Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Neuregelung der Kohlenpreise ab 1. Januar 1950 geht nicht auf einen Vorschlag der Bundesregierung zurück, sondern erfolgte auf Veranlassung der Alliierten Hohen Kommission, die für die Festsetzung der deutschen Kohlenexportpreise nach Anweisung Nr. 33 der JEIA die alleinige. Zuständigkeit hat. Es ist daran zu erinnern, daß die Hohe Kommission bei der Festsetzung der Kohlenexportpreise unmittelbar nach der D-
Mark-Abwertung die Bundesregierung vor die Alternative stellte, entweder die Kohlenexportpreise um den vollen Betrag der D-Mark-Abwertung zu senken oder aber die deutschen Inlandspreise für Kohle so zu erhöhen, daß das bisherige Verhältnis zwischen Inlands- und Auslandspreis unverändert blieb. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang damals er- klärt, daß sie eine Erhöhung der Inlandspreise der Kohle keineswegs vorzunehmen wünsche und daher den Weg unveränderter D-Mark-Exportpreise, das heißt um den vollen Abwertungsbetrag gesenkter Dollarerlöse wähle.
Ich darf hinzufügen, daß diese Entscheidung richtig gewesen ist; denn es wäre angesichts der Entwicklung auf dem Weltmarkt und des Verhaltens Englands im Kohlenexport selbstverständlich gar nicht möglich gewesen, die alten Dollarerlöse aufrechtzuerhalten.
Die Inlandspreisvorschläge der Bundesregierung wurden von der Hohen Kommission angenommen, jedoch mit der Klausel, daß im Laufe der kommenden Monate eine Überprüfung der Exportpreise mit dem Ziel vorzunehmen sei, ein revidiertes Preisschema ab 1. Januar 1950 einzuführen. Inzwischen wurde die bestehende Differenz zwischen dem Exportpreis und Inlandspreis für westdeutsche Kohle und Koks Gegenstand starker Kritik seitens der Organisation für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas; denn es bestand zwischen Inlandspreis und Exportpreis eine Differenz von ungefähr 8 Mark. Maßgebend war und ist dabei die Auffassung, daß ein einheitliches Niveau der Kohlekosten in den europäischen Ländern eine wichtige Voraussetzung für eine zukünftige europäische Wirtschaftseinheit bildet. In den Verhandlungen der OEEC in Paris wurde bezüglich der Kohle hierzu herausgestellt, daß die Wirtschaft der auf Kohleeinfuhr aus Deutschland angewiesenen Länder — selbstverständlich auch in England — durch die Höhe der Kohlenexportpreise gegenüber den kohleexportierenden Ländern mit ihren niedrigen Inlandspreisen erheblich benachteiligt werde und daß diese Doppelpreise abgeschafft werden sollen, da sie eine Beeinträchtigung des europäischen Wiederaufbaues bedeuten.
In Verfolgung dieser Linie überreichte die Alliierte Hohe Kommission der Bundesregierung Anfang Dezember ein Memorandum, in dem mitgeteilt wurde, daß eine Dreimächte-Studiengruppe für deutsche Kohlepreise angewiesen worden sei, sich mit von der Bundesregierung zu benennenden Sachverständigen in Verbindung zu setzen, um neue Kohlen-Exportpreise für das erste Quartal 1950 aufzustellen und zu einem Abkommen über die Verminderung der zwischen dem deutschen Exportpreis und dem Inlandpreis für Kohle bestehenden Differenz zu gelangen. Diese Differenz betrug, wie ich schon sagte, 8 D-Mark pro Tonne. Weiter wurde in dem Memorandum darauf hingewiesen, daß die Sachverständigen der Alliierten Hohen Kommission eine Verringerung der Differenz um 50 Prozent, das heißt also um 4 D-Mark pro Tonne, in Erwägung gezogen hätten.
