Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die SPD für die Regelung des Heimarbeiterschutzes ist, dürfte dem Hohen Hause noch aus dem Antrag der SPD, der bereits im September des vorigen Jahres gestellt wurde und in dem die SPD die Bundesregierung ersucht hat, beschleunigt ein Heimarbeiterschutzgesetz vorzulegen, bekannt sein. Diesem Antrag haben Sie zugestimmt. Dieser Antrag ist bis jetzt von der Bundesregierung leider noch nicht erfüllt worden. Nach meiner Meinung wäre dies sehr wohl möglich gewesen, da ein Heimarbeitsschutzgesetz, wie auch Herr Kollege Dr. Wellhausen und Herr Kollege Sabel und andere erwähnt haben, bereits im Wirtschaftsrat einmütig verabschiedet worden war. Das Gesetz ist nur deshalb nicht in Kraft getreten, weil die Militärregierungen ihre Zustimmungen nicht gegeben haben. Dieses Heimarbeitsschutzgesetz hat aber unmittelbar mit dem Gesetz zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen nichts zu tun.
Es hat in erster Linie die Aufgabe, die in der Heimarbeit tätigen Ärmsten der Armen zu schützen, Bestimmungen zu schaffen, daß die allgemeinen und besonderen Arbeitsschutzbestimmungen der Gewerbeordnung usw. auch für die Heimarbeit in Betracht kommen. Das ist maßgebend sowohl für die Kinderarbeit wie für die Arbeitszeit, wie für die Frage der Feiertags- und Sonntagsarbeit und derartiges mehr. Hier handelt es sich in erster Linie darum, daß für an sich wirtschaftlich schwache und gewerkschaftlich schwer zu betreuende Arbeitnehmergruppen oder ihnen gleichzusetzende Personengruppen Möglichkeiten geschaffen werden, nach denen ihre Arbeitsbedingungen und ihr Arbeitsentgelt so gestaltet sind, daß sie ein menschenwürdiges Dasein führen können.
Daß wir für den Tarifvertrag sind, brauche ich nicht besonders zu betonen; denn in § 1 Absatz 1 unseres Antrages wird dieser Grundsatz ausdrücklich klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Der Herr Kollege Dr. Wellhausen kann auch mit seiner Kritik an § 1 Absatz 2 beruhigt sein. Denn wenn es so sein sollte, daß eine Gewerkschaft oder ein Arbeitgeberverband oder ein Arbeitgeber einfach nicht wollte und deshalb ein Tarifvertrag zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht zustande kommen würde, ist es meiner Ansicht nach irrig anzunehmen, daß dann schon Mindestarbeitsbedingungen durch dieses Gesetz entstehen können. Denn nach § 2 Absatz 2 bedarf es ja erst der Zustimmung des Hauptausschusses, ob Mindestarbeitsbedingungen für die betreffende Gruppe von Arbeitnehmern oder sonstige Personen in Betracht kommen oder nicht. Wenn der Hauptausschuß, der ja paritätisch aus Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen — an dessen Spitze ein vom Bundesarbeitsminister bestellter Unparteiischer steht — zusammengesetzt ist, nicht zustimmt, also keine Mehrheit sich dafür findet, kann ein Erlaß von Mindestarbeitsbedingungen überhaupt nicht erfolgen. Meiner Auffassung nach würde es der Hauptausschuß sicherlich ablehnen, wenn auf der einen oder auf der anderen Seite bewußtes Verhindern einer tarifvertraglichen Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen vorliegen würde. Wir können auch das Tarifvertragsgesetz für diese Gruppe von Arbeitnehmern nicht anwenden, weil die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer tarifvertraglichen Regelung nicht gegeben sind, das heißt die Anwendung eines Tarifvertrages auch auf die Außenseiter nicht möglich ist.
1 Wir müssen uns weiter darüber klar sein, daß es sich hier um die Schaffung von Mindestrecht handelt. Aber ich teile nicht die Befürchtung meines verehrten Kollegen Sabel, daß nur dieses Mindestrecht in der Praxis angewandt wird, das heißt, daß bessere Lohn- und sonstige Arbeitsbedingungen nicht möglich wären. Es kann so sein, aber es muß und es braucht nicht so zu sein. Wir wollen in erster Linie damit doch erreichen, daß dieses Mindestrecht ein soziales Recht ist, das als Mindestrecht angesehen und angesprochen werden muß und für all die Menschen. die zu diesen Arbeitnehmergruppen gehören, ein soziales Existenzminimum garantiert.
Aus diesen Erwägungen haben sich auch die Gewerkschaften positiv zu diesem Gesetz geäußert, und der Gewerkschaftsrat hat bereits unter dem 4. Juni 1949 geschrieben — Herr Präsident, ich darf den Absatz vorlesen —:
Der Gewerkschaftsrat hält es für dringend geboten, daß der Wirtschaftsrat vor der Beendigung seiner Tätigkeit noch ein Gesetz über die Regelung von Mindestarbeitsbedingungen beschließt.
Die Gewerkschaften stehen auch heute noch auf diesem Standpunkt.
Auch die Arbeitsminister der Länder haben in ihrer Sitzung vom 4. September 1949 den Beschluß gefaßt, in ihrer Aufstellung der Sofortgesetze nicht nur das Heimarbeitsschutzgesetz, sondern unter Nr. 11 auch ein Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen anzuführen. Sie sehen, nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch die Arbeitsminister aller Länder, die seit 1945 die Sozialpolitik zu betreuen haben, sind dieser Auffassung.
Aber auch das Internationale Arbeitsamt in Genf hat bereits in seiner 11. Tagung vom 30. Mai bis zum 16. Juni 1928 den Entwurf eines Übereinkommens Nr. 26 über die Einrichtung von Verfahren zur Festsetzung von Mindestlöhnen geschaffen. Dort heißt es in Artikel 1:
Jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, Verfahren einzurichten oder beizubehalten, die es gestatten, Mindestlöhne für die Arbeitnehmer in gewissen Gewerben oder Teilen von Gewerben festzusetzen, in denen keine wirksamen Einrichtungen für Festlegung der Löhne, sei es durch Gesamtarbeitsvertrag
-- das heißt Tarifvertrag —
oder auf anderem Wege,. bestehen und in denen die Löhne außergewöhnlich niedrig sind. Ich glaube, Sie sind mit mit der Meinung, daß wir alles daranzusetzen haben, um in dieser internationalen fortschrittlichen Organisation, wie sie das Internationale Arbeitsamt unbestreitbar ist, wieder Mitglied zu werden und wieder aktiv mitarbeiten zu können. Daraus ergibt sich aber auch die Verpflichtung, daß wir ein Übereinkommen, das in einer Zeit abgeschlossen wurde, als wir Mitglied waren, im Jahre 1928, wahrscheinlich mit den Stimmen unserer dortigen Vertreter der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und der Regierung, jetzt auch realisieren.
Ich bitte Sie deshalb, nicht nur den Antrag mit all dem Wenn und Aber, das — verzeihen Sie mir -- meine verehrten Herren Vorredner der verschiedenen Parteien hatten, dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen, sondern sich positiv hinter diese soziale Maßnahme zu stellen, die der Hebung des Niveaus der Ärmsten der Armen unter den Arbeitnehmern dient.