Rede:
ID0104001600

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 1040

  • date_rangeDatum: 23. Februar 1950

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1950 1327 40. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1950. Geschäftliche, Mitteilungen . . . 1328B, 1386D Zustimmung des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer 1328C Anfrage Nr. 27 der Zentrumsfraktion betr. die Häuser Dahlmannstraße 5 und 7 in Bonn (Drucksachen Nr. 379 und 546) 1328C I Anfrage Nr. 18 der Abg. Dr. Müller und Gen. betr. Gesetz zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren (Drucksachen Nr. 278 und 585) 1328C Anfrage Nr. 34 der Abg. Goetzendorff und Gen. betr. Anteil der Heimatvertriebenen an den Stellenplänen der Ministerien (Drucksachen Nr. 414 und 593) . . . 1328D Anfrage Nr. 45 der Fraktion der KPD betr. Söldneranwerbung von Deutschen im Bundesgebiet (Drucksachen Nr. 489 und 595) 1328D Schreiben des Bundesministers für Angelegenheiten der Vertriebenen vom 14. Februar 1950 betr. Überführung der noch in den polnisch verwalteten deutschen Gebieten sowie der in Polen, der Tschechoslowakei und den südosteuropäischen Staaten lebenden Deutschen (Drucksache: Nr. 591) 1328D Zur Tagesordnung 1328D Abg. Renner (KPD) 1329A Abg. Dr. von Brentano (CDU) . 1329D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 482) in Verbindung mit dem Antrag der Abg. Dr. Richter und Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 561) 1328D, 1329D Euler (FDP), Antragsteller 1330A, 1353C Dr. Richter (DRP), Antragsteller 1332A, 1354C Dr. Gerstenmeier (CDU) . . . . 1333C Dr. von Merkatz (DP) 1336A Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 1338B von Thadden (DRP) 1340A Dr. Etzel (BP) 1340D, 1355A Loritz (WAV) . . . . . . . . 1342D Erler (SPD) 1344D Dr. Reismann (Z) 1349C Paul (KPD) 1351B Dr. von Brentano (CDU) . . . 1352D Interpellation der Fraktion der SPD betr. Neufestsetzung der Kohlenpreise (Drucksache Nr. 404) . . 1328D, 1355B Imig (SPD), Interpellant . 1355B, 1361C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1357A Rische (KPD) . . . . . . . 1359B C Dr. Blank (FDP) 1360B Dr. Seelos (BP) 1360D Loritz (WAV) 1361B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Bekanntmachungen (Drucksache Nr. 512) 1361D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Frau Abgeordneten Wessel und Gen. betr. Rentenversicherung für die freien Berufe (Drucksache Nr. 488 und 62) 1362A Schüttler (CSU), Berichterstatter 1362A Krause (Z) 1362D Renner (KPD) 1363B, 1366A Frau Kalinke (DP) 1363D Frau Dr. Steinbiss (CDU) . . . 1364C Dr. Hammer (FDP) 1364D Dr. Reismann (Z) 1365B Beratung des Antrags der Abgeordneten Strauß, Dr. Horlacher, Graf von Spreti und Gen. betr. Auslandwerbung für den Fremdenverkehr in Deutschland (Drucksache Nr. 490) 1366C Strauß (CSU), Antragsteller . . 1366C Eichner (BP) 1368A Jacobs (SPD) 1368C Stahl (FDP) 1369B Dr. Brönner (CDU) 1369D Mensing (CDU) . . . . . . . 1370A Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Studienkommission zur Erforschung der Möglichkeiten im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit (Drucksache Nr. 503). 1370B Dr. Bertram (Z), Antragsteller . 1370C Strauß (CSU) . . . . . . . 1371D Wönner (SPD) 1372A Harig (KPD) 1372B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Verlegung von Dienststellen des Bundes nach Berlin (Drucksache Nr. 508) 1373B Meitmann (SPD), Antragsteller 1373C, 1384C Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen . 1376B, 1386A Dr. Seelos (BP) 1378A Dr. Reismann (Z) 1379C Dr. Bucerius (CDU) 1380B Dr. Hoffmann (FDP) 1382A Neumann (SPD) 1382C Dr. Krone (CDU) 1384B Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksachen Nr. 569, 497 und 175) 1386C Nächste Sitzung 1386C Die Sitzung wird um 14 Uhr 2 Minuten durch den' Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DRP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ich werde mich dadurch auch nicht stören lassen!
    Ich bin der Meinung, daß die Stärke eines demokratischen Systems gerade darin besteht, daß es derartiger Ausnahmegesetze überhaupt nicht bedarf. Deshalb haben wir in unserem Antrag verlangt, daß die Gruppen III bis V von vornherein von allen Beschränkungen befreit und in ihre alten Rechte eingesetzt werden, was vor allem für Beamte gilt,