Die Bundesregierung wünschte sich diesen Verhandlungen vor allem auch deshalb nicht zu entziehen, weil sie grundsätzlich die Konzeption der Abschaffung der Doppelpreise als förderndes Moment für die europäische Wirtschaftseinheit anzuerkennen bereit war und den Wunsch hatte, einen praktischen Beitrag im Sinne der europäischen Zusammenarbeit zu leisten. Obwohl dies ein sehr erhebliches Opfer bedeutete, erklärte sich die Bundesregierung schließlich bereit, die Kohlen-Exportpreise um 2,18 D-Mark je Tonne zu senken und gleichzeitig den Inlandspreis nur in einem solchen Umfang zu erhöhen, daß sich keinesfalls Auswirkungen auf das gesamte Preisgefüge befürchten ließen. Diese Erhöhung betrug 0,30 D-Mark pro Tonne für den Inlandspreis. Die alliierte Kommission zeigte schließlich für den deutschen Standpunkt Verständnis und nahm den deutschen Vorschlag als einen ersten Schritt in der Richtung auf Abschaffung der Doppelpreise an, obwohl die damit erreichte Verringerung der Spanne zwischen Inlands- und Exportpreis um 30 Prozent nicht den Forderungen der Alliierten Hohen Kommission entsprach.
Bei der Erhöhung des Inland-Kohlepreises um 0,30 D-Mark je Tonne im Durchschnitt nahm die Bundesregierung weitgehend Rücksicht auf die Verbrauchergruppen mit hohem Kohlenkostenanteil. So wurden die Preise der Kohlensorten, die vornehmlich für den Verbrauch der Bundesbahn, der eisenschaffenden Industrie und der Versorgungsbetriebe in Betracht kommen, nicht oder nur sehr geringfügig erhöht. Im übrigen sind mit der am 1. Januar 1950 in Kraft getretenen Kohlenpreiserhöhung im Inland keine wesentlichen Auswirkungen auf andere Produktpreise zu erwarten, da das Ausmaß dieser Kohlenpreiserhöhung nicht einmal ein Prozent des bis dahin gültigen Kohlenpreises beträgt. Bei der überwiegenden Zahl der Industrien sind bisher Auswirkungen auf die Produktpreise nicht bekanntgeworden.
Der Bergbau selbst hat erkennen lassen, daß eine Erhöhung der Inlandpreise um 0,30 D-Mark je Tonne im Durchschnitt nicht ausreiche, um die Erlösminderung im Export auszugleichen. Eine Erhöhung um 0,66 D-Mark je Tonne wurde vom Bergbau als erforderlich bezeichnet, eine Forderung, die die Bundesregierung mit Rücksicht auf die Gefahr einer Auswirkung auf das gesamte Preisgefüge nicht erfüllen zu können glaubte.
Im übrigen hätte nach Auffassung der Bundesregierung eine durchschnittliche Erhöhung um 0,50 D-Mark je Tonne zur vollen Abdeckung der Erlösminderung im Export genügt. Die sich danach ergebende ungedeckte Differenz ist nicht so bedeutend, um nennenswerte Auswirkungen auf die Rentabilitätslage, die Förderung und die sozialen Leistungen der Bergbaubetriebe zu haben.
In einem von der Alliierten Hohen Kommission veröffentlichten Presse-Kommuniqué zu den neuen deutschen Kohle-Exportpreisen wurde darauf hingewiesen, daß die ab 1. Januar 1950 erfolgte Erhöhung der deutschen Bahnfrachten nicht zu Lasten der ausländischen Abnehmer von deutscher Kohle gehen werde. Demgegenüber hat die Bundesregierung in einer Note an die Alliierte Hohe Kommission darauf hingewiesen, daß in den Dezember-Verhandlungen zur Neuordnung der Kohle-Exportpreise von den deutschen Sachverständigen eindeutig dargelegt und in ihrem endgültigen Preisvorschlag zum Ausdruck gebracht wurde, daß sie eine nachträglich erfolgende Erhöhung der Bahnfrachten in der Freistellung für die Frei-Grenze-Preise Berücksichtigung finden müsse. Da die Alliierte Hohe Kommission darauf bestand, daß die Kohlen-Exportpreise ohne Berücksichtigung der inzwischen erfolgten Erhöhung der Bahnfrachten den ausländischen Abnehmern bekanntgegeben würden, was inzwischen geschehen ist, sah die Bundesregierung nur den Ausweg, gleichzeitig mit der eben genannten Note der Alliierten Hohen Kommission neue Exportpreisvorschläge zu übermitteln, in welchen die Bahnfrachterhöhungen Berücksichtigung finden, und der Erwartung Ausdruck zu geben, daß die Alliierte Hohe Kommission sich bereit findet, auf der Grundlage dieser Vorschläge über eine Revision der Exportpreise zusammen mit deutschen Sachverständigen zu beraten. Auf Grund dieser Vorschläge haben Verhandlungen stattgefunden, die noch nicht zum Abschluß gelangt sind.
