Meine Damen und Herren! Ich bin sehr glücklich, daß ich direkt nach dem Herrn Bundesinnenminister sprechen kann, der hier einige Punkte berührt hat, die wir gerade zum Gegenstand eines Antrages gemacht haben, für den ich mich im Augenblick bemühe, die erforderlichen Unterschriften zusammenzubekommen. Dieser Antrag soll die augenblicklichen Intentionen der Regierung noch einmal unterstreichen. Dies vorweg.
Das Ende der Entnazifizierung, Entnazisierung oder Säuberung oder Entbräunung mit Hilfe von „Persil-Scheinen" oder Geld scheint uns eine Sache, die sowohl schnell als auch gründlich herbeigeführt werden sollte. Die Entnazifizierung wurde von den Besatzungsmächten eingeführt im Widerspruch zu allem geltenden Recht. Die Besatzungsmächte waren klug genug, bereits 1947 zu merken, daß die Sache einigermaßen verfahren war — schon unter ihrer Zuständigkeit —, um die Sache dann schnellstens in deutsche Hände zu legen. Dadurch und danach ist die Bürokratisierung, ist die „Verfahrung" dieser ganzen Angelegenheit ins Ungeheuerliche gewachsen. Wir sind inzwischen auf Dinge gekommen, deren Traurigkeit noch gar nicht in vollem Umfang zu überblicken ist; ich weise nur auf die jüngsten Fälle in Süddeutschland hin
— in Stuttgart —, deren sich in positiver Form ganz besonders der „Neue Vorwärts" mit einer sehr schönen Kritik angenommen hat.
Früher sagte man — es wurde schon von einem Vorredner gesagt — nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz. Dieses neue Recht, das man unter der Fahne des Rechts proklamierte, bedeutet etwas ganz anderes, wenn wir es noch weiter so fortführen, wie es bisher geschehen ist. Es ist nichts anderes als die Legalisierung von irgendwelchen Racheakten, Pfründensicherung und Brotlosmachung von vielen Familienernährern und damit — ich möchte beinahe sagen — von Sippenhaft. Nachdem in Indien der Kastengeist abgeschafft ist oder abgeschafft wird, ist er hier in Deutschland leider noch in voller Blüte.
Wenn wir einen Gesetzentwurf einbringen würden, wonach die Straffreiheit demjenigen zugesichert wird, der einen Entnazifizierungsgerichtshof bestochen hat, würden wir, glaube ich, zu ungeheuerlichen Ergebnissen kommen, die uns zeigen, was in dieser Beziehung alles geschehen ist.
Damit wollte ich nur sagen: wenn die Presse voll von Bestechungsaktionen gegenüber den Entnazifizierungshöfen ist, so sehe ich in diesem Fall den Tatbestand der Bestechung nicht so sehr wie den Tatbestand des Selbsterhaltungstriebes und der Angst, die wirtschaftliche Existenz durch ein inkompetentes Gremium abgesprochen zu bekommen.
Ich habe voller Freude feststellen können, daß sich die Auffassungen der CDU, die hier von Herrn Dr. Gerstenmaier vorgetragen wurden, doch in sehr wesentlichen Punkten nicht mit dem Antrag der FDP, sondern mit dem unsrigen decken.
Herr Dr. Gerstenmaier schlug vor: Wir brauchen eine weitgehende und fortgeführte Amnestie. Das verlangen wir, indem wir sagen: die Einteilung des Volkes in Kategorien, also in Menschen verschiedener Rangklassen, wird aufgehoben.
Die mit dieser Kategorisierung verbundenen Rechtsnachteile sollen wegfallen. Das ist genau dasselbe, was Herr Dr. Gerstenmaier in anderen Worten verlangt hat. Welch' schöne Arbeitsunterlage ist also unser Antrag!
Weiter wurde gesagt, man solle an denjenigen nicht vorbeigehen, die sich strafbar gemacht haben. Auch das ist unsere Auffassung, daß diejenigen, die nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches und nicht eines imaginären Sonderrechts faßbar sind, gegen sich selbst, wenn sie mit den gegen sie verhängten Maßnahmen nicht einverstanden sind, ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht anstrengen können. Unser Antrag, den wir, wie mein Kollege Richter schon sagte, dem zuständigen Ausschuß als Arbeitsunterlage empfehlen, wird meines Erachtens den Antrag der FDP an materiellem Inhalt übertreffen, zumal vieles in diesem Antrag der FDP enthalten ist, mit dem wir nicht übereinstimmen können. Wir müssen endlich dazu kommen, die unproduktive Papierwühlerei, die in Hunderten von Ausschüssen auch heute noch betrieben wird und für unendlich viele Leute ein Pöstchen, eine Pfründe bedeutet, abzuschließen.
Der § 1 der Vorlage der FDP bedingt eine unnötige Aufrechterhaltung eines Apparates, der mit einem Federstrich zu Nutz und Frommen der Gesamtheit beseitigt werden sollte.
Was den § 2, den Anspruch auf Ersatz von Schäden anlangt, so ist im Zuge der sogenannten Entnazifizierung vor allen Dingen in den ersten zwei Jahren unendlich viel geschehen, was man nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches mit Diebstahl bezeichnen würde und bezeichnet. Diese Diebstähle, die unter dieser Fahne der Entnazifizierung vorgekommen sind,
müssen gesühnt werden können. Wenn wir das nicht tun, dann schaffen wir ein Sonderrecht.