Rede von
Gustav
Gundelach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung: man kann bei der Behandlung des vorliegenden Antrages der SPD nicht nur mit dem Rechtsempfinden von Juristen Stellung nehmen,
sondern unsere Auffassung ist die, daß gerade in dieser so wichtigen und ernsten Frage der gesunde Menschenverstand, der Wille der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes zum Durchbruch kommen muß.
Es ist bezeichnend für die politische Situation in Westdeutschland an sich, daß bis heute, fünf Jahre nach der Beseitigung der Hitlerherrschaft, immer noch nicht von Amts wegen die Nichtigkeitserklärung der Strafurteile erfolgt ist, wie sie in dem SPD-Antrage hier erneut aufgeführt worden sind. Dabei möchte ich gleich darauf hinweisen, daß allerdings die Aufzählung der einzelnen Gesetze nicht ganz vollständig ist; denn es gibt auch noch eine Reihe von politischen Notverordnungen, zum Beispiel die politischen Notverordnungen zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933, gegen Verrat am deutschen Volk und hochverräterische Umtriebe vom 28. Februar 1933, zum Schutze des deutschen Volkes vom 4. Februar 1933, zur Erhaltung des inneren Friedens vom 19. Dezember 1932.
Ich bin der Meinung, daß es notwendig sein wird, im Ausschuß noch einmal mit zu überprüfen, ob alle Gesetze und alle Verordnungen erfaßt sind, wo die Straftaten in Betracht kommen, um Nichtigkeitserklärungen zu erlassen. Meine politischen Freunde und ich halten also, um das Versäumte schnellstens nachzuholen, den zur Beratung stehenden Antrag der SPD für absolut berechtigt. Wir sind allerdings der Meinung, daß die Nichtigkeitserklärung nicht auf Antrag zu erfolgen hat, sondern von Amts wegen generell vorzunehmen ist. Wir haben auch Bedenken, die Justizbehörden ohne Kontrolle mit der Erledigung dieser Aufgabe zu betrauen. Es wurde, wie wir das hier aus dem Munde von verschiedenen Abgeordneten bei der Hedler -Debatte erlebt haben, als Tatsache festgestellt, daß 60 bis 80 Prozent der heute leitenden Justizbeamten in Westdeutschland Mitglieder der nationalsozialistischen Partei gewesen sind. Wir sind der Meinung, daß es recht fraglich ist, gerade diesen oberen Beamten der Justizbehörden in Westdeutschland die Befähigung zuzusprechen, allein und ohne Kontrolle eine korrekte Erledigung dieses Antrages durchzuführen. Deshalb sind wir der Auffassung, daß es unbedingt erforderlich ist, die Landesparlamente mit der Kontrolle der von Amts wegen aufzuhebenden Strafurteile, die aus politischen Gründen erfolgt sind, zu beauftragen. Dies ist der Standpunkt der Kommunistischen Partei. Ansonsten stimmen wir dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei zu.