Meine Damen und Herren! Seit Bestehen der Bundesregierung haben wir den Erlaß von zwei Gesetzen erlebt, die mit dem „Schutz der demokratischen Ordnung" firmiert waren. Ich meine das alliierte Pressegesetz vom September 1949 und das Gesetz der Hohen Kommissare zum Schutze der alliierten Interessen vom November 1949. In beiden Fällen hat sich sehr bald erwiesen, wie richtig die Beurteilung dieser beiden Gesetze durch die Kommunistische Partei war, als sie erklärte, daß es sich hier um die juristische Begleitmusik zu Marshallplan und Atlantikpakt, zur Kolonialisierung Westdeutschlands, zur Politik der Demontage und der Remilitarisierung handelt. Wir haben damals erklärt, es handle sich darum, Maßnahmen zu legalisieren, die den Widerstand des deutschen Volkes gegen die Politik der Kolonialisierung niederzwingen und die breite Schichten unseres Volkes in lähmende Angst versetzen sollen, damit sie nicht ihre Interessen verteidigen. Das Urteil des britischen Militärgerichts Hannover von dieser Woche beweist, wie recht wir hatten. Es hat aufrechte Kämpfer gegen brutale Zerstörung und Konkurrenzdemontage zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.
Meine Damen und Herren! Man sollte meinen, angesichts einer solchen Situation sei es Sache einer Partei, die sich Partei der Opposition in diesem Hause nennt, alles zu tun, um gegen die wirklichen Feinde der Freiheit und der friedlichen Arbeit des deutschen Volkes vorzugehen. Statt dessen erleben wir das sonderbare Schauspiel, daß diese Partei, die SPD, einen unbändigen Wetteifer entwickelt, um jene alliierten Gesetze zur Maßregelung und Erdrosselung der Freiheit noch zu übertrumpfen, ja um auch der Bundesregierung zuvorzukommen, die vor kurzem mitgeteilt hat, daß sie dabei sei, ein neues Staatsschutzrecht zum sogenannten Schutz der Verfassung auszuarbeiten. Wir Kommunisten sind der Meinung, daß nicht der Buchstabe, nicht das Papier für die Wirkung derartiger Gesetze entscheidend ist, sondern daß es darauf ankommt, in wessen Hände ein solches Gesetz und solche Vollmachten gelegt werden und wie der Staat aussieht, der sich solcher Sondervollmachten bedienen kann.
Meine Damen und Herren! Genau einen Tag nach dem Freispruch des Herrn Hedler konnte als erste Zeitung in deutscher Sprache die amerikanische „Neue Zeitung" den Wortlaut des sozialdemokratischen Gesetzentwurfs veröffentlichen.
Meine Damen und Herren, nichts als gerade das
zeitliche Zusammenfallen dieser beiden Ereignisse konnte besser zeigen, welche Sorte Justiz
die Sorge um den „Schutz der Demokratie" in
die Hände nehmen soll, ' in wessen Hände die
Verantwortung für den sogenannten Schutz der
Demokratie gelegt wird. Nichts könnte schlagender beweisen, von welchen Elementen künftighin
Ihr Gesetz und Ihre Vorschläge, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, gehandhabt werden sollen.
Dies Gesetz wird darum, weil sich am Charakter
des Staates der Reaktion nichts geändert hat,
nichts anderes mit sich bringen als den Schutz
der geheiligten Ordnung der Besitzprivilegien,
als den Schutz der Pferdmenges, als den Schutz
des Systems der Arbeitslosigkeit und des Krieges.
Meine Damen und Herren, ich denke, die Erfahrungen der Vergangenheit sollten deutlich genug sein. Auch nach 1918 wurde die damalige Justiz in Amt und Funktion belassen, und die Folge davon war, daß in der Zeit vom November 1918 bis Ende 1922 eine Zahl von 354 politischen Morden von rechts mit einer Gesamt „sühne" von 90 Jahren und zwei Monaten Einsperrung geahndet wurde. Diesen 354 Morden von rechts standen in der gleichen Zeit 22 von links gegenüber, die mit 10 Erschießungen, 3 lebenslänglichen Zuchthausstrafen und etwa 249 Jahren Einsperrung gesühnt wurden.
Meine Damen und Herren, das war die Praxis einer Zeit, in der man die Justiz ebenso mit den alten Gesichtern besetzt hielt wie heute. Und ich denke, daß auch die Praxis der Handhabung des Republikschutzgesetzes gleichfalls eine deutliche Sprache spricht, unter dessen Geltung der damalige Reichspräsident von einem republikanischen Gericht offiziell als Landesverräter bezeichnet werden konnte. Das war eine Justiz, die es zuließ, daß das Reichsgericht den Begriff der „Judenrepublik" offiziell legalisierte und ihn als durch die geschichtlichen Umstände gerechtfertigt bezeichnete.
Meine Damen und Herren, das Republikschutzgesetz wurde nach dem Tode Rathenaus erlassen; aber es wurde von den Freunden der Mörder Rathenaus angewandt.
Und so wie der Gesetzentwurf, der heute zur Beratung steht, einen Tag nach der Freisprechung des Herrn Hedler der Öffentlichkeit bekanntgegeben wurde, so werden seine Paragraphen von den Richtern der Herren Adenauer und Dehler angewandt werden, die nichts anderes sind als die Freunde Hitlers
und die Freunde des Herrn Hedler.