Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 490 befaßt sich mit der Auslandswerbung für den Fremdenverkehr in Deutschland. Der Fremdenverkehr ist eine Existenzquelle hauptsächlicher Art für eine ganze Reihe von deutschen Gebieten, insbesondere für Bayern, Baden, Württemberg. Rheinland und die Nordseegebiete. Der Fremdenverkehr darf nicht allein vom Standpunkt des Hotel- und Gaststättengewerbes her gesehen werden. Der Fremdenverkehr ist eine Art Schlüsselgewerbe. an das eine ganze Serie, eine Vielzahl von weiteren Berufen mit ihren Existenzmöglichkeiten angehängt ist. Doch die Aussprache über den Fremdenverkehr. seine Problematik. seine Aufgaben, seinen Wiederauf bau und seine Förderung wird wohl ein andermal in einem anderen Zusammenhange stattfinden müssen. Hier handelt es sich um ein besonderes Spezialgebiet: die Werbung für den Fremdenverkehr von Ausländern in Deutschland, ein Spezialgebiet, das gerade heuer, in diesem Jahr, behandelt werden muß und als vordringlich anzusehen ist. Der Fremdenverkehr hat bei uns mehr als in jedem anderen Lande durch Krieg und Kriegsfolgen einen Zusammenbruch erlitten, von dem er sich bis heute nur in kleinen Zügen erholt hat. Die anderen Fremdenverkehrsländer Europas wie Österreich, Italien, die Schweiz, Frankreich haben längst in einem bereits weitergehenden Maße infolge der günstigeren Umstände, infolge ihrer günstigeren Lage. infolge der ihnen nicht auferlegten Beschränkungen es vermocht, ihren Fremdenverkehr wieder in Gang zu bringen. Bei uns sind besondere Erschwernisse eingetreten; Kriegszerstörungen, Besatzungsschäden. da eine Vielzahl von Betrieben, gerade in Bayern durch Besatzungsmächte und durch DPs usw. belegt worden ist — ebenso anderswo —, die Hemmnisse der Zwangswirtschaft, die Erschwerungen unseres lahmgelegten und erst langsam in Gang kommenden Verkehrswesens, nicht zu vergessen die Paßschwierigkeiten und die fast unerträglichen Einschränkungen und Hemmnisse, die heute dem Ausländer, wenn er nach Deutschland kommt, ebenso auferlegt werden wie dem Deutschen wenn er ins Ausland gehen will.
Allmählich sind diese Schranken wenigstens zum Teil wieder abgebaut worden. Mit dem Wegfall der Zwangswirtschaft ist ein Wesent-
liches zum Wiederaufbau, zur Wiederingangsetzung des Fremdenverkehrs geleistet worden. Die Verkehrswege haben sich gebessert, neue Autobuslinien sind geschaffen, die Bundesbahn verkehrt mit raschen Zügen in kurzer Folge. Die Betriebe sind verbessert worden, wenn auch gerade auf diesem Gebiet noch viel getan werden muß, insbesondere mit langfristigen Krediten zu einem nicht allzu hohen Zinsfuß, um unseren Fremdenverkehr wieder in Gang zu bringen, um das Hotel- und Gaststättengewerbe wieder konkurrenzfähig zu machen, nicht nur um ihm ein Geschenk zu machen, sondern im Interesse unserer ganzen Volkswirtschaft.
Dringend wünschenswert ist eine Paßregelung, die es nicht nur den Deutschen leichter macht, ins Ausland zu kommen, sondern die es auch den Ausländern leichter macht, wieder nach Deutschland zu kommen. Der Unfug der Fragebogen mit ihren drei Dutzend Fragen für Deutsche und für Ausländer, um heraus- oder hereinzukommen, muß endlich einmal aufhören in einem Zeitpunkt, da man von uns verlangt, daß wir uns als vollwertiges Glied in die Völkerfamilie Europas und der ganzen Welt einfügen sollen. Und gerade heuer, im Jahre der Passionsspiele, die in Oberammergau aufgeführt werden, heuer, wo im Zuge des Heiligen Jahres eine Reihe von Fremden auch von außereuropäischen Gebieten nach Europa und nach Deutschland kommt, gerade heuer ist die Notwendigkeit einer Auslandswerbung für den Fremdenverkehr besonders dringend. Heuer ist auch die Gelegenheit besonders gut, daß eine Reihe von Ausländern nach Deutschland kommt, daß ihnen der Aufenthalt angenehm gestaltet wird und daß sie dadurch wieder angezogen werden, in den folgenden Q Tahren wiederzukommen. Heuer ist vielleicht in diesem Sinne sogar ein entscheidendes Jahr der Werbung für unseren Fremdenverkehr.
