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ID0103800200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Februar 1950 1245 38. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 15. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1245D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen betr. Förderung der Wirtschaft von Groß- Berlin (West) 1246A Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 . . 1246A Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 1246A Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Max Wönner 1246A Antrag des Oberstaatsanwalts in Hannover betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Dr. Franz Richter 1246B Kabinettsbeschluß über die Erhöhung der Butterpreise (Drucksache Nr. 549) . . . 1246B Interpellation der Fraktion der SPD betr. Investitionen im Gebiet der Bundesrepublik (Drucksache Nr. 403) . . . . 1246B Dr. Veit (SPD), Interpellant 1246C, 1263B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1251A Dr. Bertram (Z) 1257D Rische (KPD) . . . . . . . . 1259A Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) . . . . 1260C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Kriegsvorschriften über die Siegelung gerichtlicher und notarischer Urkunden (Drucksache Nr. 506) 1264C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einwirkung von Kriegssachschäden an Gebäuden auf Miet- und Pachtverhältnisse (Drucksache Nr. 507) . 1264D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (Drucksache Nr. 511) 1264D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksachen Nr. 497 und 175; Abänderungsanträge Drucksachen Nr. 514, 526, 532) 1264D Zur Geschäftsordnung: Dr. Menzel (SPD) 1265A, 1270C, 1299C Dr. Wuermeling (CDU) . . 1265C, 1271A Dr. Becker (FDP) . . . . . 1265D Mellies (SPD) 1265D Schoettle (SPD) 1270D Zur Sache: Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 1266B Gundelach (KPD) 1271C Pannenbecker (Z) 1274B Dr. Menzel (SPD) . . . . . . . 1274C Frau Albrecht (SPD) . . . . . 1277A Böhm (SPD) . . . . . . . . 1278B Arnholz (SPD) . . . . . . . . 1280B Baur (SPD) 1282A Stopperich (SPD) . . . . . . . 1282D Dr. Falkner (BP) 1283B Dr. Nowack (FDP) 1284A Dr. Wuermeling (CDU) . . . . 1289A Farke (DP) . . . . . . . . . 1293A Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern . . . . . . . . 1293D Abstimmungen . . . . . . . . 1295B Zur Abstimmung: Dr. Menzel (SPD) 1297D Dr. Oellers (FDP) 1297D Euler (FDP) 1298A Dr. Bucerius (CDU) 1298A Mellies (SPD) 1298A Nächste Sitzung 1299D Die Sitzung wird um 13 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Hugo Karpf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Dr. Orth, Dr. Weiß, Schütz, Dr. Laforet, Stücklen, Freudenberg, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Determann, Fisch, Wittmann, Freitag, Schönauer, Löbe, Neumann, Wagner. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Pferdmenges, Dr. Dresbach, Gockeln, Graf von Spreti, Even, Dr. Oesterle, Frau Dr. Ilk, Rademacher, Reimann, Frau Thiele, Oskar Müller, Loritz, Wallner, Frau Albertz, Fischer, Frau Schroeder, Dirscherl, Neuburger, Reitzner und Parzinger. Außerdem fehlt der Abgeordnete Goetzendorff.


Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Mit Schreiben vom 10. Februar hat der Bundesrat mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage beschlossen hat, gemäß Artikel 77 des Grundgesetzes folgenden Gesetzentwürfen seine Zustimmung zu geben:
1. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West),
2. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 1949,
3. Entwurf eines Gesetzes über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    erstens einen Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 16. Januar 1950 auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Max Wönner, der sich auf einen Bericht des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht München stützt; zweitens einen Antrag des Oberstaatsanwalts in Hannover vom 6. Januar 1950 auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Dr. Franz Richter. — Ich darf wohl das Einverständnis des Hauses feststellen, daß diese beiden Anträge gemäß dem bisher üblichen Verfahren dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität überwiesen werden.
    Ich habe weiter mitzuteilen, daß der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Schreiben vom 9. Februar einen Kabinettsbeschluß über die Erhöhung der Butterpreise mitgeteilt hat, der den Mitgliedern des Hauses als Drucksache Nr. 549 entweder schon zugegangen ist oder im Laufe des heutigen oder nächsten Tages noch zugehen wird.
    Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zur Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 1:
    Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Investitionen im Gebiet der Bundesrepublik (Drucksache Nr. 403).
    Für die Behandlung dieser Vorlage schlägt Ihnen der Ältestenrat gemäß § 88 der Geschäftsordnung vor, für die Debatte insgesamt eine Redezeit von 120 Minuten festzulegen mit der Maßgabe, daß für die Einbringung und Begründung der Interpellation seitens der Interpellanten 30 Minuten vorgesehen sind. Ich erbitte die Zustimmung des Hauses zu diesem Vorschlag des Ältestenrats, daß die Beratung insgesamt 120 Minuten dauern soll. — Ich höre keinen Widerspruch, darf das Einverständnis des Hauses feststellen und meinerseits hinzufügen, daß wir nach dem bereits bewährten Verfahren am letzten Freitag jeweils vom Präsidium aus dem
    Herrn Redner die Zeitdauer seiner Rede mitteilen werden.
    Wer von den Herren Interpellanten wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Veit!
    Dr. Veit (SPD), Interpellant: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der deutschen Wirtschaftspolitik ist die Aufgabe gestellt, die durch den Krieg und seine Folgen zerstörte und aus sinnvollen Beziehungen geworfene Wirtschaft aufzubauen und ihre Ordnung wiederherzustellen. Das Ziel muß ein Wirtschaftsapparat sein, der möglichst allen arbeitswilligen Menschen des Landes den Arbeitsplatz sichert, eine Produktion, mit der der inländische Bedarf, sei es direkt, sei es über den Weg des Außenhandels, gedeckt wird, und eine Leistungsfähigkeit, die es der Wirtschaft ermöglicht, qualitäts- und preismäßig den Wettbewerb mit den anderen Ländern auf dem Weltmarkt aufzunehmen. Der Aufbau kann und darf auf vielen Gebieten kein Wiederaufbau sein. Der Wunsch der wirtschaftenden Menschen, denen der Krieg ein Geschäft oder eine Produktionsstätte zerstört hat, die ihren Mann ernährte, dasselbe Geschäft oder dieselbe Produktionsstätte wenn möglich am gleichen Platz und in der gleichen Art wieder zu errichten, ist verständlich. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus darf aber nicht übersehen werden, daß wir zu einer ungeheuren Fehlleistung kämen, wenn alle so handeln und die Wirtschaft wieder so aufbauen würden, als wenn alles beim alten bliebe und der Krieg keinerlei Veränderungen mit sich gebracht hätte. Der Neubau der deutschen Wirtschaft muß die weitreichenden strukturellen Veränderungen ebenso vor Augen haben wie die neuen Aufgaben, die unserer Wirtschaft gestellt sind.
    Die Zerreißung Deutschlands in zwei Wirtschaftsgebiete, in denen nicht nur nach grundverschiedenen Prinzipien gewirtschaftet wird, sondern deren natürliche Kommunikation aus politischen Gründen oft mit größeren Hemmnissen belastet ist als der Verkehr mit dem Ausland, hat trotz des im ganzen deutschen Volk brennenden Wunsches nach Wiedervereinigung ganz Deutschlands schwerwiegende Produktionsverlagerungen ausgelöst. Der Industrieplan der Besatzungsmächte mit seinen Verboten und Beschränkungen wichtiger Industrien hat die Umstellung vieler Produktionen zur Folge.
    Der Raubbau der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik am deutschen Produktionsapparat hat die Erneuerung der maschinellen Ausrüstung zur unausweichlichen Voraussetzung einer Wettbewerbsleistung gemacht. Bei dieser Erneuerung muß aber der technische Fortschritt berücksichtigt werden, den die übrige Welt in der Periode verzeichnen konnte, in ,der wir Kanonen statt Butter produzierten. Dabei wird es zu überlegen sein, ob wir überhaupt auf einzelnen Gebieten den technischen Vorsprung kochindustrialisierter Länder, inbesondere der Vereinigten Staaten von Amerika, in absehbarer Zeit einholen können oder ob das so unwahrscheinlich ist, daß die Wiedererrichtung solcher Industrien volkswirtschaftliche Fehlinvestitionen größten Ausmaßes wären. Man wird diese Überlegungen um so mehr anstellen müssen, als die in steigendem Maße von den Vereinigten Staaten gewünschte und wohl auch erzwungene Liberalisierung des Handels in naher Zukunft prohibitive Schutzmauern der Außenhandelspolitik