Ich darf zur Kosten- und Ertragslage noch folgendes sagen. Der Bergbau beziffert unter Berücksichtigung der Kohlenpreiserhöhung um 0,30 D-Mark je Tonne den Verlust des Bergbaues infolge der Senkung des Exportpreises auf rund 20 Millionen D-Mark pro Jahr, erklärt die Mindereinnahme für außerordentlich bedeutsam und leitet daraus Ansprüche auf Erhöhung der Subventionen her. Der Bergbau bezieht sich hierbei auf den Bericht des Enquête-Ausschusses aus dem Jahre 1949, in dem unter anderem ausgeführt wird, daß der Ausschuß im gegenwärtigen Augenblick keine Möglichkeit sieht, dem Wirtschaftsrat eine allgemeine Preissenkung für Steinkohle und so weiter zu empfehlen, da das Ergebnis der Untersuchungszeit weder eine Preissenkung noch eine Preiserhöhung rechtfertigt. Der Enquête liegen eingehende Untersuchungen zu Grunde, die sich jedoch auf die Verhältnisse im Bergbau vom September 1948 beziehen.
In der Zwischenzeit sind eine Reihe von Veränderungen der Kosten- und der Ertragslage des Kohlenbergbaues eingetreten, und zwar sowohl solche, die in Richtung einer Senkung der Kosten und einer Erhöhung der Erträge gehen, wie andererseits auch solche, die die Kosten- und Ertragslage ungünstig beeinflussen. Unter anderem kann darauf hingewiesen werden, daß die Förderungsziffern im Steinkohlenbergbau sich von September 1948 bis Januar 1950 von rund 290 000 Tonnen auf -360 000 Tonnen Tagesleistung erhöht haben. Auch die Leistung pro Mann und Schicht ist von 1150 Kilogramm in der gleichen Zeit auf 1380 Kilogramm gestiegen. Eine Reihe von Materialkosten haben sich nicht unwesentlich verringert. Zum Beispiel ist der Grubenholzpreis in der gleichen Zeit von 35 D-Mark je Festmeter auf 31 D-Mark je Festmeter gesunken, und gleichzeitig ist der Grubenholzverbrauch von 33,8 Festmeter auf 27,4 Festmeter pro 1000 Tonnen Förderung gesunken, was zum Teil allerdings mit einem stärkeren Einsatz von Eisen, zum Teil aber auch mit der Lieferung besserer Hölzer in angemessenen Abmessungen zusammenhängt. Diese Steigerung der Leistung und Verminderung der Unkosten kann nicht ohne wesentliche Einwirkung auf die Ertragslage, auf die Frage der Abschreibungen und die Höhe des Kapitaldienstes sein. Auf der anderen Seite ist es nicht zu leugnen, daß die inzwischen eingetretene Lohnerhöhung, die Steigerung der Sozialkosten und die Veränderung der Urlaubsregelung sowie die Senkung der Exporterlöse sich in der entgegengesetzten Richtung bemerkbar machen müssen, es sei denn, daß gleichzeitig eine weitere Leistungssteigerung eintritt.
Von dem Bundesministerium für Wirtschaft ist daher eine erneute Prüfung der Kosten- und Ertragslage eingeleitet worden, die die Veränderungen seit der erwähnten Kohlenenquête berücksichtigen soll. Die Prüfung ist noch nicht völlig abgeschlossen. Nach ihrem Abschluß wird die Regierung zu den Forderungen des Bergbaus Stellung nehmen.