Wir dürfen aber neben der wirtschaftspolitischen Bedeutung des Fremdenverkehrs im Inlande nicht die Aufgabe übersehen, die er auch im Zusammenhang mit der gesamten Wirtschaftspolitik, im besonderen der Verbesserung unserer an sich immer passiven Handelsbilanz hat. Der Fremdenverkehr hat gerade in Deutschland wie auch in anderen Ländern immer wesentlich dazu beitragen müssen, durch eine bessere Zahlungsbilanz die ungünstige Handelsbilanz auszugleichen. Wenn man dazu einige Zahlen nennen will, so kann man folgende herausgreifen. Im Jahre 1936 hatten wir eine Gesamtausfuhr von 4,7 Milliarden Reichsmark in Waren. Der Ausländerfremdenverkehr hat demgegenüber bei uns 130 Millionen Reichsmark, in Devisen gerechnet, ein gebracht, also 2,6 Prozent des Exports. Im Jahre 1938 betrug unsere Ausfuhr 5 6 Milliarden Reichsmark. Aus dem Fremdenverkehr von Ausländern kamen 186 Millionen Reichsmark herein, also 3.3 Prozent. Im Jahre 194q waren 240 000 Ausländer mit insgesamt 550 000 Übernachtungen in Deutsch-lend, die insgesamt - das läßt sich nur schätzungsweise ermitteln — eine Einnahme von 25 Millionen Dollar, also 100 Millionen D-Mark, zu dem bereits abgewerteten Kurs gerechnet erbracht haben. Immerhin ist das auch in der gesamten Handelsbilanz und in der gesamten Zahlungsbilanz des Jahres 1949 ein gar nicht so unwesentlicher Posten. Wenn man nämlich bedenkt. daß der Erlös aus unserer Gesamtausfuhr aus Werkzeugmaschinen einschließlich Walzwerkanlagen und Kraftmaschinen 27,7 Millionen Dollar beträgt, dann wird man einen Betrag von 25 Millionen Dollar an Devisen durch den Fremdenverkehr nicht so unwesentlich veranschlagen.
Immerhin müssen wir heute feststellen, daß wir mit unseren Einnahmen aus dem Fremdenverkehr, im besonderen auch von Ausländern, in Deutschland wesentlich unter den Vorkriegssätzen liegen und wesentlich hinter die Leistungen des Auslandes zurückgeglitten sind. Wenn ich dazu nur einige wenige Zahlen nennen darf, so hat Frankreich im Jahre 1948 aus dem Fremdenverkehr eine Summe von 100 Millionen Dollar eingenommen, das Vierfache von dem, was wir im Jahre 1949 eingenommen haben; 1948 war der Ausländerfremdenverkehr bei uns ja noch unwesentlich. Italien hat im Jahre 1948 80 Millionen Dollar eingenommen, die Schweiz 98 Millionen Dollar und Großbritannien 188 Millionen Dollar.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, daß bei uns im Laufe der letzten Jahre eines nicht durchgeführt werden konnte, was durch diesen Antrag jetzt wieder in Gang gesetzt werden soll, die Auslandswerbung. Durch diesen Antrag soll die Bundesregierung veranlaßt werden, sich in besonderem Maße wiederum dieser Aufgabe zuzuwenden, nämlich der Werbung für den Fremdenverkehr von Ausländern in Deutschland. Früher wurde diese Werbung insbesondere durch die Reichsbahnzentrale für den deutschen Reisedienst im Auslande betrieben. Diese hat früher eine Unterstützung von ungefähr 4 bis 5 Millionen Reichsmark zur Durchführung der Werbung im Auslande aus Reichsmitteln erhalten. Erst in diesem Jahre, im Haushaltsjahre 1919/50, ist wieder ein Betrag von 300 000 D-Mark eingesetzt worden, und erst im Haushaltsjahr 1950/51 wollen das Bundesministerium für Verkehr und das Bundesministerium für Wirtschaft dafür wieder einen Gesamtbetrag von 1 750 000 D-Mark zur Verfügung stellen. Die Werbung für den Fremdenverkehr von Ausländern in Deutschland benötigt selbstverständlich Mittel; aber die Höhe der aufgewendeten Mittel kommt regelmäßig auch für die gesamte Wirtschaft durch eine erhöhte Einnahme, durch eine günstigere Zahlungsbilanz, zum Ausdruck.
Uns interessieren in diesem Zusammenhange nicht die Kompetenzstreitigkeiten oder die Kompetenzkonflikte zwischen Bundesverkehrsministerium und Bundeswirtschaftsministerium. Ich schlage deshalb auch vor, diesen Antrag dem Ausschuß für Verkehrswesen federführend und dem Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Soweit Reisezwecke in Betracht kommen, ist das Verkehrsministerium maßgebend; soweit aber der Fremdenverkehr insgesamt in Betracht kommt, insbesondere in seiner wirtschaftlichen Bedeutung, ist wohl das Bundesministerium für Wirtschaft zuständig, das ja dafür auch eine Verwaltungsstelle errichtet hat.
Eines sollte allerdings mit dem Fremdenverkehr nicht geschehen. Mir ist eine Denkschrift des Bundesverkehrsministeriums in die Hand gefallen, in der jemand die Definition des Fremdenverkehrs als Versuch für eine Stilübung philosophisch-juristischer Art mißbraucht hat. Ich kann mir nicht versagen, das wiederzugeben, wenn der Herr Präsident es erlaubt. Dort heißt es:
Der Fremdenverkehr im allgemeinen, fußend
auf Bewegungsmotiven, ist begrifflich die
Überwindung des Raumes durch natürliche Personen,
die einen Ort aufsuchen, ohne dort einen ständigen Wohnsitz zu begründen.
Wenn es hier noch hieße: „die einen gewissen Ort aufsuchen, ohne dort einen ständigen Wohnsitz zu begründen", wäre der Fremdenverkehr in noch großzügigerem Maße definiert als hier.
Uns kommt es darauf an, daß die Methoden und die Maßnahmen, die bei der Werbung für den Fremdenverkehr von Ausländern in Deutschland angewendet werden müssen, in beiden Ausschüssen ernsthaft diskutiert werden und daß sich die Verwaltung im Interesse der gesamten deutschen Wirtschaft dieser Frage mit Nachdruck annimmt.