Rede von
Josef
Schüttler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Sozialpolitik befaßte sich in seiner Sitzung vom 1. Februar mit dem Antrag der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 62 • betreffend Rentenversicherung für die freien Berufe. Zu dieser Beratung waren die leitenden Persönlichkeiten der freien Berufsverbände, Ärzte, freischaffende Künstler usw. geladen, um einmal ihren Standpunkt zu diesem Problem kennenzulernen.
Die Vertreter dieser freien Berufsgruppen gaben mit allem Nachdruck zu erkennen, daß sie grundsätzlich gegen die Einführung von Zwangsversicherungen seien. Der Vertreter der Ärzteschaft verwies auf die vorbildliche Regelung, die sie in seinem Berufsstande bis zur Währungsreform auf der Basis der Ärztekammern besessen hätten und daß sie nun leider durch die Zerrüttung der Währung in große Schwierigkeiten gekommen seien. Wenn man ihnen helfen wolle, so sei das nicht auf dem Wege über eine Zwangsversicherung möglich, sondern einzig und allein dadurch, daß man ihnen die alte Rechtsordnung in den Ärztekammern wieder zurückgebe und wenn möglich die durch die Währungsumstellung verlorengegangenen Deckungsgrundlagen höher aufwerte. Falls diese Möglichkeiten gegeben seien, sei nicht der geringste Anlaß vorhanden, sie irgendwie mit einer Zwangsversicherung zu beglücken. Der Vertreter führte aus, daß diese Ansicht Gemeingut der Ärzteschaft sei, und bat aus diesem Grunde dringend, sie mit jedem staatlichen Zwang zu verschonen; er sei beauftragt, die gleiche Erlärung auch für die übrigen freien Berufsgruppen abzugeben.
Der Vorsitzende der Berufsgruppe freischaffender Künstler schilderte die augenblickliche große Notlage sowohl der schaffenden wie auch der arbeitsunfähigen Berufskollegen. Trotz all der Not könne er aber auch für diese Gruppe erklären, daß eine Zwangseinbeziehung dieses Personenkreises in eine staatliche Sozialversicherung unerwünscht und nach ihrem Dafürhalten auch undurchführbar sei. Die freischaffenden Künstler, die keinen Arbeitgeber hätten, müßten in all diesen Fällen die monatlichen Versicherungsbeiträge selbst aufbringen; das sei bei dem knappen und vielfach unregelmäßigen Einkommen undenkbar. Sollte man es trotzdem versuchen, so würde sich bald herausstellen, daß der Gerichtsvollzieher bei dieser Berufsgruppe täglicher Gast sein würde. Man habe auch in ihrem Kreise die Notwendigkeit einer Altersvorsorge durchaus erkannt; doch werde man wohl einen anderen Weg finden müssen, der ohne persönliche Beitragsleistungen des einzelnen zum Ziele führe. Man habe sich bereits Gedanken darüber gemacht, ob nicht durch eine bindende Abgabe bei
Aufführung von Theaterstücken, bei Kinovorführungen, Konzertveranstaltungen, bei Neuauflagen von Büchern, Noten usw. ein Altersfonds geschaffen werden könne. Man prüfe ernstlich, ob nicht auf solche oder ähnliche Art ein Weg gefunden werden, könne, und hoffe, recht bald passende Vorschläge machen zu können. Keinesfalls möge man aber zu einer Zwangsversicherung greifen, die ihren speziellen Verhältnissen nicht gerecht würde.
Auf Wunsch des Ausschusses erstattete der Regierungsvertreter, Abteilung Arbeit, Bericht über die Auswirkungen, die die damalige Einbeziehung der Handwerker in die Angestelltenversicherung bis jetzt gezeitigt habe. Obschon genaue statistische Unterlagen darüber im Augenblick noch nicht zur Verfügung stünden, könne schon heute gesagt werden, daß die Einbeziehung dieser Berufsgruppe in die Angestelltenversicherung eine außerordentliche Belastung mit sich gebracht habe. Man rechne schon in diesem Jahr damit, daß auch in diesem Versicherungszweig die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken, und zwar zum großen Teil mitverursacht durch die Einbeziehung der Handwerkergruppe in diese Versicherung.
Von mehreren Mitgliedern des Ausschusses wurde betont, daß man die freien Berufe nicht gegen ihren Willen in eine Zwangsversicherung einbeziehen dürfe. Man solle dem Bestreben, sich auf genossenschaftlichem Wege selbst zu helfen, jede Unterstützung angedeihen lassen und alle Hilfe zur Verfügung stellen, um dieses erstrebte Ziel zu erreichen.
Der Ausschuß stellt daher einstimmig folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundesregierung wird empfohlen, sich mit einer zweckentsprechenden Alters- und Hinterbliebenenversorgung der freien Berufe eingehend zu befassen.
Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause die Annahme dieses Antrages.