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ID0104309700

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    Deutscher Bundestag — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. März 1950 1431 43. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 1. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1432B, 1470D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten (Drucksache Nr. 522) . 1432C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Drucksache Nr. 525) . . 1432D, 1449A Ludwig (SPD), Antragsteller . . 1449A Sabel (CDU) 1450A Dr. Wellhausen (FDP) . . . . 1451A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . 1452B Agatz (KPD) 1452D Walter (DP) 1453A Richter (Frankfurt) (SPD) . . . 1453B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts (Drucksache Nr. 530) . . 1432D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 1432D, 1447D Zinn (SPD) , 1440C Renner (KPD) . 1441B von Thadden (DRP) 1443A Dr. Schmid (SPD) . . . . . . 1443C Euler (FDP) 1444C Dr. von Merkatz (DP) 1445A Dr. Arndt (SPD) 1445C Dr. von Brentano (CDU) . . . 1446D Löbe (SPD) 1447C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine vorübergehende Erweiterung der Geschäfte der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbranken (Drucksache Nr. 545) 1454C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der BP betr. Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der Geschäftsordnung (Drucksachen Nr. 495 und 184) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 476) 1454C Gengler (CDU), Berichterstatter . 1454D Sassnick (SPD), Berichterstatter . 1455B Ritzel (SPD), Antragsteller 1455D, 1459A Dr. Seelos (BP) 1456D Dr. Schäfer (FDP) 1457A Dr. Horlacher (CSU) 1457C Dr. Reismann (Z) 1458A Euler (FDP) . . . . . . . . 1458C Kiesinger (CDU) . . . . . . . 1458D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität auf Änderung des § 104 der vorläufigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache Nr. 528) . 1459B Ritzel (SPD), Berichterstatter 1459C Dr. Miessner (DRP) 1460A Löbe (SPD) 1460B Dr. Oellers (FDP) 1460C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens über den Antrag der Abgeordneten Dr. von Brentano und Genossen betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (Drucksachen Nr. 529 und 104) . . . . 1460D Pohle (SPD), Berichterstatter . . . 1460D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmelde- wesen über den Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betr. Befreiung von Rundfunkgebühren für Erwerbslose (Drucksachen Nr. 509 und 205) . . . 1461B Lange (SPD), Berichterstatter . . 1461B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betr. landwirtschaftliches Pachtwesen (Drucksachen Nr. 535 und 230) 1462A Frey (CDU), Berichterstatter . . 1462A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der BP betr. Stromlieferung (Drucksachen Nr. 547 und 226) 1462C, 1468B Etzel (CDU), Berichterstatter 1468C Dr. Decker (BP) . . . . . . . 1469C Stücklen (CSU) 1469D Wönner (SPD) 1470B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Gefallenenliste ehemaliger deutscher Wehrmachtsangehöriger (Drucksache Nr. 480) 1462C Renner (KPD), Antragsteller . . 1462D Dr. Ehlers (CDU) . 1464B, 1468B Ewers (DP) 1466A Mende (FDP) 1466B Pohle (SPD) . . . 1467C Übersicht über die vom Ausschuß für Petitionen erledigten Eingaben (Drucksache Nr. 548) 1470C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 615) . . . . . . . 1470D Nächste Sitzung 1470D Die Sitzung wird um 13 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Meiner Fraktion kam es, als wir diesen Antrag überlegten, darauf an, Klarheit zu schaffen über die tatsächlichen Verluste an Menschenleben, die dem deutschen Volke durch diesen verbrecherischen Hitlerkrieg an der Front entstanden sind. Über diese Zahl gibt es keine Klarheit, ebensowenig wie es Klarheit darüber gibt, wieviel Personen als ehemalige Angehörige der deutschen Wehrmacht sich zur Zeit noch in Kriegsgefangenschaft befinden.
    Lassen Sie mich zur letzten Frage auf etwas hinweisen. Das einzige wirklich amtliche Material über die Zahl der Kriegsgefangenen ist eine Mitteilung des Bundesministers für Arbeit, die am 1. Dezember 1949 dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses des Bundestages für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, dem Herrn Abgeordneten Leddin, zugegangen ist, aus der zu ersehen ist, daß die Länderregierungen am 1. September 1949 die Zahl der noch zu erwartenden Heimkehrer auf 244 500 geschätzt haben. Für die Zwischenzeit liegen Zahlen vor, die beweisen, daß allein aus der Sowjetunion eine weitaus größere Anzahl von Kriegsgefangenen bereits zurückgekommen ist, als das in den 244 500 zum Ausdruck kommt.
    Nun gibt es aber eine Möglichkeit, ungefähre Gewißheit über die tatsächlichen Kriegsverluste zu bekommen. Während des Krieges bestand in Berlin-Schöneberg in der Hohenstaufenstraße eine sogenannte Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegsgefallene und Kriegsverluste. Zu Beginn des Krieges gingen bei dieser Stelle sämtliche Ver-


