Rede von
Lisa
Albrecht
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Am 1. und 2. Dezember vorigen Jahres fand in diesem Hause über die Gleichberechtigung von Mann und Frau eine Debatte statt. Im Grundgesetz ist dieses Recht — ich brauche Ihnen den Artikel nicht zu nennen, weil Sie ja das Grundgesetz inzwischen selbst alle genauestens kennen — verankert. Aber an diesem Tage sind uns sehr freundliche und gute Worte aus allen Fraktionen zu Gehör gebracht worden. Wir stellten fest: wir Frauen sind in diesem Bundestag wirklich gleichberechtigte Bürgerinnen. Ich muß Ihnen aber sagen: ich war erschüttert, als ich an den Besprechungen des Ausschusses für Beamtenrecht teilnehmen konnte und feststellen mußte, daß es um die Gleichberechtigung der Frau gar nicht so sicher stand,
sondern daß es doch noch wesentliche Unterschiede gibt.
Im Beamtenrechtsausschuß haben wir uns für die Gleichberechtigung der Beamtin eingesetzt; denn die Beamtin ist ja auch ein Mensch, nicht wahr? Sehr viel schöne Worte sind für die Beamtin gesprochen worden, aber bei den Beratungen der einzelnen Paragraphen dieses nationalsozialistischen Gesetzes wollte man doch an dem festhalten, was in den Paragraphen des Gesetzes von 1937 stand. Zwar sind die §§ 63, 93 und 97 abgeändert worden, aber der § 28 blieb in seiner alten Fassung bestehen, ebenso auch der § 10 Absatz 2 Ziffer 4, mit dem wir uns ebenfalls in unserer Fraktion eingehend beschäftigt haben. In diesem § 10 Absatz 2 Ziffer 4 heißt es, daß die Frau des Beamten, die einen Gewerbebetrieb für sich einrichten will, nun nicht etwa diesen Betrieb auch eröffnen kann — nach dem Grundgesetz hat sie das Recht dazu, jede andere Regelung bedeutet einen Eingriff in ihre persönlichen Rechte —, sondern es wird von ihr verlangt, daß sie bei der vorgesetzten Behörde ihres Ehemannes die Erlaubnis einholen muß, einen Gewerbebetrieb eröffnen zu dürfen. Wir verwahren uns ganz energisch gegen diesen Eingriff in die privaten Rechte der Frauen der Beamten. Ich habe inzwischen festgestellt, daß es sich meistens um Frauen der kleinen, also der schlechtbezahlten Beamten handelt. Es handelt sich doch um die Milchfrau; denn die Frau, die einen akademischen Beruf ausübt, der hohe geistige Anforderungen stellt, braucht bei der vorgesetzten Behörde ihres Mannes nicht um Erlaubnis zu fragen, ob sie diesen Beruf ausüben darf.
Ich kenne die Argumentation, die Sie im Beamtenrechtsausschuß veranlaßte, dagegen zu sprechen. Sie argumentieren damit, es sei nicht möglich, einer Frau eines Beamten die Genehmigung zur Eröffnung eines Gewerbebetriebes zu erteilen, denn es konnten zu leicht Bestechungen oder Korruption vorkommen. Sie brauchten nicht vorzukommen, wenn man in den Menschen selbst ein klein wenig mehr Vertrauen setzte. Falle solcher Art kommen, wie wir wissen, auch in anderen Kreisen vor.
Überlegen Sie doch einmal, warum die Frau zur Arbeit greift. Warum eröffnet sie einen Gewerbebetrieb ? Doch nur deshalb, weil der kleine Beamte bei Großerwerden seiner Familie nicht aas verdient, was er zum Lebensunterhalt braucht. Weil sich die Frau verpflichtet fuhrt, ihm zur Seite zu stehen, um ihren Kindern das zu bieten, was sie in der heutigen Gesellschaft brauchen; deshalb greift sie zur Arbeit. Wir sind der Meinung: wenn sich die Frau dieses ihr zustehende Recht nimmt, soll man ihr nicht zumuten, bei der vorgesetzten Behörde um Erlaubnis nachzufragen.