    (Zurufe links)

    was aber natürlich denen nicht passen wird, die nie für das Berufsbeamtentum,

    (Zuruf von der SPD: Was für ein Berufsbeamter Sie sind, haben wir in Luthe gesehen!)

    sondern für eine ausgesprochene Parteibonzokratie sind.

    (Zurufe von der SPD: Das ist doch unerhört! — Hört! Hört!)

    Die Gruppen I und II

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Greve)

    wollen wir jedenfalls auch herausgenommen sehen.

    (Erregte Zurufe und Lärm links. — Glocke des Präsidenten.)

    Die nach Gruppe I oder II Eingestuften sollen, wenn sie der Überzeugung sind, daß man ihnen nichts nachweisen kann, wenigstens das Recht haben. von sich aus den Antrag zu stellen, daß ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht und nicht vor Gerichten durchgeführt wird, bei denen sogenannte Sachverständige, die überhaupt gar keine Ahnung von der Sache haben, um die es sich . dreht, das Urteil entscheidend beeinflussen.
    Ich will wegen der Kürze meiner Redezeit in diesem Zusammenhang nur auf ein Musterbeispiel der ganzen Entnazifizierung hinweisen.

    (Zurufe links: Hedler!)

    — Nun, regen Sie sich nicht über den Fall Hedler auf! Die Blamage hatten in dem Fall ja Sie.

    (Lachen und Zurufe links.)

    Ich rede hier vielmehr von dem KolbenheverProzeß. Daß es in Deutschland überhaupt Menschen gegeben hat. die den bedeutendsten lebenden deutschen Dichter

    (lebhafte Zurufe von der SPD)

    vor ein Entnazifizierungstribunal geschleppt haben, das ist die größte Schande, die dem deutschen Volk überhaupt widerfahren konnte;

    (erregte Zurufe von der SPD)

    und wenn man sich dann diese - mit Verlaub gesagt - Trottel von Sachverständigen ansieht, fragt man sich nur, wie überhaupt derartige Menschen auf die Allgemeinheit losgelassen werden konnten.

    (Abg. Dr. Greve: Und wenn man Sie ansieht, geht es einem genau so!)

    Und den Kollegen von Bayern möchte ich nur den einen guten Rat geben und die Bitte an sie aussprechen, daß sie diejenigen, die für das Urteil gegen Kolbenheyer verantwortlich sind, doch einmal auf ihren Geisteszustand untersuchen lassen möchten,

    (Abg. Dr. Greve: Sie sollte man auf Ihren Geisteszustand untersuchen lassen!)

    oder wenigstens dafür sorgen, daß einmal nachgeforscht wird inwieweit sie die völkerrechtswidrige Macht, die sie sich angemaßt haben, noch in schamlosester Weise mißbraucht haben.
    Da uns der Antrag sehr wichtig erscheint und wir der Überzeugung sind, daß er allein die restlose Beendigung dieses Verbrechens der Entnazifizierung mit sich bringen kann, bitten wir Sie um Ihre Zustimmung.