    (Renner)

    lustmeldungen der Wehrmacht ein. Sie wurden statistisch erfaßt, täglich zu Verlustlisten zusammengestellt und in siebenfacher Ausfertigung an die übergeordneten Dienststellen weitergegeben. Über diese Vorgänge, über die Arbeitsmethoden bei dieser Dienststelle, über das Schicksal, das das dort aufgespeicherte Material erfahren hat, gibt es heute, wenn man nur will, nachprüfbare Zeugenaussagen von deutschen Personen, die ehedem in dieser Dienststelle beschäftigt waren. Man braucht nur den Willen aufzubringen, diesem Beweismaterial nachzugehen. Nun, das Herz dieser Auskunftsstelle bildete die Kartei, die einen ungeheuren Umfang hatte und um die es heute in unserem Antrag geht.
    Zu Beginn des Krieges erreichten die Verlustmeldungen diese Dienststelle regelmäßig. Ein Wandel trat erst nach der Schlacht von Stalingrad ein, als die Zeit der „erfolgreichen" Absetzbewegungen, der Frontbegradigungen, als die Periode der sogenannten Ausweichoffensiven begann. Damals steigerten sich die Verluste ins Unermeßliche, vor allen Dingen auch die Ausfälle infolge Entkräftung. Von den Soldaten, die damals von ihren Truppenteilen zurückgelassen werden mußten, ist ein außerordentlich hoher Prozentsatz nicht mehr lebend in Gefangenschaft geraten.
    Am 20. August 1943 wurde dann infolge der sich steigernden Zahl der amerikanischen Bombenangriffe auf Berlin die Dienststelle nach Thüringen verlegt, und zwar nach Meiningen und Saalfeld. Noch während des Umzuges wurde die Hohenstaufenstraße in Berlin bombardiert. Dabei sind erstmalig wertvolle Listen und andere aufschlußreiche Materialien verbrannt.

    (Zuruf rechts.)