    (Dr. Veit)

    zum Einsturz bringen wird. Die etwaige künftige Richtung des deutschen Exports wird bei den Erwägungen über den Aufbau ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen müssen, da uns große Gebiete, mit denen Deutschland in früherer Zeit Außenhandel getrieben hat, wie zum Beispiel die östlichen. Länder und Rußland, in absehbarer Zeit mehr oder weniger verschlossen sein werden.
    Aber nicht nur die materiellen Grundlagen unserer wirtschaftlichen Struktur haben sich tiefgehend verändert, sondern auch in dem Produktionsfaktor Mensch sind wesentliche Umschichtungen eingetreten, die beim Aufbau einer neuen deutschen Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielen müssen. Die Übervölkerung des uns verbliebenen Gebietes der deutschen Bundesrepublik, in der einschließlich Berlin seit 1937 die Bevölkerung pro Quadratkilometer um 44 Prozent zugenommen hat, und die Veränderung in der Zusammensetzung der arbeitenden Schichten müssen bei der Neuordnung unserer Wirtschaft ebenso berücksichtigt werden wie die Tatsache, daß durch die Vertreibung von etwa 8 Millionen Menschen aus den Ostgebieten und ihre Ansiedlung in zum großen Teil industriearmen Gegenden unseres Landes schwere wirtschaftliche und soziale Spannungen entstanden sind, deren Behebung ein zwingendes politisches Postulat ist. Der Wegfall wichtiger Ernährungsgebiete des Ostens, deren Menschen jedoch von uns miternährt werden müssen, erschwert durch den Zwang zu um so größerer Exportleistung die ohnehin genügend schweren Aufgaben.
    Meine Damen und Herren! Für die Lösung dieser Aufgaben ist uns nicht beliebig viel Zeit gelassen, sondern es ist uns ein Termin gesetzt, der in bedenkliche Nähe gerückt ist. Daß wir bisher leben konnten — ein Teil sehr gut, ein wesentlich größerer Teil recht und schlecht und ein viel zu großer Teil um und unter der Grenze des Existenzminimums —, ist ausschließlich der großzügigen und großherzigen Hilfeleistung des amerikanischen und des englischen Volkes zu verdanken. Diese Hilfe hört in der Mitte des Jahres 1952 auf. Bis dahin muß der Aufbau im wesentlichen vollendet sein. Gelingt das nicht, so ist ein ungeheures Absinken des deutschen Lebensstandards auf allen Gebieten unvermeidlich.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die damit verbundenen politischen Gefahren brauche ich in diesem Kreise nicht auszumalen.
    Dieser für das Leben unseres Volkes entscheidende Aufbau unserer Wirtschaft erfordert Kapital. Aber gerade daran fehlt es in unserem Volke am meisten. Ungeheure Kapitalwerte sind im Bombenhagel des Weltkrieges und in den Erdkämpfen, die sich durch den Entschluß, bis 5 Minuten nach 12 Uhr zu kämpfen, durch ganz Deutschland hinzogen, vernichtet worden. Ein nicht geringer Teil deutscher Vermögenswerte ist der Demontage zum Opfer gefallen. Die deutschen Vermögen im Ausland sind beschlagnahmt worden: Die deutschen Patente und andere gewerbliche Schutzrechte, ein nicht abzuschätzender Wertbestandteil der deutschen Vermögensbilanz, ist der ganzen Welt zur Verfügung gestellt worden. Das deutsche Geldvermögen ist durch die Währungsreform im Juni 1948 auf einen verschwindenden Bruchteil zusammengestrichen worden. Die Bildung neuen Kapitals ist erschwert durch die vermehrten Ausgaben der öffentlichen Hand, insbesondere durch die Besatzungslasten und den unstillbaren Konsumbedarf des ganzen Volkes.
    Angesichts dieser Situation sind die von meiner Fraktion an die Regierung gestellten Fragen ohne weitere Begründung verständlich. Es sind ohne Übertreibung Lebensfragen unseres Volkes. Trotz der erschwerten Bedingungen einer Kapitalneubildung hat sich in Deutschland Kapital gebildet. Aber weil es so knapp ist und weil es von entscheidender Bedeutung für das deutsche Schicksal ist, ob es rechtzeitig und an der richtigen Stelle eingesetzt worden ist und in Zukunft eingesetzt werden wird, haben wir die Regierung um Bericht gebeten, in welchem Ausmaß bisher Kapital in der deutschen Wirtschaft investiert worden ist, in welchen Wirtschaftszweigen das geschehen ist, wieviel Arbeitsplätze damit neu geschaffen worden sind, inwieweit die Produktionskapazitäten gesteigert worden sind, wieviel Wohnraum neu geschaffen worden ist und ob und in welchem Umfang Fehlinvestitionen zu verzeichnen waren.
    Es ist, wie ich schon sagte, in Deutschland Kapital neu entstanden. In der Zeit vor der Geldreform wurde unter dem billigsten Einsatz des Produktionsfaktors Mensch, der nicht einmal die notwendigsten Lebensmittel verdiente, in nicht unerheblichem Umfang Sachkapital neu gebildet.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Im ersten Jahr seit der Geldreform sind etwa 15 Milliarden D-Mark für Anlagezwecke einschließlich der Abschreibungen verwendet worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenn man den Betrag der Vorratsbildung hinzu- rechnet, so erhöht sich diese Summe auf etwa 18 Milliarden D-Mark. Es ist damit zu rechnen, daß der Betrag der Bruttoinvestitionen im laufenden zweiten Jahr seit der Währungsreform eher noch über diesem Betrag liegt.
    Trotz dieser für eine geschwächte Volkswirtschaft sehr beträchtlichen Beträge sehen wir mit wachsender Sorge das Ansteigen der Arbeitslosenziffer auf beinahe 2 Millionen und die immer noch gewaltig klaffende Lücke zwischen der deutschen Ausfuhr und der deutschen Einfuhr. Nur etwa 50 Prozent der deutschen Einfuhr kann aus dem Erlös der deutschen Ausfuhr bezahlt werden, ja, von der Einfuhr aus dem Dollarraum nicht einmal 10 Prozent.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Angesichts dieser Sachlage des Ansteigens der Arbeitslosigkeit einerseits und der ungenügenden deutschen Exportsteigerung andererseits erhebt sich die Frage, ob die seit dem Zusammenbruch und insbesondere seit der Währungsreform vollzogenen Kapitalinvestitionen in Deutschland an der richtigen Stelle erfolgt sind. Wenn diese Frage verneint werden muß, dann fragen wir die Regierung, wie dieses folgenschwere Versagen verantwortet wird und ob sie bereit ist, in der Zukunft das Menschenmögliche zu tun, um die sich neu bildenden Kapitalien volkswirtschaftlich richtig einzusetzen.
    Diese Frage, meine Damen und Herren, geht das ganze Volk an; denn die Steigerung des Sozialprodukts, das heißt des wirtschaftlichen Gesamtergebnisses unseres Volkes auf eine Höhe, die eine Kapitalbildung ermöglichte, ist dem. Fleiß, der Tüchtigkeit und dem Lebenswillen aller


