Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren, vorweg zu dem Antrag auf namentliche Abstimmung: ich glaube, das ist eine Übertreibung. Denn es sind vermutlich nicht sehr viele Mitglieder dieses Hauses, die geneigt sind, mit der Emphase für die Aufrechterhaltung der geheimen Abstimmung einzutreten, wie sie aufgewandt worden ist, um die Beseitigung dieser Einrichtung zu begründen.
In Wirklichkeit sind die Gegensätze gering. Im Grunde genommen sind wir uns völlig einig, daß wir von dieser Einrichtung keinen Gebrauch machen. Ob man diese Bestimmung aufhebt, oder ob man von ihr einfach keinen Gebrauch macht,
indem man keine Mehrheit in diesem Hause für eine geheime Abstimmung findet, kommt auf dasselbe hinaus.
Nun, meine Damen und Herren, da Sie sich so freuen, will ich noch ein wenig Ihr Gedächtnis unterstützen. Der Herr Kollege Ritzel hat nämlich immer vom 3. November gesprochen und so getan, als sei die Einrichtung der geheimen Abstimmung damals im deutschen Parlament erstmalig erfunden worden.
In Wirklichkeit ist die Sache ganz anders: erstmalig ist die Sache erfunden worden bei der Abstimmung über den Bundessitz im Parlamentarischen Rat, und damals war es die SPD, die den Antrag gestellt hat,
die Abstimmung über den Bundessitz in der Form einer geheimen Abstimmung zu machen.
Dann, meine Damen und Herren, darf ich zum zweiten daran erinnern: als es hier darum ging, zu beschließen, daß ein Ausschuß in diesem Hause sich nochmal mit der Bundessitzfrage beschäftigen solle -- also bei der Abstimmung über die Überweisung an den Ausschuß —, wurde sogar eine geheime Abstimmung beantragt, und auch wieder von seiten der SPD!
Also, meine Damen und Herren, warum sind Sie so schrecklich bescheiden, nun, sagen wir einmal, das Recht der Priorität auf dem Gebiete der Erfindung geheimer Abstimmungen so weit von sich zu weisen?