Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Das Fachstellengesetz tritt am 31. März 1950 außer Kraft. Die Aufgaben der Fachstellen lagen in der Durchführung einer gewissen Restbewirtschaftung, in der Bearbeitung von Angelegenheiten der Einfuhr und des Interzonenhandels. Wenn auch auf dem Gebiet der Bewirtschaftung kaum mehr Aufgaben übriggeblieben sind, so sind in ganz wenigen Bereichen doch noch Reste zu verwalten. Im übrigen aber sind die Aufgaben im Zusammenhang mit der Einfuhr und dem Interzonenhandel nicht nur erhalten geblieben, sondern der Kreis dieser Aufgaben hat sich in gewisser Hinsicht noch erweitert.
Die Bundesstelle für den Warenverkehr, mit der sich die Gesetzesvorlage befaßt, ist eine Bundesoberbehörde gemäß Artikel 87 des Grundgesetzes. Die Abgrenzung gegenüber der Wirtschaft ist so vorgenommen, daß alle nicht hoheitlichen Aufgaben der Organisation der Selbstverwaltung verbleiben sollen. Die Bundesstelle übernimmt also nur hoheitliche Aufgaben. Alle nicht zentral zu erledigenden Aufgaben sollen
von den Ländern durchgeführt werden. Das Bundesministerium selbst soll sich auf die rein ministeriellen Aufgaben beschränken, auf die Bearbeitung grundsätzlicher Fragen und selbstverständlich auf die Aufsicht über die Bundesstelle selbst. Der Bundesstelle obliegen die Durchführungsarbeiten, hauptsächlich aber die Einzelentscheidungen.
Diese Aufgliederung bzw. die Zuweisung nicht ministerieller Durchführungsarbeiten an die Bundesstelle bietet den Vorteil, daß die ministeriellen Fachreferate vom Publikumsverkehr entlastet werden und damit die Fachreferate entsprechend klein gehalten werden können. Außerdem gestattet die Organisation der Bundesoberbehörde schnelle Entscheidungen und rasche Anpassung an wechselnde wirtschaftliche und rechtliche Verhältnisse und erleichtert damit den Abbau und die Auflösung der Bundesbehörde nach Wegfall der Aufgaben.
Was die Aufgaben der Bundesstelle im besonderen anlangt, so ist hinsichtlich der Einfuhr zu verweisen auf die Vorbereitung der Verfahrensvorschläge für den interministeriellen Einfuhrausschuß und Ausführung seiner Beschlüsse nach JEIA -Anweisung Nr. 29. Außerdem obliegt ihr die gutachtliche Stellungnahme zum Aufbau der Einfuhrprogramme im Rahmen der Handelsverträge und der ERP, im Zuteilungsverfahren die individuelle Zuteilung durch Ausgabe der Devisenzuteilungsbestätigungen und im Reihenfolgeverfahren endlich die Erfassung bestimmter Einfuhren für den Re-Export und Aufbereitung der von den Außenhandelsbanken erteilten Devisengenehmigungen nach fachlichen Gesichtspunkten.
Eine wesentliche Funktion der Bundesoberbehörde besteht in der Abwicklung des Interzonenhandels, und zwar die Errichtung einer zentralen Kontrolle über die Einhaltung der Wertgrenzen des Interzonenabkommens und der Kontrolle der Bestimmungen über die Vorbehaltslisten. Vom Bundesministerium ist auch vorgesehen, daß diese Bundesoberhehörde gewisse Funktionen in der Ausfuhr zugewiesen erhalten soll. Da hier noch gewisse Differenzen in der Auffassung bestehen, soll darüber in den Ausschüssen noch Klarheit geschaffen werden. Nach Meinung des Ministeriums würde unter diese Aufgaben auch wieder die Kontrolle der Vorbehaltslisten fallen und da insbesondere die Einzelgenehmigungen im Veredlungsverkehrs- und im Gegenseitigkeitsgeschäft.