    (Beifall bei der DRP. Zurufe von der SPD: „Sieg-Heil!" — Das ist eine Unverschämtheit!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antragsbegründung ist damit beendet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerstenmaier.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht einmal die temperamentvollen Darlegungen meines Herrn Vorredners können die CDU/CSU-Fraktion davon abbringen, für die Beendigung der Entnazifizierung einzutreten.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut! — Abg. Dr. Schmid: Aber schwer fällt es Ihnen nicht!) Erlauben Sie mir, einen Vorbehalt zu machen und meinen juristisch unzureichenden Sachverstand damit zu entschuldigen, daß ich sage, daß mein Freund von Brentano noch von der juristischen Seite her zu der Sache sprechen und sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzen wird, ob dieses Haus dafür kompetent ist, zu der Sache zu sprechen. Wir meinen aber, daß, ganz unabhängig davon, ob eine Rechtszuständigkeit des Bundes anerkannt wird oder nicht, diese Frage nunmehr nach allen Seiten hin von solcher Bedeutung ist, daß es diesem Hause wohl ansteht, sich mit der Sache selbst zu befassen. Und dazu darf ich mir erlauben, namens meiner Fraktion einige Ausführungen zu machen.


    (Zuruf links: Erzählen Sie uns mal vom Fall Hedler!)

    Wir sind für die Beendigung der Entnazifizierung, weil erstens nach unserer Auffassung die politische Überzeugung als solche nicht bestraft werden sollte.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts. — Zuruf des Abg. Loritz.)

    Zweitens sind wir wegen der Problematik des Verfahrens, die von allen Seiten anerkannt worden ist, für die Beendigung der Entnazifizierung; drittens sind wir für die Beendigung der Entnazifizierung, weil wir es nicht mit Lippenbekenntnissen bewenden lassen wollen bei der Tatsache, daß eine echte Chance gegeben werden muß für die Verführten, die nach Millionen zählen und auf die wir beim Neuaufbau des deutschen Vaterlandes nicht zu verzichten gewillt sind.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zuruf links.) Und schließlich sind wir für die alsbaldige Beendigung der Entnazifizierung unter dem Gesichtspunkt,


    (Abg. Loritz: Auf einmal?)

    daß eine echte nationale Solidarität in deutschen Landen zustandekommen muß und daß diese Einigkeit nur durch eine echte Versöhnung zu erzielen ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das ist das erste Kapitel dessen, was wir zur Sache zu sagen wünschen.


    (Dr. Gerstenmaier)

    Erlauben Sie mir nun noch zu sagen, was wir nicht meinen, wenn wir vom Ende der Entnazifizierung sprechen. Die Beendigung der Entnazifizierung soll nach unserem Willen nicht die Anerkennung oder die Rehabilitierung der Ideologie oder der Methoden des Nationalsozialismus auch nur im Ausschnitt bedeuten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir wollen keine Abstumpfung der Rechtsbegriffe und des persönlichen Verantwortungsbewußtseins mit der Beendigung der Entnazifizierung verbunden sehen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir möchten, daß ein Mann in deutschen Landen dafür geradesteht, was er zu verantworten hat.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir sind der Meinung, daß der Mangel an politischer Einsicht weder prämiiert noch bestraft werden soll. Und wir sind der Meinung, daß der Mißbrauch der Macht auf jeden Fall bestraft werden muß. Wir sind jedoch nicht der Meinung, daß man sich einfach auf den Satz zurückziehen kann: Der Befehl deckt!

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir sind uns über die Problematik dieser Sache völlig klar. Aber wir sprechen es hier aus, daß wir der Überzeugung sind, daß der Befehl nicht absolut deckt.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Was weiter bestraft werden muß, gleichgültig, ob die Entnazifizierung so oder so beendet wird, das ist die persönliche Bereicherung auf Kosten des Volkes. Wir sind auch nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form zuzustimmen, und zwar deshalb, weil vor allem eine Gruppe, von der wir sehen möchten, daß sie endlich zur Verantwortung gezogen wird, nachdem sie oft feige genug sich bis jetzt der Verantwortung für die Macht, die sie früher in tyrannischer Weise ausgeübt hat, entzogen hat. Mit anderen Worten: Wir wollen keine Freistellung von Hauptschuldigen. Und wir wollen, daß der Skandal um Skorzeny und Genossen aufhört. Wir möchten nicht, daß die Gesinnung, die sich in diesem Hause bekundet und die sich der Mängel des bisherigen Entnazifizierungssystems voll bewußt ist, zu einem Freibrief für politische Banditen ausgewertet wird.