    (Dr. Velt)

    schaffenden Menschen in Deutschland zu verdanken.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wenn der eine im Verhältnis zu dem anderen einen größeren Teil des Sozialprodukts in seine Kasse leiten konnte, so ist das nicht immer auf die größere Leistung zurückzuführen.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Der Überschuß des Sozialprodukts, der nicht in den Konsum ging, ist zudem kein echter, über den Konsumbedarf hinausgehender Teil des Sozialprodukts, sondern im wesentlichen entstanden aus dem erzwungenen Konsumverzicht derer, denen der Bezugschein Geld in unzureichendem Maße zur Verfügung gestellt worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn die auf diese Weise zustande gekommenen Kapitalien nicht an der richtigen Stelle eingesetzt werden und die deutsche Volkswirtschaft am Ende der Marshallplanhilfe ihre Aufgabe, das Volk am Leben zu erhalten, nicht mehr erfüllen könnte, dann wäre es wiederum das ganze Volk, vor allem aber wären es die Ärmsten, die die Folgen dieses Fehlers zu tragen hätten.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Als meine Fraktion am 14. Januar aus dieser Sorge heraus die Anfrage einbrachte, war es ihr noch nicht bekannt, daß die Bundesregierung durch den Herrn Bundesminister für den Marshallplan ein Memorandum der Bundesrepublik Deutschland zum Programm 1950/51 und 1951/52 vom 15. Dezember 1949 bereits an diesem Tage der OEEC unter hermetischem Ausschluß der gesamten deutschen Öffentlichkeit zugeleitet hatte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Noch viel weniger kannten wir den Inhalt des Memorandums. Inzwischen haben wir Gelegenheit gehabt, uns damit zu beschäftigen. Leider müssen wir feststellen, daß unsere Sorgen dadurch nicht behoben, sondern wesentlich gesteigert worden sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Denn aus dem Memorandum ergibt sich mit geradezu schmerzlicher Deutlichkeit, daß selbst unter Zugrundelegung optimistischer Schätzungen und Entwicklungsannahmen bis zum Ende der Marshallplanhilfe die Arbeitslosigkeit 1,8 bis 2 Millionen betragen wird