    In Saalfeld wurde die ordnungsmäßige Kontrolle der Verluste durch das sich ständig vergrößernde Chaos an den Fronten außerordentlich erschwert. Bis Mitte des Jahres 1945 wurden ungefähr 21/2 Millionen Tote und 5 Millionen Verwundete gezählt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Verlustmeldungen nur noch sehr unvollständig nach Saalfeld gelangten. Ganze Fronttruppenteile waren vollständig aufgerieben worden; ganze Einheiten verschwanden spurlos, und die Verlustlisten der Truppen, soweit sie überhaupt weitergeleitet worden waren, fielen teilweise auf dem Weg nach Saalfeld durch Bombenangriffe oder durch andere Umstände der Vernichtung anheim. Besonders schwer waren die Verluste bei der Marine, vor allem in dem sogenannten Übersetzverkehr, festzustellen: bei den Übersetzarbeiten von der Krim nach Odessa, von Afrika nach Italien, von Leningrad nach Stettin. Niemand ist in der Lage, die Namen, ja nicht einmal die Truppenteile der auf diesen versenkten Schiffen oder Fähren ums Leben gekommenen deutschen Soldaten anzugeben. Etwas anderes tritt hinzu: Auf höheren Befehl wurde schon frühzeitig angewiesen, daß bei besonderen Anlässen die Benachrichtigung der Angehörigen Gefallener gestoppt werden müsse. Solche Anlässe waren Massenverluste, wie beispielsweise die enormen Verluste bei Stalingrad, bei Orel im August 1943, bei der Winteroffensive im Westen im Dezember 1944, der sogenannten Ardennenoffensive. Je mehr die Alliierten auf 'deutschen Boden eindrangen, desto mehr stoppten die Zugänge von Verlustmeldungen, und wurde auch die Benachrichtigung der Angehörigen erschwert.
    Vor der Besetzung Saalfelds in der Nacht vom 1 ersten auf den zweiten Osterfeiertag 1945 haben einige Offiziere und Beamte nachweisbar befehlsgemäß bei der Saalfelder Dienststelle lagernde wichtige Akten und statistisches Material und Listen verbrannt. Am 20. April 1945 wurde das deutsche Personal durch die Amerikaner aus der Dienststelle ausgewiesen. Als am 1. Juli 1945 sich die Amerikaner aus Thüringen und damit auch aus Saalfeld zurückzogen, nahmen sie mit einem Teil der Angestellten auch die gesamte Kartei mit sämtlichen Unterlagen mit sich und transportierten alles zunächst einmal nach Kassel. Im April 1945 lagen bei der Auskunftsstelle noch rund eine Million offizieller Totmeldungen von deutschen Wehrmachtsangehörigen vor, für die den Angehörigen noch keine. Benachrichtigung zugeschickt worden war. Die Amerikaner sind heute noch im Besitz dieser Kartei der ehemaligen Wehrmachtsverluste von Kriegsgefallenen. Als Beweismaterial dafür zitiere ich eine Meldung aus den letzten Tagen:
    Die französische Militärregierung in Berlin
    hat die unter ihrer Kontrolle stehende Auskunftsstelle der ehemaligen Deutschen Wehrmacht, Berlin-Halensee, Kurfürstendamm 96,
    angewiesen, alle in der französischen Fremdenlegion gefallenen ehemaligen deutschen
    Kriegsgefangenen als Tote der ehemaligen
    Wehrmacht zu registrieren. Die Angehörigen
    der ehemaligen deutschen Soldaten werden
    vom Office des Intérêts Français et des
    Affaires Consulaires, Berlin -Frohnau, EdithCawell-Straße 40/41, lediglich vom Ableben
    der Gefallenen benachrichtigt. Eine genaue
    Todesursache und Todesdatum werden nicht
    angegeben. Wie kann man, wenn diese Totenlisten, diese Kartei, wie behauptet wird, den deutschen Stellen übergeben worden ist, vor etwa drei Wochen noch eine derartige Dienstanweisung herausgeben? In dieser Kartei, von der wir reden, sind Unterlagen über den Verbleib von mindestens einer Million deutscher Soldaten enthalten. Die Amerikaner halten diese Kartei aus Gründen, die offensichtlich sind, zurück.
    Die amerikanischen Militaristen wollen uns Deutsche glauben machen, in der Sowjetunion seien heute noch Hunderttausende von Kriegsgefangenen verschwunden.

    (Zuruf rechts.)

    Richtig! Es gibt in diesem Hause, es gibt bei den Parteien in Westdeutschland auch Kräfte genug, die dieses Spiel mitmachen:

    (Lachen und Zurufe rechts.)

    Der Zweck ist offensichtlich. In uns Deutschen soll der Haß und die Empörung gegen Sowjetrußland erzeugt werden mit dem Ziel, noch einmal die deutsche Jugend willig zu machen, gegen die Sowjetunion im Interesse des amerikanischen Monopolkapitals zu marschieren.

    (Zuruf rechts.)

    Hitler hat während des Krieges dieselbe Politik betrieben. Er hat die Gefallenenziffern verheimlicht, um die Aufrechterhaltung der Kriegsbereitschaft und damit die Verlängerung des Krieges gegen die Sowjetunion psychologisch zu untermauern. Die Zurückhaltung der Kriegsgefallenenlisten und Ihre Bejahung dieser Zurückhaltung dient heute demselben Zweck.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)



    (Renner)

    Die Schaffung der nötigen Bereitschaft soll bewirken, auf den von den USA und den Imperialisten gewünschten Weltkrieg einzugehen. Das deutsche Volk soll nicht erfahren, was der letzte Weltkrieg an Blutopfern gekostet hat. Darum ist auch unsere Regierung interessiert, die Angehörigen der Gefallenen in Ungewißheit zu erhalten. Diese Taktik nämlich soll ihr helfen,

    (Zuruf rechts: Unerhört! — Große Unruhe) heute ihre Remilitarisierungspläne vorwärtszutreiben — —(Schluß-Rufe rechts. — Unruhe.)

    — Sie bestreiten das Vorliegen der Remilitarisierungspläne?

    (Lebhafte Rufe rechts: Ja!)

    — Dann lassen Sie sich einmal von Herrn Dr. Konrad Adenauer erklären, was seine Unterredungen mit den Generälen von gestern zum Ziele haben.

    (Unerhört! und Schluß-Rufe rechts. — Unruhe.)