    (Beifall in der Mitte.)

    Und noch eine andere Sache, meine Damen und Herren. Wir möchten auch, daß der Gerechtigkeit insofern Genüge getan wird, als wir keine Zulassung von Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten wünschen, etwa derart, daß die Anerkennung von Vollpensionen bei Parteibuchbeamten oder eine anderweitige Honorierung von Parteikarrieren hier noch mit der sanften Billigung dieses Hauses stattfindet.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es wäre ein langes Kapitel, und ich finde, daß es allmählich Zeit wäre, daß sich dieses Haus damit etwas länger auseinandersetzt. Aber bei der mir zur Verfügung stehenden Redezeit kann ich es nur kurz machen.
    Nur ein Wort noch zu der politischen und außenpolitischen Seite der zur Debatte stehenden Frage. Was wir nicht meinen, was das Ende der Entnazifizierung in deutschen Landen und für das Ausland bedeuten soll, das ist, daß diese Beendigung nicht heißen soll: Resignation oder
    Widerstandslosigkeit gegenüber einer von uns mit Sorge beobachteten Tendenz, aus Verbrechern oder politischen Dummköpfen neuerdings Märtyrer oder Helden der Nation zu machen.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Schmid: Herr Kollege Gerstenmaier, Sie haben da nach drüben Wen haben Sie damit gemeint?)

    — Sie wissen, wo der Feind steht!

    (Beifall in der Mitte und bei der SPD. — Zurufe rechts.)

    Nur mit Bedauern können wir feststellen, wie unter dem Einfluß einer unverantwortlichen Demagogie das Bewußtsein für den Begründungszusammenhang in weiten Schichten unseres Volkes allmählich entschwindet, für den Begründungszusammenhang, in dem unser nationales Unglück steht und auch in dem Bewußtsein der anderen Völker stehen bleiben wird.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich freue mich, daß meine Fraktion mir erlaubt hat, eine Warnung auszusprechen, eine Warnung, daß es auch nach unserem Willen lebensgefährlich ist, in deutschen Landen alte gewaltpolitische Spiele und verbrecherische Instinkte neu zu betätigen, und daß wir sogar das Spiel mit derartigen Gedanken unter Strafe gestellt sehen möchten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es macht uns nicht den mindesten Eindruck, wenn man so etwas unter Berufung auf die nationale Ehre tut. Das haben wir alles schon einmal erlebt. Es hat damit geendet, daß der vornehmste Teil unseres deutschen Adels an den Galgen von Plötzensee, an Schlachterhaken - um genau zu sein — geendet hat. Auch die Grenzen des gegenwärtig geltenden positiven Rechts werden meine Freunde und mich nicht hindern, für die Substanz des Rechts in dieser Sache jederzeit mit dem einzutreten, was wir sind und was wir vermögen.
    In all dem — damit wir uns hier nicht mißverstehen — bleiben wir uns dessen bewußt, daß wir darin nicht Vollstrecker von Rachemaßnahmen sind. Wir wollen keine Rache! Wir wollen, daß die großen Verbrecher nach Möglichkeit von selber dafür geradestehen, was sie an dem deutschen Volk und an der Welt begangen haben. Wenn sie das nicht tun, dann wird die deutsche Nation nicht fünf gerade sein lassen! Ich rede von den Großen. Für die Kleinen treten wir für eine viel weitergehende Amnestie ein, als es bisher geschehen ist. Wir sind also nicht Vollstrecker von Rachemaßnahmen, weder der unseren noch derjenigen, die auswärtige Mächte in früheren Tagen in diesem Punkt für richtig hielten oder vielleicht heute noch da und dort zu erwägen für richtig halten. Wir sind auch nicht, indem wir das sagen, Vertreter von Siegermächten. Wir treten hier für nichts anderes ein als für die Ehre der deutschen Nation, und wir sind nicht bereit, diese Ehre der deutschen Nation in die Hände von Leuten fallen zu lassen, die sich bereits einmal als notorische Versager oder subalterne Geister erwiesen haben: Remer, Krüger und Genossen.

