Rede:
ID0104302600

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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
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    Deutscher Bundestag — 43. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. März 1950 1431 43. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 1. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1432B, 1470D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten (Drucksache Nr. 522) . 1432C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Drucksache Nr. 525) . . 1432D, 1449A Ludwig (SPD), Antragsteller . . 1449A Sabel (CDU) 1450A Dr. Wellhausen (FDP) . . . . 1451A Dr. Etzel (BP) . . . . . . . 1452B Agatz (KPD) 1452D Walter (DP) 1453A Richter (Frankfurt) (SPD) . . . 1453B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts (Drucksache Nr. 530) . . 1432D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 1432D, 1447D Zinn (SPD) , 1440C Renner (KPD) . 1441B von Thadden (DRP) 1443A Dr. Schmid (SPD) . . . . . . 1443C Euler (FDP) 1444C Dr. von Merkatz (DP) 1445A Dr. Arndt (SPD) 1445C Dr. von Brentano (CDU) . . . 1446D Löbe (SPD) 1447C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine vorübergehende Erweiterung der Geschäfte der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbranken (Drucksache Nr. 545) 1454C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der BP betr. Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der Geschäftsordnung (Drucksachen Nr. 495 und 184) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 476) 1454C Gengler (CDU), Berichterstatter . 1454D Sassnick (SPD), Berichterstatter . 1455B Ritzel (SPD), Antragsteller 1455D, 1459A Dr. Seelos (BP) 1456D Dr. Schäfer (FDP) 1457A Dr. Horlacher (CSU) 1457C Dr. Reismann (Z) 1458A Euler (FDP) . . . . . . . . 1458C Kiesinger (CDU) . . . . . . . 1458D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität auf Änderung des § 104 der vorläufigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache Nr. 528) . 1459B Ritzel (SPD), Berichterstatter 1459C Dr. Miessner (DRP) 1460A Löbe (SPD) 1460B Dr. Oellers (FDP) 1460C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens über den Antrag der Abgeordneten Dr. von Brentano und Genossen betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (Drucksachen Nr. 529 und 104) . . . . 1460D Pohle (SPD), Berichterstatter . . . 1460D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmelde- wesen über den Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betr. Befreiung von Rundfunkgebühren für Erwerbslose (Drucksachen Nr. 509 und 205) . . . 1461B Lange (SPD), Berichterstatter . . 1461B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betr. landwirtschaftliches Pachtwesen (Drucksachen Nr. 535 und 230) 1462A Frey (CDU), Berichterstatter . . 1462A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der BP betr. Stromlieferung (Drucksachen Nr. 547 und 226) 1462C, 1468B Etzel (CDU), Berichterstatter 1468C Dr. Decker (BP) . . . . . . . 1469C Stücklen (CSU) 1469D Wönner (SPD) 1470B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Gefallenenliste ehemaliger deutscher Wehrmachtsangehöriger (Drucksache Nr. 480) 1462C Renner (KPD), Antragsteller . . 1462D Dr. Ehlers (CDU) . 1464B, 1468B Ewers (DP) 1466A Mende (FDP) 1466B Pohle (SPD) . . . 1467C Übersicht über die vom Ausschuß für Petitionen erledigten Eingaben (Drucksache Nr. 548) 1470C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 615) . . . . . . . 1470D Nächste Sitzung 1470D Die Sitzung wird um 13 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Wenn man von Justizkrise spricht, meint man damit nicht etwa, daß unsere deutschen Richter käuflich wären, daß sie in Prozessen zwischen Meier und Schulze nicht unparteiisch entscheiden. Man meint damit nicht, daß unsere Richter etwa nicht genügend juristische Kenntnisse hätten, um gutes Recht zu sprechen. Man meint damit etwas anderes. Man versteht darunter, daß unsere Richter nicht immer dem Anliegen, das das Volk als Träger unseres Gemeinwesens an die Rechtsprechung stellen darf, gerecht werden. In vielen Fällen geschieht es; aber in einer Reihe von sehr sichtbaren Fällen ist es nicht geschehen.
    Das Pathos des Richteramtes wird nicht dort in Anspruch genommen, wo sich gleichgültige Leute vor der Richterbank um ihr Recht streiten. Das Pathos des Richteramtes wird dort in Anspruch genommen, wo „Richtersein" zu einer gefährlichen Sache wird, dort also, wo der Richter den Schwachen gegen den Übermächtigen zu schützen hat, dort, wo er sich mit seinem Urteil gegen den Druck der Straße zu stemmen hat. Ja, Herr von Thadden!
    Aber der Druck der Straße nimmt in dieser Zeit mannigfache Gestalt an. In Neumünster oben war es nicht der Druck der Straße von irgendwoher, sondern der Druck der Straße von Neumünster, der auf das Gericht gewirkt hat!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das Pathos des Richteramtes wird auch dort in Anspruch genommen, wo sich der Richter gegen die gängigen Meinungen seiner Standesgenossen stellen muß, wenn wirklich Recht gesprochen werden soll, dort, wo er unter Umständen riskieren muß, gesellschaftlich boykottiert zu werden,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    wenn er eine bestimmte Stellung einnimmt. Und auch hier weist die jüngste Vergangenheit leider Gottes einige böse Beispiel auf.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In dem Wort Justizkrise ist noch ein weiterer Vorwurf beinhaltet, nämlich der, daß viele Richter dem Geist der Zeit -- ich meine das nicht im banalen Sinne, sondern in dem tiefen Sinn, in dem Hölderlin von „Zeitgeist" spricht -- dem Geist der Zeit gegenüber nicht genügend „offen" sind, daß sie sich zu sehr in ihren Wertungen von Tafeln bestimmen lassen, die in ihrer Jugend vielleicht „Geist der Zeit" gewesen sein mögen, die es aber heute nicht mehr sind. Das alles beinhaltet der Vorwurf, daß es eine Justizkrise gebe.