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und daß der Ausgleich unserer Zahlungsbilanz, die mit einem Defizit von 400 Millionen Dollar am Ende der Marshallplanhilfe schließt, eben nur mit Hilfe der ERP-Gelder gedeckt werden kann, ohne daß zu erkennen ist, aus welchen Mitteln nach Beendigung des ERP ein Defizit abzudecken wäre.
    Das Ressentiment dieses Memorandums und damit das Fazit der derzeitigen deutschen Wirtschaftspolitik ist somit die Feststellung: Die Arbeitslosen bleiben bei günstigster Entwicklung in gleicher Zahl arbeitslos, und wenn die Marshallplanhilfe aufhört, warten wir auf das große Wunder.
    Wir wollen die Schwierigkeiten, mit denen die deutsche Wirtschaftspolitik zu kämpfen hat, weder verkennen noch verkleinern und teilen die Zweifel darüber, ob es möglich ist, bis zum Ende der Marshallplanhilfe die Lebensfähigkeit des deutschen Volkes zu erreichen. Aber wir wehren uns mit aller Kraft dagegen, daß man das hinnimmt
    wie eine Fügung, daß man die verhängnisvolle Entwicklung treiben läßt, anstatt sich ihr mit allen Mitteln und Kräften entgegenzustemmen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Es ist ein Irrtum, als der Weisheit letzten Schluß
    der Wirtschaftspolitik die Inaktivität des Staates
    zu proklamieren, ein Irrtum auch vom Standpunkt
    des konsequenten Dogmatikers des Liberalismus

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Gegenrufe von der FDP)

    wenn er sich marktfremden Einbrüchen in seine Wirtschaft gegenübersieht. Aktivität besteht aber nicht in Palliativmittelchen wie der kostenlosen Verteilung von 60 000 Exemplaren einer Broschüre über den Export in den Dollar-Raum,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    die man in dem OEEC-Memorandum als Zeichen deutscher Rührigkeit erwähnenswert findet, sondern im Anpacken des Übels an der Wurzel, das heißt bei der Entstehung, der Lenkung und der Überwachung des Kapitalstroms.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Die Notwendigkeit, das Steuer herumzuwerfen und den Kurs zu ändern, kann mit vielen Sätzen des Memorandums selbst belegt werden. So heißt es beispielsweise auf Seite 7 Ziffer 19:
    Es wird also selbst bei vollem Einsatz aller verfügbaren Counterpart - Funds zur Investitionsfinanzierung nur schwer möglich sein, das jetzige Investitionsvolumen einigermaßen aufrechtzuerhalten.
    Auf Seite 7 Ziffer 16 wird gesagt:
    So groß der Erfolg aller Bemühungen zu veranschlagen ist, den Bevölkerungszuwachs, der im wesentlichen durch die Zuwanderungen der Vertriebenen zustande kam, in den Wirtschaftsprozeß einzugliedern, unterliegt es doch keinem Zweifel, daß das Arbeitslosenproblem nicht nur in gleichem Ausmaß weiterbesteht wie bisher, sondern in der kommenden Zeit noch erheblich kritischer zu werden droht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich mache darauf aufmerksam, daß diese Prognose bei günstigster Berechnung und Einsatz aller verfügbaren Investitionsmittel ausgesprochen worden ist. Wie sie zu vereinbaren ist mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, der in seiner Rede vom Donnerstag, dem 9. Februar, wörtlich sagte:
    Wir sind der Auffassung, daß durch diese von mir genannten Beträge für Wohnungsbau und die anderen Zwecke einschließlich der Summen, die im Laufe des Jahres 1950 aus den Gegenwert-Fonds des Marshall-Plans zur Verfügung stehen, ein sehr starker Rückgang der Arbeitslosigkeit eintreten wird

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    wie diese beiden Regierungserklärungen, sage ich, miteinander zu vereinbaren sind, bleibt bis jetzt das Geheimnis der Bundesregierung, das, wie ich hoffe, der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Antwort enthüllen wird. Wir wollen eine ganz klare Antwort auf die Frage, ob die Mittel, die der Herr Bundeskanzler in seiner Rede vom 9. Februar zur Behebung der Arbeitslosigkeit angekündigt hat, andere Mittel sind als die im OEEC-Memorandum seiner Regierung bereits eingeplanten Mittel. Sind es andere Mittel, so fragen wir, woher sie kommen. Sind es dieselben Mittel, dann stellen


    (Dr. Veit)

    wir fest, daß ein unlösbarer Widerspruch in der Beurteilung der Auswirkungen dieser Mittel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und seinem Stellvertreter besteht.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Man muß die Sorgen, die den Verfasser des Memorandums der Regierung mit Recht bedrücken, auch unter dem Gesichtspunkt verstehen, daß die fortschreitende Liberalisierung des Außenhandels möglicherweise weitere Erschwerungen unserer Lage mit sich bringt. Auf Seite 15 Ziffer 31 des Memorandums heißt es:
    Infolge der großzügigen Liberalisierungsmaßnahmen ist nämlich mit einer wesentlich höheren Einfuhr von Fertigwaren und anderen zwar erwünschten, aber nicht unbedingt lebenswichtigen Erzeugnissen, insbesondere auf dem. Ernährungsgebiet, zu rechnen, während gleichzeitig im Zusammenhang mit dem Rückgang der Dollar-Hilfe die Einfuhren von wesentlichen Grundrohstoffen und Grundnahrungsmitteln zurückgehen werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das bedeutet also ein Absinken unserer Produktion aus der doppelten Ursache der geringeren Einfuhr von Rohstoffen und der größeren Einfuhr von Fertigwaren.