Was nun die Frage der Kohlenhandelswege anlangt, so sind Unterschiede zwischen der britischen, amerikanischen und französischen Zone festzustellen. In der amerikanischen Zone wurde auf Verlangen der US-Militärregierung durch Beschluß des süddeutschen Länderrats mit Wirkung vom 1. 7. 1946 die Festlegung der Lieferbeziehungen — der sogenannte zementierte Handelsweg — aufgehoben und der freie Wettbewerb beim Absatz von Kohle wiederhergestellt. Der Verbraucher ist in der Wahl seines Lieferers frei.
In der britischen Zone hat bis vor kurzem noch der zementierte Handelsweg bestanden. Ich darf in Erinnerung an Verhandlungen im Wirtschaftsrat noch sagen, daß seinerzeit gerade auch von der SPD, insbesondere von dem Abgeordneten Dahrendorf, mir gegenüber wiederholt die Auflösung der zementierten Handelswege als dringend notwendig bezeichnet wurde. Für die britische Zone stellt sich die Sache wie folgt dar. Auf Grund der Ende Dezember 1949 zwischen der Kohlenabsatzorganisation, Deutscher Kohlen-Verkauf, und dem Kohlengroßhandel getroffenen Vereinbarung sind alle Geschäfte mit Industrieverbrauchern mit einem Jahresbedarf bis zu 6000 Tonnen dem Großhandel überlassen. Der Verbraucher ist in der Wahl des Händlers frei. Geschäfte über 6000 Tonnen bleiben dem DKV als Direktgeschäft. Soweit der Großhandel allerdings industrielle Verbraucher mit einem Jahresbedarf von über 6000 Tonnen bisher schon beliefert hat, bleiben ihm diese Geschäfte erhalten. Dem Großhandel bleiben ferner die Lieferanteile bei solchen Industrieverbrauchern, deren Jahresbedarf über 6000 Tonnen liegt und
bei denen er bereits in Mitlieferung steht. Lieferungen an Kohleneinzelhändler werden ausschließlich über den Kohlengroßhandel ausgeführt. Selbstverständlich übernimmt der Kohlengroßhandel damit auch die Kosten des Delkredere und die Funktionskosten, die damit verbunden sind.
In der französischen Zone gilt folgendes. Die Festlegung der Lieferbeziehungen ist mit Wirkung vom 1. 10. 1948 aufgehoben, jedoch mit der Maligabe, daß alle Verbraucher mit einer Jahresabnahme von 2400 Tonnen der Oberrheinischen Kohlen-Union zur unmittelbaren Belieferung vorbehalten sind. Mit der Umgestaltung der Oberrheinischen Kohlen-Union wird auch eine Neuregelung über die Tonnengrenze zu erfolgen haben.
Infolge der Lockerung des zementierten Handelsweges in der britischen Zone entgeht dem Bergbau jährlich ein bestimmter Betrag an Rabatten, der nunmehr dem Großhandel eingeräumt werden muß. Dieser Betrag wird aber nur auf 3,8 Millionen D-Mark im Jahr veranschlagt. Der dem Bergbau dadurch entstehende Verlust wird durch die Erwägung kompensiert, daß dem Kohlenbergbau bei einer Auflockerung der Kohlenlage, also insbesondere bei steigender Produktion, bei einsetzender Kohlenschwemme an einem leistungsfähigen Großhandel viel gelegen sein muß. Diese Stärkung des Kohlengroßhandels ist auf anderem Wege nicht zu erreichen. Immerhin ist im Hinblick auf die finanzielle Lage des Bergbaus von einer vollständigen Aufhebung des zementierten Handelsweges abgesehen und nur die oben skizzierte Lockerung durchgeführt worden. Außerdem steht die Aufgabenteilung zwischen Bergbau und Großhandel im Einklang mit den Grundgedanken der Wirtschaftspolitik. Auch. war es notwendig, eine allmähliche Angleichung der Verhältnisse in der britischen und amerikanischen Zone vorzunehmen. Der jetzt noch bestehende Unterschied kann in Kauf genommen werden, da der Großhandel in der amerikanischen Zone auch früher eine freiere Stellung gegenüber dem zechengebundenen Handel der jetzigen britischen Zone gehabt hat.