Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Das Entnazifizierungsproblem, welches nun schon seit einigen Jahren in Deutschland geistert, kann nicht losgelöst von der Frage der Verantwortlichen für das faschistische Terrorsystem betrachtet werden.
Während des Krieges vernahmen wir, die wir gegen Hitler im Kampfe standen, daß es die Absicht der Alliierten sei, Deutschland nach dem Niederbruch des Hitlerregimes gründlich zu entnazifizieren, zu entmilitarisieren und zu demokratisieren. Man sprach damals davon, daß vor allen Dingen diejenigen zur Verantwortung gezogen werden sollten, die Hitler zur Macht verholfen hätten. Sind diese Leute wirklich zur Verantwortung gezogen? — Ich sage Nein. In Westdeutschland wurden alle ,demokratischen Maßnahmen gegen die Großgrundbesitzer und Monopolkapitalisten, die Hitler zur Macht gebracht hatten, verhindert. Man versucht heute, die ganze Schuld auf Hitler, auf Göring und noch einige Gauleiter abzuwälzen. Man muß aber nach den tieferen Ursachen forschen. Ohne die Unterstützung der deutschen Schwerindustrie und auch
Herr Euler! — der IG-Farben-Industrie wäre Hitler gar nicht zur Macht gekommen.
Diese Leute wurden aber gebraucht, weil die
Westmächte Westdeutschland gar nicht befreien,
sondern ihren Interessen unterwerfen wollten.
Sie wurden bei der sogenannten Neuordnung der
Industrie herangezogen. Man brauchte die Großgrundbesitzer, um jene Wirtschaft des deutschen
Reichsnährstandes fortzuführen. Dagegen wurden die kleinen Lohnkutscher, die Chauffeure,
die kleinen Angestellten aus ihren Arbeitsstellen
hinausgeworfen. Die Großen gingen leer aus. Die
Generäle wurden sehr • milde behandelt. Man
braucht diese Herren für die Remilitarisierung
Westdeutschlands zum Kampf gegen die friedlichen und fortschrittlichen Kräfte in der Welt.
Wenn ich heute die Vertreter der CDU und die Herren von der rechten Seite höre, dann kann ich nicht begreifen, daß Herr Abgeordneter Gerstenmaier so starke Worte gegen die Nazis findet, während sein Kollege Sträter im Lande Nordrhein-Westfalen sich bei jeder Gelegenheit schützend vor die führenden Leute der Nazipartei stellt.
Ich erinnere nur an das Urteil gegen die Gestapo-Henker Redemeier und Kaufmann in Bielefeld. Die Arbeiter und die Gewerkschaften haben mit Recht gegen dieses Urteil demonstriert. Und was tritt ein? Der Herr Justizminister Sträter, ein führender Mann der CDU und Herausgeber der „Westfalenpost", ordnet eine strafrechtliche Untersuchung gegen die Gewerkschaftsführer und gegen Redakteure an.
Genau so wie im Falle des Herrn Schacht, wo die Arbeiter in Düsseldorf nicht duldeten, daß dieser Herr dort sein Unwesen trieb!
In welchem Gegensatz stehen Ihre Worte, Herr Gerstenmaier, zu jenen „Taten" des Herrn Sträter!
- Ach, das ist ein billiges Vergnügen, was Sie sich hier leisten!
Oder denken Sie an Herrn Lehr, der hier in diesem Hause sitzt und der im Parkhotel als Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf Hitler empfing!
Heute ist er Abgeordneter der CDU in diesem Hause, und er hätte beinahe, wenn nicht irgendwelche sonstigen Gründe vorgelegen hätten, in dieser Regierung gesessen!
Sehen Sie, so liegen die Dinge! Man sieht in Ihren Reihen genügend Leute, die für das Aufkommen der Hitler-Diktatur mitverantwortlich sind.
Es wurden zum Beispiel auch bereits die Ja-Sager zum Ermächtigungsgesetz angezogen.
