich mit der Einbringung dieser Vorlage das Bild
einer Politik der Einflußnahme der Industrie und der übrigen Interessenten auf die Politik der Adenauer-Regierung abrundet.
Das Gesetz über die Errichtung der Bundesstelle für Warenverkehr ist, wenn man es einmal zugespitzt und im Zusammenhang mit der reaktionären Politik der Regierung sieht, die de-facto-Aufrichtung der ehemaligen nazistischen Selbstverwaltung in der Wirtschaft und die Übernahme staatlicher Funktionen durch die großen Verbände der freien Wirtschaft. Die Schaffung der nachgeordneten Dienststelle der Bundesoberbehörde kann nun auch nicht mit dem Wunsche nach einem kleinen Bundeswirtschaftsministerium erklärt werden, weil ja im Grunde genommen die Bürokratie nur verlagert wird. Sie soll aber — das ist wohl der Sinn der Errichtung dieser Oberbehörde - möglichst der Kontrolle des Parlaments entzogen werden.
Nach § 2 hat die neue Bundesbehörde drei Aufgaben: 1. Bearbeitung von Einfuhrangelegenheiten, 2. Bearbeitung von Ausfuhrangelegenheiten, 3. Bearbeitung von Angelegenheiten des Interzonenhandels. Das bedeutet also faktisch die weitgehende Übertragung staatlicher Funktionen an die freie Wirtschaft.
Die Bundesstelle kann ferner Rechtsverordnungen und Rechtsvorschriften zur Regelung des Warenverkehrs erlassen. Damit sind meiner Meinung nach die Wünsche der freien Wirtschaft erneut durch eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung weitgehend erfüllt worden.
Nach § 3 ist nichts anderes vorgesehen als die Fortführung der unrühmlich bekannten Fachstellen, die selbst von Vertretern der Wirtschaft mehr als einmal als ein Hindernis kritisiert wurden, das heißt vornehmlich von den kleineren Fabrikanten und den Gewerbetreibenden, die ein Interesse daran haben, möglichst frei zu handeln, insbesondere im Verkehr mit den Wirtschaftsinteressenten in der Deutschen Demokratischen Republik. In erster Linie wurden ja bekanntlich durch die bisherigen Fachstellen die Interessen der Großfirmen vor allem berücksichtigt.
Die vorgesehenen Beiräte in den Fachgruppen der Bundesbehörde dienen unserer Meinung nach auch nur zur Täuschung. Sie sind in Wirklichkeit, wie es nach dieser Gesetzesvorlage ja bestimmt wird, von der Bestellung durch den Bundeswirtschaftsminister abhängig. In den Beiräten der Fachstellen sitzen die maßgeblichen Vertreter der jeweiligen Industriezweige, während der Handel besonders schwach vertreten ist. Im Beirat der Fachstelle Eisen- und Metallverarbeitung entscheiden zum Beispiel über Textilmaschinen -Bezüge unter anderem die Leiter der beiden Arbeitsgemeinschaften Textilmaschinen und Gesamttextil. Dr. Strauß ist Geschäftsführer der Fachgemeinschaft Maschinenindustrie, Dr. Marschner ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Gesamttextil. Diese beiden Herren entscheiden über den Kauf von Textilmaschinen aus der Deutschen Demokratischen Republik, das heißt sie sabotieren, wie das die Praxis dieser Stellen bewiesen hat, faktisch diesen Ankauf aus den Werkstätten der Demokratischen Republik. Interessant ist noch, daß diese beiden Herren aus Chemnitz stammen, von Chemnitz geflüchtet sind und früher in der nazistischen Wirtschaftsverwaltung tätig waren.
Man kann sagen, daß die Strauß und Marschner zukünftig in der Bundesbehörde für die praktische Durchführung der Wirtschaftspolitik Professor Erhards ausschlaggebend sein werden. Sie werden sich dabei, wie der Wirtschaftsminister soeben begründete, auf die Richtlinien der JEIA, die Sperr- und Negativlisten zur Abwürgung des innerdeutschen Warenverkehrs und auch zur Abwürgung des Warenverkehrs mit dem Osten stützen. Bei diesem Lichte besehen ist die Bundesbehörde für den Warenverkehr ein Instrument der freien Wirtschaft, ein Instrument der deutschen Industriellen und ihrer Auftraggeber in der Hochkommission und in der Ruhrbehörde.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Bundesbehörde praktisch entsprechend ihren Befugnissen eine Art Überministerium unter der Führung der Wirtschaftsinteressenten darstellen wird. Es entsteht ein Organ der freien Wirtschaft mit ministeriellen Aufgaben zur Lenkung der zentralen Probleme der freien Wirtschaft. Also: die Anti-Planer wollen planen!