    Wir verlangen von dieser Adenauer-Regierung nicht mehr und nicht weniger, als daß sie bei der Hohen Kommission vorstellig wird, um die Herausgabe dieser Kriegsgefallenenlisten zu erzwingen.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Wir sind der Meinung, daß mit der Veröffentlichung dieser Listen, die vorhanden sind, den Angehörigen dieser Gefallenen viel Leid und viel Schmerz . erspart werden könnte, indem man ihnen Gewißheit über das Ergehen ihrer Angehörigen gibt. Wir sind der Auffassung, daß die Erkämpfung der Freigabe dieser Listen im deutschen Interesse liegt und daß das deutsche Volk ein Anrecht darauf hat, daß die Listen freigegeben werden. Sollten Sie anderer Meinung sein, dann steht hinter dieser Ihrer anderen Meinung die Ursache, die ich hier klar zum Ausdruck gebracht habe:

    (Pfui -Rufe und Unruhe in der Mitte und rechts.)

    Sie wollen diese Ungewißheit, weil Sie im Schatten dieser Ungewißheit Ihre Kriegspläne besser vorwärtstreiben können.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Wir kommen jetzt zur Aussprache. Der Ältestenrat hat für die Aussprache insgesamt eine Redezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme Ihre Zustimmung zu dieser Regelung an.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehlers.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Ehlers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus hat zu dieser Frage schon wiederholt Stellung genommen.

    (Abg. Renner: Bisher nicht ein einziges Mal!)

    — Herr Renner, ich habe mir das Protokoll vom 27. Januar 1950 vorgenommen, in . welchem Sie ausführen, es sei nötig, daß diese Frage aus der Atmosphäre der Hetze herausgenommen und langsam einer sachlichen Behandlung zugeführt werde. Ich kann mir diese Ihre Meinung, die Sie am 27. Januar vertreten haben, nur zu eigen machen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    In dem Antrag der Kommunistischen Partei geht es vordergründig um das Material, das nach der Drucksache Nr. 480 von den amerikanischen
    Truppen erbeutet worden ist. Ich bin darüber unterrichtet, daß der Herr Innenminister, wenn er nicht durch eine Landtagssitzung in Düsseldorf abgehalten worden wäre, hierzu eine Erklärung abgegeben hätte.

    (Lachen bei der KPD.)

    Diese Erklärung, Herr Renner, würde nach meiner Kenntnis beinhaltet haben, daß nach den uns vorliegenden Unterlagen solche zunächst allerdings von den Amerikanern erbeuteten Unterlagen nach der Räumung Thüringens an die Sowjetunion, an die sowjetrussischen Truppen herausgegeben worden sind.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien. Lachen bei der KPD. — Abg. Renner: Das ist neu!)

    — Das ist allerdings neu, Herr Renner, und beleuchtet das, was Sie vorgetragen haben, eindeutig.

    (Zuruf von der KPD: Sie haben es nötig, die amerikanischen Interessen zu verteidigen!)

    Ich möchte noch darauf hinweisen, daß es mir
    — und vielleicht nicht mir allein — auffällig gewesen ist, daß in dieser doch immerhin hochbedeutsamen Frage Herr Kollege Renner, der ja durchaus über die Möglichkeit der freien Rede verfügt, sich in einer erstaunlichen Weise an sein Manuskript gehalten hat.

    (Zuruf von der Mitte: Woher kommt das?)

    — Woher das kommt, frage ich mich auch.
    Ich glaube, 'daß hier Dinge zur Debatte stehen, die nach verschiedenen Seiten ein Gewicht haben. Ich weise einmal auf das hin, was ich über dieses Karteimaterial gesagt habe. Ich kann nur den Wunsch der KPD unterstreichen, daß wir möglichst bald in die Lage versetzt werden, von diesem Karteimaterial ausreichenden Gebrauch zu machen. Leider ist uns das bisher nicht möglich gewesen, aus Gründen, die uns allen bekannt sind.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Das zweite, was in der Drucksache Nr. 480 steht, ist der Wunsch nach einem Auftrag an die Bundesregierung, bei dem Hohen Kommissar der Regierung Frankreichs ' Unterlagen über die Zahl der ehemaligen deutschen .Kriegsgefangenen anzufordern, die in die Fremdenlegion übergeführt worden sind

    (Zuruf von der KPD: Gepreßt worden sind!)

    und auf den Schlachtfeldern Indochinas Leben und
    Gesundheit gelassen haben. Ich glaube, es besteht in diesem Hause Einmütigkeit darüber, daß
    dieser Ausfluß deutscher Not und 'diese Nachwirkung der Kriegsereignisse, ,die, wie wir gestern
    in der Zeitung gelesen haben, dazu führt, daß
    sich täglich 50 heimatlose deutsche Jugendliche bei
    der Fremdenlegion melden, ein Zustand ist, — --

    (Abg. Renner: Woher wissen Sie das?)