— Sie sagen, ich sei verantwortlich. Ich glaube, ich kann meine Zuchthausjahre mit Ihren Gefängnistagen noch messen!
Ich habe nämlich mein Antinaziherz nicht erst im Jahre 1945 entdeckt! Wenn es nach mir und meiner Partei gegangen wäre, wären die Nazis gar nicht zur Macht gekommen.
Das müssen wir auch einmal den Vertretern der Sozialdemokratischen Partei sagen: wir sollten als Arbeiterparteien und als Arbeiterklasse aus der Vergangenheit die Lehre ziehen. Hätten wir als Arbeiterklasse, das heißt SPD, KPD und Gewerkschaften, damals einheitlich gehandelt, wäre Hitler ebenfalls nicht zur Macht gekommen. Und wenn wir heute, nach 1945, eine so verfahrene Situation' in Westdeutschland haben, dann ist auch das zum größten Teil darauf zurückzuführen, daß ein einheitliches Vorgehen, welches wir immer vorgeschlagen haben, von der Sozialdemokratischen Partei bisher abgelehnt worden ist.
— Statt dessen sind Sie lieber mit anderen Kreisen zusammengegangen. Dadurch ist in Westdeutschland eine Situation entstanden, die man wahrlich nicht als demokratisch im Interesse der Werktätigen ansprechen kann.
— Weswegen ich abgesetzt worden bin? Das ist für mich eine Ehre!
Ich wollte mich nämlich als Minister nicht dem
Marshall-Plan unterordnen. Damit Sie es wissen.
Wir Kommunisten haben uns schon immer gegen diese verfehlte Entnazifizierung gewandt. Wir haben verlangt, daß man die Großen heranholt. Wir sind auch schon vor langer Zeit aus den Entnazifizierungsausschüssen ausgetreten, weil wir diesen Schwindel nicht mehr mitmachen wollten. Wir wollen keine Verfolgung der kleinen Leute. Wir wünschen, daß die politisch Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen werden, das heißt, daß in erster Linie die Monopolkapitalisten und Junker entmachtet und enteignet werden und daß darüber hinaus die Verbrecher gegen die Menschlichkeit, die Gestapo-Henker und Gauleiter dorthin befördert werden, wohin sie gehören. Wir wünschen deshalb eine baldige Beendigung der Entnazifizierung, aber eine Generalamnestie für alle Nazis kann es nicht geben. Es darf auch nicht in den Verwaltungsstellen der Kommunen und der Länder wieder der Parteibuchbeamte Einzug halten, auch das kann es nicht geben. Wir werden den Kampf um die Demokratisierung auch Westdeutschlands weiterführen. Im Rahmen des Kampfes um ein einheitliches demokratisches Deutschland werden wir mit der Bevölkerung weiterkämpfen für die Bestrafung der am Hitler-Regime wirklich Schuldigen,
damit jener Boden bereitet wird, auf dem nicht mehr neue faschistische Diktaturgelüste gedeihen können. Nicht neue Verordnungen, wie sie hier angekündigt wurden, werden das demokratische Leben unseres Volkes sichern. Ich vermute, daß bei den angekündigten Maßnahmen des Herrn Innenministers in erster Linie daran gedacht ist, gegen die wirklichen Kämpfer für Fortschritt, Frieden und Demokratie vorzugehen, nämlich gegen die Kommunisten und gegen die friedlichen Kräfte. Nach den Äußerungen, die Herr Justizminister Dr. Dehler in Berlin zu diesem Problem gemacht hat, bin ich zu dieser Vermutung berechtigt. Wir werden uns jeder faschistischen Methode widersetzen. Wir werden die Bevölkerung aufrufen, mit uns den *Kampf weiterzuführen für ein einheitliches demokratisches Deutschland, für ein Deutschland. in dem ein für allemal das Großkapital ausgeschaltet ist und die Militaristen nichts mehr zu sagen haben, in dem aber das werktätige Volk den entscheidenden Einfluß ausübt.