    (Beifall in der Mitte und links.)

    Diesen Leuten verweigern wir das Recht, auch nur durch Gesinnungsgenossen hier in diesem Saal zu Wort zu kommen.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und links.)



    (Dr. Gerstenmaier)

    Wir sind niemand verpflichtet und fühlen uns niemand verpflichtet als Deutschland und der Gemeinschaft der den Frieden und die Freiheit liebenden Völker, mit denen wir leben wollen und mit denen wir leben müssen, wenn wir eine Zukunft haben wollen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Gerade deshalb glauben wir, daß es einer genauen Erwägung bedarf, was wir in Zukunft um der Lebensmöglichkeit Deutschlands in der Gemeinschaft der anderen Völker willen in diesem Punkt zulassen dürfen und zulassen sollen. Die außenpolitische Bedeutung einer entsprechenden Gesetzgebung, wie wir sie hier vertreten sehen möchten und wie wir sie von der Bundesregierung vorgelegt sehen möchten, die außenpolitische Bedeutung der hier zur Debatte stehenden Angelegenheit kann überhaupt nicht überschätzt werden.

    (Sehr richtig! links.)

    Dem Radikalismus, der billig genug ist — es besteht ja Redefreiheit, und jeder kann sagen, was er will; sogar die Feiglinge kriechen aus ihren Löchern —, diesem neuen Radikalismus fehlt, das haben wir in den letzten Monaten bemerkt, das Augenmaß für die einfachste politische Realität. Es fehlt ihm das Gewissen für das politisch Erlaubte, und es fehlt ihm der Verstand für das politisch Aktuelle, nämlich für Europa.

    (Beifall in der Mitte und links.)

    Vor einigen Tagen habe ich einen Brief von einem. bekannten Deutschen aus Kairo bekommen. Er schreibt folgende Sätze: -
    Es ist eine Freude, festzustellen, wie sehr sich die allgemeine Stimmung im Auslande uns gegenüber verbessert hat. Bonn ist zu einem festen Begriff geworden. Ein ägyptischer Diplomat sagte mir: „Es ist schön, zu sehen, daß Ihr Land wieder einen guten Platz im europäischen Konzert eingenommen hat." Diese Äußerung erscheint mir charakteristisch für die Meinung, die ich jetzt am östlichen Mittelmeer angetroffen habe. Es gibt aber auch Kritik. Für mich ist es bedrückend, im Auslande manchmal der Ansicht zu begegnen, als wäre es Bonn gleichgültig oder gar angenehm, daß sich das in Westdeutschland in stärkerem Maße bemerkbar macht, was die Presse oft das „Wiedererwachen des deutschen Nationalismus" nennt. Es ist meines Erachtens schwer, sich etwas vorzustellen, was das gerade wieder einsetzende Vertrauen des Auslandes in uns und unseren aufrichtigen Wunsch nach Mitarbeit nachhaltiger erschüttern könnte als das öffentliche Auftreten und die Reden von Remer, Hedler, Dorls und Feitenhansl.

    (Hört! Hört! bei der SPD. Zuruf von der SPD: Nun wißt ihr es!)

    Nun noch ein zweites. Wir finden, daß es wertvoll wäre, in diesem Hause einmal auf die Rede zu sprechen zu kommen, die Mr. McCloy vor einigen Wochen in Stuttgart gehalten hat. Ich glaube, daß wir für diese Rede besonders deshalb dankbar sein sollten, weil sie die Situation wiedergibt, die viele von uns kennen, die in den letzten Jahren jenseits der deutschen Grenzen für Deutschland zu tun und zu reden hatten. Wir sind dankbar dafür, daß durch die Stimme und die Augen eines wohlwollenden Mannes, von dem wir überzeugt sind, daß er für dieses Land das
    Beste will, die Situation wiedergegeben wird, der wir draußen gegenüberstehen, die wir ins Auge zu fassen haben und um deren richtige Erkenntnis wir uns nicht selbst betrügen dürfen. Weil seine Stuttgarter Rede diese Situation redlich wiedergibt, sind wir Mr. McCloy dankbar. Wir stehen nicht an, auszusprechen, daß uns diese Reden der ungeschminkten Wahrheit unendlich viel lieber sind als die freundlichen Worte bei manchen Cocktail-Parties

    (Sehr richtig! links.)

