Rede von
Dr.
Thomas
Dehler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich will mich sehr kurz fassen und Ihnen im Rahmen der augenblicklichen Lage der deutschen Justiz die Bedeutung dieses Falles dartun.
Also: Anklageerhebung im wesentlichen auf Grund der Angaben dieses Abgeordneten. Dann die Verhandlung, in der — das darf man wohl feststellen,
und das wird auch der Herr Abgeordnete Greve nicht bestreiten — eine Fülle von Zeugen vernommen wurden und versucht. wurde, ein gerechtes Urteil zu finden.
Die Verhandlung vor diesem Gericht, das als Strafkammer zusammengesetzt war aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen, ergibt zumindest erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben dieses Zeugen. Auf Grund genauer Prüfung des Sachverhaltes — ich will, nachdem Revision eingelegt worden ist, wahrlich nicht in das Verfahren eingreifen — kommt das Gericht im wesentlichen zu dem Ergebnis: man kann das, was damals gesagt wurde, nicht feststellen. Der größere Teil der Zeugen, darunter auch Zeugen, die politisch gegnerisch zu dem Angeklagten eingestellt sind, bestätigen die Angaben des Belastungszeugen nicht. Das Gericht erklärt ausdrücklich: Wenn wahr wäre, was dieser Mann gesagt haben soll, wenn wahr wäre, was ihm unterstellt worden ist,
wenn diese Ungeheuerlichkeiten gegen die Juden, gegen die Widerstandskämpfer, gegen die politischen Persönlichkeiten wahr wären, dann wäre der Angeklagte einer exemplarischen Strafe zugeführt worden. Das Gericht spricht frei, im wesentlichen deshalb, weil ein Beweis nicht zu erbringen war.
Dann sollte man doch meinen, wir alle hätten Anlaß, uns zu freuen, daß diese ungeheuerlichen Dinge nicht bestätigt worden sind.
Statt dessen Angriffe, die in schärfster Weise gegen die Justiz geführt wurden!
Meine Damen und Herren, da komme ich nicht mit.
In der Welt ist auf Grund dieser damals überstürzten Mitteilungen der Eindruck entstanden, in Deutschland sei der Hitlergeist noch lebendig,
da würden die Verbrechen der Hitlerzeit verherrlicht, da sei der Neofaschismus am Werk! Ein Gericht stellt -- nach meiner Überzeugung, soweit das ein Außenstehender überhaupt sagen kann, ehrlichen Bemühens — das Gegenteil fest. In die Welt und in unser Volk dringt nicht die Überzeugung: es ist nicht wahr, was Schauerliches behauptet wurde, sondern es stürzt sich die ganze Empörung, die wohlweislich aus dem Hintergrund
gelenkt wird, auf die Richter und auf die deutsche Justiz.
Meine Damen und Herren, ich will über die Sache nicht mehr sagen,
aber das eine lassen Sie mich doch zum Ausdruck bringen: Es besteht die Gefahr, daß auf diese Weise unser Staat untergraben wird, bevor er richtig zum Entstehen gekommen ist. Unsere Demokratie wird nicht bestehen können, wenn sie nicht getragen ist von dem Vertrauen ihrer Bürger. Der Herr Bundespräsident hat als erstes Wort, das et als Staatsoberhaupt sprach, uns an die Mahnung des Psalmisten erinnert: Gerechtigkeit erhöhet ein Volk. Das ist meine Überzeugung,
und dafür will ich kämpfen, nachdem ich dieses Amt übernommen habe. Die Gerechtigkeit allein muß die tragende Idee unseres demokratischen Staates sein, der Rechtsstaat das beherrschende Ordnungsprinzip und der Richter der Träger dieser Gedanken!
Es ist nur die Idee des Rechtsstaates, die uns vom Osten scheidet.
Wir müssen das Volk lehren, den Gedanken des Rechts wieder zu lieben. Wir müssen erreichen, daß unser Volk sein Recht und seine Richter liebt und daß es bereit ist, für sein Recht zu
kämpfen. Dieser Wille wird dadurch gelähmt, daß man dem Richter die Vertrauenswürdigkeit abspricht.
Es scheint auch vielen Politikern nicht bewußt zu sein, daß es die wichtigste Aufgabe des Staates ist, dafür zu sorgen, daß jedem sein Recht wird und daß Recht geschieht — gut, es gibt manches zu wünschen —, daß aber Mißtrauen verdirbt und nur Vertrauen erzieht. Wir wollen doch den Richter schaffen, der ein Recht spricht. das unser Volk versteht und das es überzeugt. Der Weg, den wir einzuschlagen drohen, führt von diesem Ideal weg. Hier ist vieles zu tun, und deswegen spreche ich im Zusammenhang mit der Neuordnung unseres Gerichtsverfassungsrechts darüber. Niemand weiß das besser als ich, der sich nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus dieser Aufgabe verschrieben hat, den deutschen Staat zu einem Rechtsstaat zu machen, nach seinen schwa- chen Kräften mitzuwirken, daß eine saubere, eine hochwertige, eine demokratische Justiz entsteht. Ich sage mit Bewußtsein demokratische Justiz, denn da gehe ich mit Ihnen einig. Wer sich unter den Richtern nicht zu dem bekennt, was wir als Ziel in unser Grundgesetz geschrieben haben, den sozialen, den demokratischen, den republikanischen Rechtsstaat zu schaffen, der muß weichen.
Wer den demokratischen Staat nicht vorbehaltlos bejaht, hat nicht das Recht, demokratischer Richter zu sein. Ich kann Ihnen in dieser Stunde nicht mehr als das sagen: Was von mir aus möglich ist, soll geschehen und geschieht, daß die deutsche
Justiz wirklich zur Zitadelle der deutschen Demokratie wird.