Im übrigen heißt es doch im Bürgerlichen Gesetzbuch, daß die Frau nut dem Mann nicht verwandt ist, nur die Kinder sind mit dem Manne verwandt. Würde also eine Tochter oder ein Sohn, neren Vater im Beamtenverhältnis steht, einen Gewerbebetrieb eröffnen, brauchten diese in verwandschaftlichem Verhältnis zu ihm Stehenden keine Erlaubnis der vorgesetzten Behörde einzuholen. Aber die Frau, nie nach dem Gesetz sicn in keinem verwandschaftlichen Verhältnis zu ihm befindet, soll eine Erlaubnis einholen! Darum bitten wir Sie, daß auch hier der Frau das ihr zustehende Recht auf Gleichberechtigung gewahrleistet wird und daß das Hohe Haus unserem Wunsch nachkommt, im § 10 Ziffer 2 den vierten Absatz zu streichen.
Gestatten Sie mir, daß ich auch einige wenige Sätze über den §§ 28 des Beamtengesetzes von 1937 sage. im Beamtenrechtausschuß wurde darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz ja nur ein Übergangsgesetz sei und daß man darum diese Dinge auch im § 28, wo es um die Lebensalterangreichung geht, bestehen lassen könne. Ich persönlich verwahre mich gegen eine Doppelgleisigkeit, nach außen in der Agitation davon zu sprechen, man setze sich fur die Gleichberechtigung, es solle vorlautig alles so bleiben.
Wir persönlich sind der Meinung, daß auch in einem Übergangsgesetz der alte Zopf ruhig abgeschnitten werden sollte!
Denn wenn man diesen Zopf jetzt abschneidet, braucht man es nachher bei der Beratung des ordentlichen Gesetzes nicht mehr zu tun. Nicht wahr, Frau Dr. Weber? Dann erspart man sich eine ganze Menge Arbeit.
Meine Herren und Damen, diese Arbeit wollte ich Ihnen im Rechtsausschuß und auch in diesem Hause ersparen. Darum bitten wir Sie, genau so fortschrittlich zu sein, wie es die FDP noch nachträglich gewesen ist, die auch inzwischen diesen Zopf abgeschnitten hat. Heißt es doch im Artikel 28, daß der Mann mit dem vollendeten 27. Lebensjahr bereits Beamter werden kann, die Frau aber erst — man höre, und das im ersten Deutschen Bundestag! — —
— Meine Herren, lassen Sie ein klein wenig Ihr eigenes Gewissen sprechen, besonders Sie, Herr Abgeordneter Farke! Ich möchte Ihnen doch sagen, Sie wären ja alle nicht Parlamentarier
— so ausgezeichnete, so vorzügliche Parlamentarier —, wenn Sie nicht so glänzende und so kluge Mütter gehabt hätten, nicht wahr?
Alles, was Sie sind und was Sie können, meine Herren, verdanken Sie Ihrer Mutter! Auch wir Frauen verdanken es den Müttern.
Kein geringerer als der alte Herr Geheimbde hat Goethe nat es bestätigt, und Sie wonen noch nicht dem Geheimbden Rat Goethe diese seine letzte Weisheit absprechen! Aber wenn Sie der Frau nicht die Möglichkeit geben, genau so mit dem vollendeten 27. Lebensjahr in aas Beamtenverhältnis hineinzugehen, nann beschneiden Sie ihr eine ganze Menge Arbeitsjahre, und in der heutigen Zeit der so kolossalen gesellschaftlichen Umwandlung — ich brauche Ihnen diese Dinge nicht alle auseinanderzusetzen, das sollten Sie ja selbst wissen — —
— Sie stimmen zu? Dann erübrigt es sich, daß ich weiterspreche und Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehme. Ich danke ihnen für Ihre moderne Haltung.