Bei Eisen und Stahl fallen im Zusammenhang mit dem Besatzungsrecht und dem Ruhrstatut noch gewisse Nebenaufgaben für die Bundesstelle an, wie Aufgaben der Absatzlenkung und der fachlichen Auswertung der Eisenstatistik.
Die Bundesoberbehörde selbst gliedert sich wieder in fachliche Gruppen. Es ist an ungefähr neun bis zehn fachliche Gruppen gedacht und für die generellen Probleme, die alle Gruppen berühren, an die Einrichtung von Querschnittsreferaten, insbesondere also für den Interzonenhandel und für die Regelungen der Einfuhr.
Genau wie die Fachstellen sollen auch diese fachlichen Gruppen Beiräte aus der Wirtschaft und aus den Gewerkschaften erhalten. Das Beratungs- und Mitwirkungsrecht dieser Gruppen in grundsätzlichen Angelegenheiten wird aus dem Fachstellengesetz übernommen, damit auch gleichzeitig der Minderheitenschutz gegen Majorisierung, also durch das Minderheitenvotum.
Der Bundesrat hat zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Die Bundesregierung ist mit den von ihm gewünschten Abänderungen im wesentlichen einverstanden. Allerdings bestehen Differenzen hinsichtlich der Bildung eines Länderausschusses bei der Bundesstelle, weil nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums hier insofern eine Doppelbesetzung stattfinden würde, als bereits bei den Referaten im Bundeswirtschaftsministerium Länderausschüsse bestehen, somit also über die gleichen Fragen sowohl persönlich wie sachlich Doppelberatungen stattfinden müßten.
Auch von bestimmten Wirtschaftskreisen wurden Bedenken gegenüber dieser Behörde erhoben, und zwar nach der Richtung, daß neue Einrichtungen ein sehr starkes Beharrungsvermögen zu zeigen pflegten, daß eine solche Oberbehörde ein eigenes Leben führen oder sich gar zu einer Riesenbehörde auswachsen könnte. Die Tatsachen sprechen allerdings eine andere Sprache. Ich darf darauf verweisen, daß die Fachstellen am 1. Januar 1949 noch 707 Kräfte beschäftigten, am 1. Oktober 1949 nur noch 398, und es ist an einen weiteren nicht unerheblichen Abbau bis zum 1. April 1950 gedacht.
Vor allen Dingen glaubt man, daß zusammen mit den Fachreferaten des Ministeriums eine Doppelarbeit unvermeidlich sei. Ich glaube aber, daß sich eine klare Abgrenzung sehr schnell ergeben wird, da nur die grundsätzlichen Fragen im Ministerium bearbeitet werden, während die Bundesoberbehörde nur Einzelentscheidungen zu fällen hat.
Ein weiteres Bedenken geht dahin, daß keine ausdrückliche Begrenzung der Lebensdauer dieser Bundesoberbehörde vorgesehen sei. Hier muß ich sagen, daß das im wesentlichen aus sozialen Rücksichten auf die Bediensteten der Bundesstelle unterblieben ist, die nicht dauernd unter dem Druck kurzfristiger Verträge stehen können, sondern die Sicherheit eines ruhigen Arbeitens haben müssen.
Im ganzen glaube ich also, daß diese Konstruktion der Bundesoberbehörde gegenüber den vorgetragenen verschiedenartigen Bedenken durchaus standzuhalten vermag. Ich kann die Funktion der Bundesoberbehörde nicht besser charakterisieren als durch eine Wiederholung des Grundsatzes, den sich der Berichterstatter des Bundesrats zu eigen gemacht hat. Er sagte: Es handelt sich bei diesem Gesetz keineswegs darum, gewisse Prinzipien der Wirtschaftspolitik neu zu gestalten und zu konstituieren, sondern ausschließlich darum, einen technischen Apparat für die Durchführung wichtiger zentraler Aufgaben zu schaffen, die ihre Lösung nicht auf ministerieller Ebene finden können.