    (Zustimmung bei der SPD. Zuruf von der SPD: Kaviar!)

    Das ist eine Entwicklung, die ein Anschwellen der Arbeitslosigkeit über das erwartete Maß hinaus unvermeidlich machen wird.
    Das Memorandum kommt zu dem Ergebnis, daß die Steigerung der deutschen Produktion, auf die immer mit so großem Stolz als das sichtbare Ergebnis der derzeitigen Wirtschaftspolitik hingewiesen worden ist, bis zum Ende der Marshallplanhilfe auf etwa 106 Prozent des Friedensniveaus gebracht werden könne. Das bedeutet in Anbetracht der um 7 bis 8 Millionen gestiegenen Bevölkerungsziffer ein absolut ungenügendes Produktionsergebnis.
    Es stellt sich nun heraus, daß die Produktionssteigerung vor allem auf stark devisenabhängigen Gebieten infolge der Einfuhrmassierungen im Jahre 1949 erfolgt ist und daß der Zwang zur Einsparung von Devisen eine Steigerung gerade auf diesen Gebieten wie zum Beispiel Textilien und Schuhen trotz des vorhandenen Bedarfs kaum mehr zuläßt. Diese Notwendigkeit der Drosselung der Verbrauchsgüterproduktion aus Gründen der Devisenknappheit führt in dem Memorandum zu einer Schlußfolgerung, die geradezu als Ausdruck einer bedauernswerten Hilflosigkeit anmutet. Denn es wird gesagt, es bestünde die Gefahr, daß das Investitionsprogramm sogar gedrosselt werden müsse, weil jede Erhöhung des Produktionsniveaus durch Investitionen naturgemäß zu einer Steigerung der Beschäftigung und damit der Kaufkraft führe.(Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenn aber für diese Kaufkraft keine Deckung in einer entsprechend erhöhten Konsum- und Nahrungsgüterproduktion gegeben sei, so müsse sich daraus eine Gefährdung der preis- und währungspolitischen Stabilität ergeben. Es bestünde daher die Gefahr, daß entweder beträchtliche sozial nicht tragbare Preissteigerungen in Kauf genommen oder — und nun hören Sie gut zu - die bisher verfolgte liberale Wirtschaftpolitik für diese Sektoren nicht mehr fortgesetzt werden könne.

    (Hört! Hort! und Zuruf bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Wenn man sich aus dem Erstaunen über soviel Freimut erholt hat und den Gedanken noch einmal verfolgt, so wird hier nichts anderes gesagt, als folgendes. Wenn die Arbeitslosen durch Investitionen von Kapital in Arbeit und Brot gebracht werden, so erscheinen sie mit ihrem Arbeitsverdienst und damit mit zusätzlicher Kaufkraft auf dem Markte. Weil dieser aber nicht Waren für alle hat, werden die Preise in die Höhe getrieben; es sei denn, man würde zur Rationierung zurückkehren. Da man das aber unter keinen Umständen will, besteht die Gefahr — so sagt man —, daß man die Investitionen drosselt, keine neuen Arbeitsplätze schafft und die Arbeitslosen arbeitslos läßt.

    (Hört! Hört! und Pfui-Rufe bei der SPD.)

    Wir fragen die Regierung, ob sie sich zu diesen wirtschaftpolitischen Erwägungen und Vorstellungen des Memorandums, das sich als Memorandum der Bundesrepublik bezeichnet, bekennt, und wir fragen, wie eine solche unchristliche und unmenschliche wirtschaftspolitische Erwägung mit dem Versprechen der Regierungserklärung, so sozial wie möglich zu handeln, überhaupt noch zu vereinbaren ist.

    (Beifall bei der SPD und beim Zentrum.)