    — Das habe ich in der Zeitung gelesen, und ich bin der Meinung, Herr Renner, daß manchmal das, was in der Zeitung steht, zutreffend ist.

    (Zuruf von der KPD: Unsere Regierung weiß es komischerweise nicht!)

    — Doch, die lesen auch Zeitung, Herr Renner.
    — Diese Tatsache ist außerordentlich bedauerlich, und wir empfinden die Not, die darin liegt, schwer.


    (Dr. Ehlers)

    Ich bin darüber unterrichtet, daß der Herr Bundesinnenminister, wenn er dazu Stellung genommen hätte, darauf hingewiesen hätte, daß die französische Regierung über die im Dienst der Fremdenlegion gefallenen Deutschen ausreichend und beschleunigt Auskunft gegeben hat und daß ein Antrag der Bundesregierung an die Hohen Kommissare in dieser Richtung nicht erforderlich ist.
    Da ich somit der Auffassung bin, daß der Inhalt der Drucksache Nr. 480 sachlich erledigt ist, kann ich nur beantragen, über diese Drucksache zur Tagesordnung überzugehen.

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der KPD: Sehr billiges Argument!)

    Ich möchte aber noch etwas anderes hinzufügen. Ich habe davon gesprochen, daß diese Angelegenheit zwei Seiten hat. In dem gleichen Augenblick, in dem dieser Antrag gestellt wird und der Versuch gemacht wird, den Alliierten oder der deutschen Bundesregierung, die sich nicht hinreichend darum bemüht habe. die Schuld für die Ungewißheit über das Schicksal unzähliger deutscher Kriegsgefangener zuzumessen. werden wir darüber unterrichtet, daß sehr zahlreiche deutsche Kriegsgefangene, die sich heute noch in russischer Kriegsgefangenschaft befinden, in einer Weise behandelt werden, die allerdings unsere Aufmerksamkeit in stärkster Weise verlangt.

    (Abg. Renner: Woher wissen Sie denn das?)

    - Darüber, Herr Renner, habe ich mir vorliegende Berichte von Leuten. die merkwürdigerweise und glücklicherweise den Möglichkeiten dieser Verurteilung haben entgehen können.

    (Abg. Renner: Die Regierung weiß davon nichts, sie ist dümmer; das werde ich gleich beweisen!)

    — Darauf warte ich, Herr Renner. — Ich darf nur darauf hinweisen, daß mir neben anderen ausführlichen Berichten ein Bericht vorliegt, ,der eine große Zahl deutscher Soldaten betrifft. die von der Heeresgruppe Kurland in russische Gefangenschaft geraten sind. Ich entnehme diesem Bericht, daß von September —Oktober 1949 an in ständig steigendem Maße deutsche Soldaten und Offiziere, besonders solche, die sich in irgendwelchen maßgeblichen Positionen befunden haben, russischen Verfahren unterworfen worden sind: die durchaus mit dem korrespondieren, was wir im eigenen Land an Gewaltmaßnahmen und Rechtlosigkeit erfahren haben.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Man nimmt zur Kenntnis, daß steigend mit dem Herannahen des Termins der zugesagten endgültigen Entlassung deutscher Kriegsgefangener russische Kommissionen Vernehmungen in einem Lager mit einem Personal von 40 Mann. soweit es sichtbar wurde, durchgeführt haben. Diese Vernehmungen wurden zu irgendwelchen Anklagen verdichtet, dann wurden ganz summarisch etwa 30 deutsche Soldaten vor ein Tribunal geladen. formell zur Sache vernommen und wieder hinausgeschickt. Dann fand die nächste Einvernahme statt, und nachdem das geschehen war, wurde ohne weiteres .ein Urteil verkündet. das im Zweifel auf 25 Jahre Zwangsarbeit lautete.

    (Zuruf von der KPD: Das ist ein Roman! — Zurufe rechts: Unerhört!)