    (Dr. Schmid)

    Ich glaube, meine Damen und Herren, daß man diese Dinge schon sehr ernst nehmen sollte. Denn es geht dabei um mehr als um die Frage, ob eine Säule unseres Staatsapparates auch integer ist oder nicht. Es geht dabei vielmehr um Charakter und Wesen unseres neuen Staates selbst!
    Man kann schlechterdings die Rechtsprechung in diesem, Lande nicht Menschen anvertrauen, die zu dieser unserer deutschen Republik keine positive Einstellung haben!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es genügt nicht, neutral in Gänsefüßchen zu sein; so einer ist weder Fisch noch Fleisch. Ein Richter muß schon an die humanen, moralischen und politischen Werte glauben, die in unserem Grundgesetz einen gesetzgeberischen Ausdruck gefunden haben,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    sonst gehört er nicht auf die Richterbank!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Leider Gottes findet man aber da und dort noch — oder wieder? — Richter, die ganz anders sind, als wir es wünschen müssen. Man findet bei sehr vielen von ihnen noch etwas, was ich die deutschnationalen Eierschalen nennen möchte, sehr vieles noch, was Residuum aus der Wilhelminischen Zeit ist, und man findet auch noch viel, was aus den Konventsreden auf den Stiftungsfesten stammt.
    Ich glaube, daß das Problem des deutschen Richters im wesentlichen eine Erziehungsfrage ist. Ich fürchte, daß wir viel zuviele Richter haben. Wahrscheinlich ist ein Volk von 45 Millionen nicht imstande, in solcher Zahl Menschen zu produzieren, die alle Voraussetzungen erfüllen, die erfüllt sein müssen, wenn einer Recht sprechen soll.
    In unserem Richterkorps wie auch an anderen Stellen unseres öffentlichen Lebens — es bildet da keine Ausnahme nach unten! — findet sich bei sehr viel gutem Willen und bei vieler ausgezeichneter fachlicher Tüchtigkeit leider noch viel Subalternität, und so glaube ich, daß das Problem des Richters im wesentlichen ein Bildungsproblem ist. Der deutsche Richter hatte in der Welt -- und mit Recht — einmal einen hohen Ruf. Ich denke nicht nur an den Richter, an den der Müller von Sanssouci appelliert hat. Ich denke auch an dieses großartige Parlament, das es einmal im Königreich Preußen gab und das man einst ein bißchen verächtlich das Kreisrichterparlament genannt hat. Dort saßen wirklich Männer, die wußten, was es heißt, Richter zu sein, Männer, die wußten, daß es in erster Linie heißt, Rückgrat zu zeigen -Rückgrat zu zeigen überall dort, wo einer versucht, es mit der Gewalt zu probieren, überall dort, wo man versucht, an die Stelle des Urteilens das Vorurteil, das Privileg oder die Stumpfheit des Pöbelsinns zu stellen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Aber wie bei so manchem andern hat es auch dort ein Dekrescendo gegeben. An die Stelle des großen Geistes dieser Zeit ist der kleine Geist des Wilhelminismus getreten, und von ihm, von seinem Mangel an echtem Gefühl, an echter Humanität, an edler Bildung sind viele Richter unserer Zeit leider Gottes noch zu sehr bestimmt. Ich sage nicht: alle; ich sage auch nicht: die Mehrheit. Wer könnte hier mit Ziffern operieren?