Meine Damen und Herren! Ich will hier nicht die Frage ventilieren, welche Legitimation ausgerechnet die kommunistische Fraktion hat, einen solchen Antrag einzureichen.
Ich will vielmehr auf die sachlichen Unrichtigkeiten dieses Antrages kurz eingehen.
— Sie haben drüben noch ganz andere. ich komme noch darauf. — Es heißt hier in Ziffer 1, daß
nicht erst während der letzten Kriegsereignisse, sondern schon seit 1941 die deutschen Verluste verheimlicht und zweitens schon seit jener Zeit die Angehörigen der Gefallenen zum großen Teil nicht mehr benachrichtigt
wurden. Es ist den Kommunisten anscheinend
nicht bekannt. in welcher Form das Gefallenenwesen gehandhabt wurde.
Seit Kriegsbeginn war es üblich, daß beim Tode eines Soldaten der Einheitsführer die Angehörigen direkt benachrichtigte, gleichzeitig aber auf dem Dienstwege an die Wehrmachtsauskunftsstelle die halbe Erkennungsmarke übersandt wurde und diese Dienststelle in Berlin nachher die Aufgabe hatte, die amtlichen Unterlagen zur Berichtigung des Personenstandsregisters zu liefern. Daraus geht eindeutig hervor, daß das OKW gar keine Möglichkeit hatte und auch absolut keinen Gebrauch davon gemacht hat, etwa die Einheitsführer unten zu beeinflussen, was praktisch auch gar nicht möglich gewesen wäre, da in jedem Verband die Umgebung des Gefallenen bei den Urlauben jederzeit Gelegenheit hatte, den Angehörigen die tatsächlichen Verhältnisse zu schildern.
Ich muß also feststellen, daß die Fassung, wie sie im Absatz 1 von den Kommunisten formuliert wurde, den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen kann und auch nicht entspricht.
Allerdings hat es nach dem Spätsommer des Jahres 1944 für einzelne Gebiete keine Möglichkeit mehr gegeben, die Angehörigen Gefallener zu benachrichtigen. Nach der Einnahme Aachens und nach der Besetzung des westdeutschen Raums galt das für den Westen, und nach dem Verlust ostdeutscher Gebiete galt das ebenso für den Osten. Es kann sich also lediglich um die Zeit handeln, da die Angehörigen nicht mehr benachrichtigt werden konnten.
Auch hier — das werden Sie nicht wissen, Herr Rische — haben sich in den Gefangenenlagern alle zusammengetan, die etwas von dem Schicksal eines gefallenen Kameraden wußten, und es sind viele auf diesem privaten Wege benachrichtigt worden, so daß die von Ihnen genannte Zahl absolut nicht den Tatsachen entsprechen kann, soweit sie die Zeit von 1944 bis zum 5. oder 9. Mai 1945 betrifft.
Aber noch etwas anderes muß ich erwähnen. Ich glaube, Sie machen sich keine Vorstellung, mit welcher Korrektheit die katholischen und evangelischen Feldgeistlichen, die Gräberoffiziere und Gräberunteroffiziere das Gefallenenwesen draußen im Felde gehandhabt haben, soweit es immer möglich war.
Ich muß diese Feststellung treffen, weil dieser
Antrag und die Formulierung der Absätze 1 und 2
den Eindruck erwecken könnten, als ob hier mit einer Verantwortungslosigkeit vorgegangen wurde, was ich zurückweisen muß.
Nun zu der Frage des Antrags selbst: Ich glaube, man könnte über das Problem, das mein Herr Vorredner erwähnte -- die Zwangsverurteilungen in der Sowjetunion —, eine ganze Plenarsitzung mit Stoff und namentlichen Angaben füllen. Es würde die erschütterndste Anklage sein, und es würde hier vielleicht eines der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit bekannt werden, das sich in diesen Tagen in den Lagern des Ostens und Südostens vollzieht.
Aber wie gesagt, wenn die Registrierung im März durchgeführt ist es bedarf übrigens gar nicht des Wartens bis zum März, ich wäre jetzt schon in der Lage. die groteskesten Verurteilungen mit Ort, Zeit und Lagernummer bekanntzugeben.
— Sie können nachher mit mir darüber sprechen, ich werde Ihnen Einsicht in mein Material geben. Ich rate Ihnen, zu Herrn Pfarrer Mertens zu gehen, der Ihnen seitenweise Lagernummern und Namen geben kann.
Ich muß mit aller Entschiedenheit zurückweisen, was Herr Renner gesagt hat, in diesem Hause würde man eine Bejahung der Zurückhaltung der Listen beobachten können, und eine solche Bejahung würde kriegstreiberische Politik sein. Herr Renner, Sie sprachen von Leuten, die schon wieder Uniform anziehen wollen. Es gibt Leute, die haben sie längst wieder an. Ich kenne sie sogar, es sind Herr Bechler, Herr Markgraf, Herr Lattmann, Herr Vinzenz Müller! Ich glaube, wenn Sie da ein Wort an Ihre Kollegen drüben richteten, würden Sie den Kern der Sache besser treffen, als Sie uns eben erzählten.
Darf ich Ihnen zum Schluß noch eine Anregung mit auf den Weg geben. Ich glaube, Sie würden sich ein großes Verdienst erwerben können, wenn Sie von Ihrem großen roten Bruder die Herausgabe einer Liste der noch Lebenden in der Sowjetunion erwirken könnten.
Sie werden leider nicht in der Lage sein, dem deutschen Volke eine Liste der Toten mitzuteilen, und zwar deswegen, weil Totenlisten nicht geführt werden und bis 1948 die Sterblichkeitsziffern in den russischen Gefangenenlagern gar nicht registriert werden durften.
Sie werden auch deswegen dazu nicht in der Lage sein, weil, wie uns bekannt ist, ein großer Teil der mit viel Pietät gepflegten Gräber aller Gefallenen, auch Ihrer Freunde, auch der Kämpfer der Roten Armee, eingeebnet wurden und 2 Millionen Gräber in Rußland nie mehr festgestellt werden können.
-- Das zu beweisen ist sehr einfach.
— Lieber Herr Rische, mit Lautstärke können Sie diese für Sie peinliche Situation nicht verändern!
Ich wiederhole meine Anregung an Sie: erstens die Herausgabe einer Liste der noch in Sowjetrußland lebenden Deutschen zu erwirken, auf Grund Ihrer besonderen Beziehungen.
und zweitens durch eine Petition an die Sowjetregierung, die Sie vielleicht durch ehemalige Rußlandemigranten persönlich überreichen lassen
— vielleicht macht es sogar Herr Plievier oder ein anderer, vielleicht macht es Herr Markgraf —, zu erreichen, daß ein Teil der Zwangsverurteilten oder die zwangsverurteilten und zurückgehaltenen Arbeitersöhne nach Hause können!