Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sich doch die Zeiten so rasch wandeln!
Heute haben wir eine wunderbare Rede vom Herrn Kollegen Gerstenmaier gehört. Der Herr Innenminister hat ihm bestätigt: eine exzellente Rede! Wenn doch der Kollege Gerstenmaier und seine politischen Freunde diese Ausführungen zugunsten der kleinen Mitläufer und der kleinen Verführten schon im Jahre 1945 oder 1946 oder 1947 gemacht hätten!
Seine politischen Freunde hatten in den Länderparlamenten genügend Gelegenheit dazu!
Die CDU war ja von Anfang an mit führend beteiligt; nicht bloß in Bayern, sondern genau so in dem Lande, in dem der Herr Kollege Gerstenmaier gewählt wurde, in Württemberg-Baden, in Hessen und überall. Damals aber haben wir leider von dieser Gesinnung nichts gehört!
Damals haben wir von Ihrer Seite nur Hohn und Spott gehört, von einigen Ausnahmen abgesehen.
Hohn und Spott nur haben wir gehört, als ich das Wort von den Hineingetriebenen und Hineingepreßten und von den verführten jugendlichen Idealisten prägte. Hohn und Spott haben Sie damals gegen mich in Kübeln ausgegossen.
Denunziert wurde ich in der übelsten Art und Weise, und in den Zeitungen kamen seitenlange Berichte gegen das, was Sie, meine Herren von der Rechten, heute selbst als vernünftig anerkennen müssen.
— Herr Abgeordneter Strauß, ich war Entnazifizierungsminister!
Ja, gerade ich habe mich dafür eingesetzt, für die kleinen Hineingetriebenen und Hineingepreßten,
und bin gerade deswegen gestürzt worden, weil diese meine Politik Ihnen nicht gepaßt hat!
— Nein, deswegen, Herr Strauß; und da können Sie dazwischenschreien, was Sie wollen, Sie ändern die Tatsachen nicht mehr! Es ist bekannt, wer in Deutschland das Wort von den Hineingetriebenen und Hineingepreßten gesprochen hat! Sie kommen erst heute, weil Sie den Zusammenbruch Ihrer ganzen Politik heute sehen, und heute wollen Sie unser Volk glauben machen, Sie wären von Anfang an so gescheit gewesen und hätten begriffen, welches Unglück das Entnazifizierungsgesetz über unser Volk gebracht hat.
Allerdings in einem — ja, da war ich anderer Auffassung als Sie, Herr Kollege Strauß, und als Ihre Parteifreunde, nämlich bezüglich der wirklich Schuldigen am Heraufkommen der Katastrophe. Da habe ich scharf zugegriffen, und ich weiß, unter welchem Druck ich stand und wie Sie gegen mich hetzten, als ich mich dafür einsetzte, daß die Ja- Sager zum Ermächtigungsgesetz bestraft würden,
die hunderttausendmal mehr Schuld auf sich geladen haben — jeder einzelne — am Heraufkommen der Hitlerkatastrophe, als die ganzen Mitläufer zusammengerechnet nicht auf sich geladen haben. Wie war es denn damals bei den Sitzungen im Länderrat und überall, in Stuttgart? Wie wurde ich unter Druck gesetzt, ich solle zustimmen, daß die Ja-Sager zum Ermächtigungsgesetz nicht unter das Entnazifizierungsgesetz fallen! Ich habe mich geweigert, obwohl Sie prominenteste Hilfstruppen dabei gegen mich mobilisierten!
Das möchte ich Ihnen als kleinen Beitrag zur geschichtlichen Wahrheit noch ins Gedächtnis zurückrufen.
Es war von Anfang an eine Katastrophe, daß man die Entnazifizierung, die Bestrafung, auf Kreise erstreckte, die tatsächlich keine oder nur eine minime Schuld auf sieh geladen haben, daß man aber gegen die wirklich Hauptschuldigen an der Katastrophe von Anfang an mit Glacéhandschuhen vorging, weil die wirklich Schuldigen sehr gute Beziehungen - in erster Linie von früher her - aus politischen Gründen zu Ihnen, meine sehr verehrten Herren, hatten: der Herr von Papen, wie Sie wissen, und die Ja-Sager zum Ermächtigungsgesetz. Sie wissen doch, welcher politischen Richtung die Herren angehörten und heute teilweise noch angehören.
Das war das Unglück, daß Sie Sündenböcke gebraucht haben, und diese Sündenböcke für das Versagen dieser prominenten Politiker von damals hat man leider in Form von Millionen kleinen Leuten gefunden, die nichts anderes gemacht haben, als daß sie sich in irgendeine Gliederung haben aufnehmen lassen, um ihre Ruhe zu haben, um nicht ihre Existenz zu verlieren oder noch schlimmere Dinge zu riskieren. Das war von Anfang an der Fehler und die Fehlkonstruktion im ganzen Entnazifizierungsprogramm, und alle Ihre Anträge heute dienen nur dazu, diese Schuld zu verwischen.
- Ich verbitte mir den Ausdruck Unsinn.