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber es gibt bei uns in Deutschland einen bestimmten Typus von Richtern, der durch den Wilhelminismus von vorgestern, gestern und heute leider Gottes sein Gepräge erhalten hat.
    Und dann glaube ich, daß die Diskussion des Richterproblems letzten Endes — es kann heute hier nicht geschehen; ich weiß es — einmünden müßte in eine Diskussion des Problems des deutschen Erziehungswesens, dessen große Gegenwartsaufgabe doch ist, uns endlich, endlich von den Residuen des Wilhelminismus zu befreien.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich pflichte dem Herrn Kollegen Schmid völlig darin bei, daß die Aufgabe der Heranbildung eines Richtertums, das erfüllt ist von dem Geiste des demokratischen Rechtsstaates und das erfüllt ist von dem Willen, diesen demokratischen Rechtsstaat zu schützen, im wesentlichen ein Problem der Erziehung und der Bildung dieses Richtertums ist.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Und, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wenn Sie dieses Problem immer so aufgefaßt und in dem Geist darüber gesprochen hätten, wie dies eben Herr Kollege Schmid hier tat, so hätten Sie sich über manche Fehlentwicklung im deutschen Richtertum während der Zwanziger Jahre nicht zu beklagen brauchen. Denn seien Sie doch nicht blind dagegen, daß Sie viele Richter in eine falsche Richtung hineingetrieben haben

    (Aha! bei der SPD)

    — jawohl, aus einem hervorgerufenen Trotz gegen 1 eine Agitation,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    von der diese Richter sich persönlich nicht getroffen fühlten,

    (Zurufe links: Schöne Richter!)

    von der sie sich aber als Stand zu Unrecht getroffen fühlten.

    (Abg. Dr. Schmid: Sie verwechseln Ursache und Wirkung!)

    Sie haben Ausnahmen allzusehr verallgemeinert, und Sie haben ihnen ein propagandistisches Gewicht gegeben, das Fehlentwicklungen zur Folge hatte, die wir alle im Interesse der Gemeinschaft aufs tiefste zu bedauern hatten.

    (Abg. Dr. Schmid: Angefangen hat es anders!) Und, meine Damen und Herren, gerade auf dieser Linie lag ja jetzt, neulich, Ihre Reaktion auf das Hedler-Urteil, noch ehe irgend etwas Zuverlässiges bekannt war,


    (Zuruf links: Das ist nicht wahr!)

    über die begründenden Ausführungen des Richters bekannt war.

    (Abg. Dr. Greve: Das ist nicht wahr! Das ist eine Unterstellung, Herr Euler! Ich habe Ihnen neulich schon gesagt: Sie operieren dauernd mit Unterstellungen! Unruhe.)