Meine Damen und Herren! Ich bedaure, das vom Kollegen Renner angeschnittene Kapitel der Notlage der freien Berufe deshalb nicht weiter behandeln zu können, weil die Geschäftsordnung uns nur einige Minuten Zeit zur Behandlung des Antrages der Zentrumsfraktion läßt. In dem Antrag der Zentrumsfraktion steht ja nur eins drin; das ist die Forderung nach einer Rentenversicherung für sämtliche freien Berufe. Es hat keinen Sinn, das abzustreiten. Wir haben bei der Überprüfung dieses Tatbestands widerspruchslos festgestellt, daß die verschiedenen Berufsgruppen, die man zusammen als freie Berufe bezeichnet, ein so verschiedenes Krankheits- und Sterbefallrisiko haben, daß man bei einer Zusammenfassung dieser Berufe in einer Organisation keinesfalls mehr von einer Versicherung sprechen kann. Eine Versicherung setzt eine Gleichheit der Risiken voraus, wenn man auch in der Diskussion über die Sozialversicherung in den letzten Jahren sehr oft von dieser Erkenntnis hat abgehen wollen. Ich bitte nicht zu vergessen, daß zum Beispiel die deutsche Ärzteschaft durch die Gefahren der Berufsinfektion, durch die Kreislaufkrankheiten, die ihr Beruf mit sich bringt, ein sehr niedriges Lebens-
alter hat, im Gegensatz zu einem willkürlich herausgegriffenen Stand, der in diese Einheitsversicherung hineinkommen sollte, der deutschen Rechtsanwaltschaft. Mit welchem Recht bürden Sie derartige Risiken, die im übrigen in den. Einzelheiten noch ganz unerforscht sind, anderen Berufsgruppen auf? Bei dieser Regelung bliebe eben keine Versicherung übrig, es wäre eine Fürsorgeanstalt.
Die freien Berufe, insbesondere die Ärzteschaft, zu der ich gehöre, haben bewiesen, daß sie auf genossenschaftlicher und freiheitlicher Basis eine wunderbare Altersversorgung zustande gebracht haben. Das Argument des Herrn Reismann, daß diese Versicherung der Ärzte und die freiwilligen Versicherungen durch die Währungskatastrophe zu Ende gekommen seien, gilt ja auch für die große deutsche Sozialversicherung. Mir ist nicht bekannt, daß die Sozialversicherung Deckungsgrundlagen hat über die Währungsreform hinüberretten können. Ihre Existenz im Augenblick, die Weiterleistung ihrer Beiträge beruht auf einem Gesetz, das erhöhte Beiträge erzwungen hat. Sie beruht auf einem Umlageverfahren, das durch einen politischen Entscheid der deutschen Gremien entstanden ist. Wenn Sie das wollen, so können Sie das auch für die privaten Lebensversicherungen oder für irgendeine Kapitalaufwertung durchführen. Die hier vorgetragenen Gegenargumente sind nicht in der Lage, uns zu überzeugen. Wir haben von alters her ein ganz feines Empfinden dafür, wenn man bei der Konstituierung von Fürsorgeeinrichtungen gegen den Grundsatz eines freien Staates verstößt. Der Wohlfahrtsstaat ist die Voraussetzung für die Verwirklichung des Polizeistaates, und Sie werden deshalb nicht verlangen können, daß meine Fraktion die Tendenz eines derartigen Antrags unterstützt. Wir schließen uns dem Ausschußbeschluß an.