    Wo bleiben die Segnungen der Freiheit und die durch sie erwarteten Leistungssteigerungen, wenn Millionen Menschen zur Leistung nicht einmal zugelassen werden?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Und .wie ist es mit dem volltönenden Wort von der Majestät des Verbrauchers, das der Herr Bundeswirtschaftsminister erst kürzlich wieder von dieser Stelle aus gesprochen hat, wenn große Schichten des Volkes nur unter der Grenze des Existenzminimums als Verbraucher auftreten können?

    (Abg. Dr. Schmid: „Und der König absolut, wenn er unsern Willen tut".)

    Zu einem sehr erheblichen Teil ist der bisherige Zustand darauf zurückzuführen, daß man getreu der wirtschaftspolitischen Konzeption des Herrn Bundeswirtschaftsministers nur zu einem sehr bescheidenen Teil auf die Richtung der Kapitalinvestitionen Einfluß genommen hat, und zwar im wesentlichen nur auf die Gelder, die aus den Gegenwert-Fonds verteilt worden sind, und auf die Investitionen aus öffentlichen Mitteln. Bei diesen ist aber zu bedenken, daß die Verwendung nach dem föderalistischen Aufbau Westdeutschlands nicht nach einer einheitlichen, die Gesamtinteressen des Bundesgebiets berücksichtigenden Vorstellung, sondern nach Länderinteressen erfolgt ist. Auf dem Gebiete des Kapitalmarktes besteht eine nur sehr bescheidene Lenkungsmöglichkeit auf Grund des Kapitalverkehrsgesetzes. Bestenfalls ein Drittel der Gesamtinvestitionen unterlag somit einem mehr oder weniger starken Einfluß der Wirtschaftspolitik, während das Gros der Investitionen ungelenkt und unkontrolliert dem privaten Interesse überlassen wurde. Können wir uns im Hinblick auf die zu kurze Kapitaldecke und die unausweichliche Notwendigkeit, in kurzer Zeit bestimmte Ziele zu erreichen, eine solche Art der Kapitalverwendung gestatten? Ich will diese Frage nicht theoretisch beantworten, weil ich die Diskussion nicht auf die Ebene des Wettkampfes wirtschaftspolitischer Theorien oder gar Dogmen verlegen möchte. Das Volk ist nicht daran interessiert, welche Theorie richtig ist, es will, daß ihm geholfen wird, und zwar rasch und


    (Dr. Veit)

    durchgreifend und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln.

    (Zustimmung.)

    Aber ich gerate gewiß nicht in den Verdacht, parteipolitische Dogmen zu vertreten

    (Lachen in der Mitte und rechts)

    — Verzeihung, lassen Sie mich den Satz zu Ende sprechen! —, wenn ich zur Kritik der Investitionspolitik mich auf das Memorandum des Herrn Ministers für den Marshallplan berufe. Da finden wir unter Ziffer 170 auf Seite 64 folgenden bemerkenswerten Satz:
    Die Problematik der deutschen Kapitalmarktpolitik liegt darin begründet, daß
    a) die Bildung von investitionsbereitem Geldkapital weit hinter dem Finanzierungsbedarf zurückbleibt und
    — nun kommt der entscheidende Satz —
    b) der marktwirtschaftliche Mechanismus nicht ausreicht, um unter den gegen wärtigen Verhältnissen das verfügbare Geldkapital zu den Stellen des dringendsten Bedarfs hinzuführen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.) Es müssen also

    — ich zitiere immer noch den Herrn Bundesminister für den Marshallplan —
    nachdrücklich Anstrengungen unternommen werden, um die Kapitalbildung zu fördern und um das verfügbare Kapital den dringendsten Verwendungszwecken zuzuführen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Planung!)