    Trotz ihrer hohen politischen, insbesondere außenpolitischen Bedeutung glauben wir jedoch, daß wir diese Grundfragen unseres nationalen Daseins auf Grund der Geschichte, die wir an uns selber erlebt haben, mit .eigener Kraft bewältigen und vor unseren eigenen sittlichen, rechtlichen und politischen Wertmaßstäben verantworten müssen. In diesem Punkt bin ich der Meinung, daß die Angelegenheit, von der wir hier reden, nicht, jedenfalls nicht ausreichend, unter den Aspekten einer vielleicht noch so wohlmeinenden Re-education, überhaupt nicht unter pädagogischen Gesichtspunkten des Auslandes betrachtet und verstanden werden kann. Wir erbitten vom Ausland das Verständnis dafür, daß das deutsche Volk allmählich in eine Bewußtseinsepoche eintritt, in der es die Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte und die Bewältigung dieser Geschichte überhaupt erst in sich selber frei vollziehen muß. Wir würden es für außerordentlich wertvoll und förderlich halten, wenn diese Auseinandersetzung in möglichst großer Freiheit und möglichst ohne daß uns ausländische Wertmaßstäbe auferlegt werden, vollzogen werden könnte.
    Wir meinen deshalb, daß hier ein Gesetzeswerk mit eigenen, klar verantworteten Rechtsbegriffen geschaffen werden müßte, das erstens die Freiheit der politischen Überzeugung festlegt, gleichgültig ob sie uns paßt oder nicht. Hier sind wir nicht zu Konzessionen bereit. Denn das gehört zu den Staats-Grundsätzen, zu denen wir uns bekennen. Wir respektieren die Freiheit der politischen Überzeugung. Zweitens fordern wir ebenso unbedingt die Bestrafung der verbrecherischen Tat und ihrer nachgewiesenen Absicht. Drittens wollen wir die gemeine Gesinnung, gleichgültig, ob sie sich politisch oder unpolitisch ausdrückt, menschlich und national geächtet wissen. Viertens wollen wir die demagogischen Angriffe oder die bösartige Unterwühlung der Freiheit des Lebens und der Zukunft der Nation energisch bestraft wissen.
    In diesem Zusammenhang sehen wir das Problem des Abschlusses der Entnazifizierung. Die CDU/CSU-Fraktion verlangt deshalb erstens den Abschluß der Entnazifizierung mit ihrer Vermischung von politischer Gesinnung und kriminellem Tatbestand. Zweitens empfiehlt sie den Erlaß einer Amnestie. Drittens fordert sie eine korrekte Strafverfolgung dort, wo Verbrecher zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Wir fordern dabei — wie die Aufgabe auch juristisch gemacht wird — eine endgültige Heranziehung aller der Gruppen und aller der Personen, die unter den Begriff der Hauptschuldigen zu stellen sind.
    Wir machen deshalb den Vorschlag, daß die Bundesregierung möglichst bald diesem Hause ein Gesetz zum Schutz des Staates oder entsprechende gesetzliche Bestimmungen zum glei-


    (Dr. Gerstenmaier)

    chen Zweck vorlegt, und wir empfehlen, daß die bundeseinheitliche Beendigung der Entnazifizierung einen wesentlichen Teil dieses Gesetzgebungswerkes bildet Wir haben starke Bedenken — ich habe das namens meiner Fraktion hier auszusprechen — gegen die Vorlage der FDP. Wir sind in diesem Augenblick nicht in der Lage, dieser Vorlage zuzustimmen und beantragen daher auch unsererseits ihre Verweisung an den Ausschuß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)