    — Herr Renner, über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit solcher „Romane" werden wir uns vielleicht noch einmal unterhalten.

    (Abg. Renner: Nennen Sie die Personen!)

    — Im Augenblick liegen Berichte vor von Männern, die diese Dinge miterlebt und mitgemacht haben.

    (Abg. Renner: Die bleiben anonym!)

    — Es ist die billigste Methode, alles das, was Ihnen nicht paßt, als Lüge abzutun.

    (Abg. Renner: Die beiden „Kriegsgefangenen", die wir hier erlebt haben!)

    Ich weise auf diese Dinge hin , mein Damen und Herren. Unserem Volke muß wirklich zur Kenntnis kommen, daß die Gefangenen dieser Lager in Zellen in Untersuchungshaft gebracht wurden. Ich habe die Beschreibung einer solchen Zelle, in der der Mann, der sie beschreibt, selbst gesessen hat. Es war ein Raum von 30 qm mit einem Fenster, und in diesem Raum waren 20 bis 30 Häftlinge untergebracht. Der Raum hatte einen Tisch und Sitzgelegenheiten für acht Personen und einen Eimer. Ich brauche nicht weiter auszumalen, wie es in diesem Raum ausgesehen hat.

    (Zuruf rechts: Da hört das Lachen auf. — Zurufe von der KPD.)

    Ich bringe einen Bericht aus einem ganz bestimmten Lager nach dem letzten Abtransport, aus einem Lager mit einer Nummer über 7000. Das läßt ja darauf schließen, daß es nicht wenige solcher Lager gibt. Nach dem letzten Heimtransport am 22. Dezember 1949 befanden sich dort noch 550 Soldaten, davon 450 in einer Sonderverwahrung, in Untersuchungshaft. 100 noch in der Gefangenschaft, wenn man das so nennen I darf, auf freiem Fuß. Diese Soldaten werden verurteilt auf Grund irgendwelcher Bestimmungen des russischen Strafgesetzbuches, das sie nicht kennen und gegen das sie sich praktisch nicht wehren können. Nach einem mir besonders zugegangenen Bericht ist in einem belegten Fall ein Regimentskommandeur deswegen verurteilt worden, weil er einer Division angehörte, die sich in einem bestimmten Gebiet befunden hat, von dem behauptet wird, daß dort Gewalttaten vorgekommen seien; dieses Gebiet hat die Größe von zwei Provinzen.
    Angesichts dieser Tatsachen sind wir der Meinung, daß es sich in gar keinem Fall darum handelt, etwa tatsächlich vorgekommene Verbrechen oder Gewalttaten zu ahnden, sondern darum, eine ganz wesentliche, sicher in die Hunderttausend gehende Zahl von deutschen Kriegsgefangenen aus politischen Gründen unschädlich zu machen.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Das sind meines Erachtens die Fragen, die das deutsche Volk heute interessieren.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Das sind die Dinge, die wir vor dem Weltgewissen aussprechen müssen.


    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.) Wenn ich nicht wüßte, daß die Bundesregierung in Fühlung mit den Hohen Kommissaren steht, um den Versuch zu machen,


    (Abg. Rische: Steht sie immer!)

    durch Einflußnahme auf die Regierungen, die die
    Hohen Kommissare entsenden, eine Einwirkung


    (Dr. Ehlers) auf die Sowjetunion zu erreichen, damit sie die über die Behandlung von Kriegsgefangenen getroffenen alliierten Abmachungen innehält, wenn ich nicht ebenfalls wüßte, daß die Bundesregierung sich darum bemüht, die Mitgliedstaaten der Genfer Konvention, zu denen ja neuerdings auch. Rußland gehört, zu einem Eingreifen zu veranlassen, dann würde ich das zu einem besonderen Antrag erheben. Mir ist bekannt, daß die Bundesregierung diese Bemühungen aufgenommen hat. Wir müssen wünschen, daß diese Bemühungen zu einem Erfolge führen, damit nicht Zehntausende und Hunderttausende deutscher Männer, die einem solchen aller Gerechtigkeit hohnsprechenden Verfahren unterworfen und für ein Vierteljahrhundert größtenteils in Zwangsarbeit gebracht wurden, auf diese Weise fünf Jahre nach Kriegsende praktisch ermordet werden.


    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Bei dieser Beurteilung der Lage und unter diesen Gesichtspunkten beantrage ich, über den Antrag der Kommunistischen Partei zur Tagesordnung überzugehen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)