    Meine Damen und Herren! Die Opposition befindet sich in der erfreulichen Situation, dieser Meinung — nun weiß ich nicht, darf ich sagen: der Regierung, oder muß ich sagen: eines Teiles der Regierung - voll zustimmen zu können,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    und wir bedauern nur, daß diese Einsicht nicht schon längst gewonnen und in die Tat umgesetzt worden ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf der gleichen Linie, wie diese Auffassung des Herrn Ministers für den Marshallplan liegt eine Äußerung des gewiß nicht unserer wirtschaftspolitischen Konzeption verdächtigen Präsidenten der Wiederaufbaubank, der nach einem Bericht der „Frankfurter Neuen Presse" vom 8. Februar 1950 vor der Industrie- und Handelskammer in Frankfurt folgendes ausführte:
    Bisher war die Quelle der Selbstfinanzierung am ergiebigsten; aber aus dieser Quelle entstehen wohl auch am häufigsten Kapitalfehlleitungen, da viele Unternehmer lieber eine nicht gerade notwendige Investition bei sich vornehmen, als daß sie Kapital anderen zur Verfügung stellen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Und warum funktioniert der Marktmechanismus nicht, um, die Kapitalien nach der Dringlichkeit zu steuern? Er kann nicht funktionieren, weil das Steuerungsmittel des Zinses im Hinblick auf die Knappheit des Kapitals und die Vordringlichkeit gewisser geringrentierlicher Investitionen dieses Steuerungsmittel weitgehend außer Funktion gesetzt haben. Verhängnisvoll ist, daß sich weitaus das meiste Investitionskapital bei den Unternehmern in Gestalt der Selbstfinanzierung entwickelt hat, und dieses Kapital verdankt seine Entstehung der ungenügenden Funktion des Marktes seit der Geldreform. Ein echter Wettbewerb hat sich im Hinblick auf die Mangellage und die unelastische Nachfrage der konsumgüterbedürftigen großen Masse unseres Volkes nur sehr langsam entwickelt, und infolgedessen bedeutete der plötzliche Absprung in die freie Wirtschaft für die Besitzer der Mangelwaren das Instrument, durch weit überhöhte Preise das Kopfgeld der Bevölkerung und einen erheblichen Teil ihrer umgewandelten Ersparnisse in ihre Kassen zu lenken. Daß dabei der Ertrag in weitem Umfang an den Finanzämtern vorbeifloß, ist allgemein bekannt und von deutschen Finanzministern öffentlich ausgesprochen worden.

    (Sehr gut! links.)

    Aber auch in der Folgezeit wirkte sich der Marktmechanismus nicht genügend aus, um die Selbstfinanzierung über den Preis abzustoppen. Die Ursache liegt darin, daß abgesehen von einzelnen Mangelsituationen das Spiel des Marktmechanismus durch monopolistischen oder kartellmäßigen Einfluß gehemmt wird. Daß der Herr Bundeswirtschaftsminister sich mit solcher Entschiedenheit für eine rücksichtslose Bekämpfung von Monopolen und Kartellen einsetzt, beweist das Vorhandensein dieser marktstörenden Elemente und die Notwendigkeit ihrer Beseitigung. Aber warum hat man sich dazu nun schon beinahe zwei Jahre Zeit gelassen,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    obwohl man weiß, daß eine wirkliche Marktwirtschaft nicht vorhanden ist, solange die private Monopol- und Kartellplanung sich auswirken kann? Der hemmungslose Sprung in eine angeblich freie, in Wirklichkeit kartelldurchsetzte Wirtschaft hat somit nicht nur dazu geführt, daß die große Masse über einen Knappheitspreis ausgeplündert worden ist und damit eine sozial spannungsreiche Vermögensumschichtung erfolgte, sondern hat auch die zweite verhängnisvolle Wirkung ausgelöst, daß das knappe Kapital nicht an den dringlichen Bedarfsstellen eingesetzt werden konnte.
    Der Wahrheitsgehalt der Firmierung „soziale Marktwirtschaft" wird bei dieser Betrachtungsweise eine weitere Schrumpfung erleiden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Situation ist sehr ernst, und niemand, nicht einmal der Unternehmer, der auf diese Weise seinen Status wieder in Ordnung bringen konnte, kann daran eine Freude haben. Die schwere Aufgabe, die unserer Wirtschaft befristet gestellt worden ist, kann nicht gelöst werden durch eine Politik des Treibenlassens. Sie wird auch nicht gemeistert durch Palliativmittelchen. Arbeitsbeschaffungsprogramme sind von sehr beschränktem Wert, wenn sie nicht Hand in Hand gehen mit einer sehr klaren Vorstellung von den Notwendigkeiten zur Erreichung der Lebensfähigkeit und Lenkung des Kapitaleinsatzes nach diesen Notwendigkeiten. Wir wollen hören, ob die Regierung gewillt ist, diesen Weg zu gehen. Es ist höchste Zeit. „Das Jahr 1949 ist nutzlos vertan worden".

    (Sehr wahr! links.)

    — Das ist nicht meine Erklärung, meine Damen
    und Herren, sondern das war die Neujahrsbotschaft des Herrn Dr. Semler, des Vorgängers des


    (Dr. Veit)

    Herrn Professors Erhard als bizonaler Wirtschaftsdirektor.

    (Lebhafter Beifall und große Heiterkeit bei der SPD.)

    Wir haben ihr nichts hinzuzufügen. Der Kredit, den sich die Regierungsparteien bei den Wahlen unter der Firma „soziale Marktwirtschaft" einräumen ließen, ist kein langfristiger. Der Wechsel wird heute präsentiert. Die Regierung soll sich erklären, ob sie ihn einlösen kann.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)