Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir zunächst aufgefallen, daß einer der Herren Vorredner soeben erklärt hat, die Sternfahrt sei zu Ende. Durch die Erklärung habe ich vernommen, daß er sie wohl für beendet erklärt hat.
Draußen haben sich nämlich ganz kurz vor Beginn der Sitzung noch ausreichend Wagen vorgefunden, um nicht sehen zu können, daß sich etwas verändert hat. Ich will hoffen, daß das gute Mittagessen es Ihrem Magen bekömmlicher gemacht hat, den Druck der Straße auszuhalten, den Sie heute morgen so unangenehm empfunden haben.
Ich muß sagen, daß mir erst durch Ihre Äußerungen der Druck der Straße, von dem Sie heute morgen sprachen, bei dieser Gelegenheit als überhaupt möglich bewußt geworden ist. Ich hatte gar nicht daran gedacht. Als ich aber hörte, meine Herren von der Rechten, daß man Absperrmaßnahmen auf Grund einer gar nicht vorhandenen Bannmeile *vorgenommen habe, habe ich mich gefragt, in welchem Rechtsstaat mit Streifen wir uns denn hier eigentlich befinden.
Es hat doch, so sollte man meinen, in einem Rechtsstaat jedermann die gute Befugnis, zu verkehren, wo er will,
und wenn man das nicht wünscht, so mag man eben ein sogenanntes Bannmeilengesetz machen. Ein solches besteht aber nicht.
Damit komme ich überhaupt auf das Kernproblem dieser ganzen Sache. Man neigt in diesem Hohen Hause nicht dazu, sich bei Entscheidungen, die unbequem sind, nach dem Recht zu orientieren.
Wir haben das dieser Tage bei einer Geschäftsordnungsdebatte erlebt,
und wir erleben es jetzt in einer sachlichen Debatte schon wieder einmal. Das scheint mir eben das Bedenkliche. Es kommt nicht darauf an, um was für eine Frage es sich handelt. Das, was hier vorliegt, darf man nicht nach politischen Machtgesichtspunkten erledigen. Machtpolitische Entscheidungen könnten wir ausrechnen; denn es hat sich herumgesprochen, wie die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause sind.
Wir müssen untersuchen und debattieren, ob das, was hier in Rede steht und was die Regierung tut, dem Recht entspricht, oder unsere Debatten sind zwecklos. Deswegen habe ich mich, als ich hierherkam, mit dem Gesetz- und Verordnungsblatt der Bizone bewaffnet und verweise hier auf das Gesetz vom 10. April 1949; es ist noch keine drei Vierteljahre alt. Es heißt dort im § 1:
Eine Veränderung der Preise von Waren und
Leistungen, die eine grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstandard, ins-
besondere für die Lebenshaltung hat, bedarf
der Zustimmung des Wirtschaftsrats.
Es ist in den Ausschüssen davon die Rede gewesen, ob es sich hierbei um die Frage handle, nachträglich festzustellen, welche Auswirkungen eine Preiserhöhung gehabt hat, oder ob diese Frage der maßgeblichen und grundlegenden Preisbeeinflussung vorher, generell, nach dem Potentiellen, nach dem Möglichen zu beurteilen sei. Es kann, wenn man es von der rein rechtlichen Seite überlegt, gar keine Frage sein, daß die letztere Ansicht allein die richtige ist, und zwar deswegen, weil man sonst zur Beurteilung der Gültigkeit der Preisanordnung ein halbes Jahr warten müßte, um die Auswirkungen zu erkennen. Wenn aber nun der Herr Wirtschaftsminister glaubt, uns in der letzten Stunde vor der Behandlung dieses Themas mit einem langen Gutachten bedienen zu können, so kann ich daraus nur entnehmen, daß er sich sehr lange, nämlich vom Dezember bis heute, hat quälen müssen, dieses Gutachten zu Wege zu bringen,
so daß man das Material nicht einmal nachprüfen kann.
Sie wissen, die Amerikaner haben ein Sprichwort. Es gilt sicherlich nicht für unser Ministerium; aber wenn es in Amerika gilt, kann es vielleicht auch anderswo gelten. Dieses Sprichwort heißt: „Die Steigerung von Lüge ist Meineid und Statistik." Und die höchste Stufe dieser Steigerung, die Statistik hat ihren Wahrheitsgehalt, je nach dem, mehr oder weniger, von der Zuverlässigkeit der Unterlagen. Da uns die Unterlagen nicht mitgeteilt worden sind, sind wir gar nicht in der Lage, das Gutachten nachzuprüfen.
Weil aber hier nun einmal heute die Entscheidung zu fällen ist, so bewahrheitet sich das zunächst vorgetragene Argument. Man muß die
Gültigkeit und die Erlaubtheit dieser Anordnung der Regierung — erlassen, ohne den Bundestag zu befragen — danach beurteilen, ob sie eine tiefgreifende Auswirkung haben kann oder nicht. Man muß also vorn Potentiellen ausgehen.
— Ich sage: man muß davon ausgehen, daß 'man die Wirkung und so die Zulässigkeit einer Anordnung sofort muß feststellen können. Wenn man davon ausgehen muß, so ist sie auf den gegenwärtigen Zeitpunkt zu beziehen und nicht auf den Zeitpunkt von etwa drei Monaten später, wenn man also erst festgestellt hat, wie es sich ausgewirkt hat. Es kommt auf die Frage an, wie sie sich auswirken k a n n.
Aber ein Zweites. Es handelt sich hier um eine Steuererhöhung, wie heute morgen vom Wirtschaftsminister zugegeben worden ist. Der wesentliche Faktor für die Erhöhung dieser Abgabe ist dabei nämlich die Erhöhung der Abgabe an die öffentliche Hand. Der Benzinpreis wird deswegen teurer, weil die Abgabe an den Staat um rund 6 Pfennig höher wird. Im übrigen steckt noch indirekt eine zweite Abgabe drin, weil die Transportkosten erhöht werden sollen. Allein aus diesen beiden Gründen also ist es erforderlich, den Bundestag zu hören, und zwar vorher zu hören. Wir haben also ein Recht darauf, vorher davon zu erfahren, wenn die Regierung beabsichtigt, solche Preise zu erhöhen. Dann hat der Bundestag das Recht, dazu Ja oder Nein zu sagen. Es ist hier wiederum festzustellen, daß sich die Bundesregierung bemüht, das Parlament auszuschalten. Ich verstehe nicht einmal, wieso die Mehrheit des Hauses zu diesen Bestrebungen der Regierung dauernd die Hand bietet. Wenn diese Praxis jetzt eingeführt und ausgebildet wird, so muß sie damit rechnen, daß sie fortwirken wird in einer Zeit, in der sie selber in der Minderheit ist, in der sie selber auch einmal Oppositionspartei sein wird.
Diese Art erinnert an die Vergangenheit des Herrn Bundeskanzlers, als er vor einem nach der rheinischen Gemeindeverfassung amtierenden Stadtparlament praktisch der Chef des Ganzen war.
Diese Praxis aber auf die gegenwärtige Bundesverfassung zu übertragen, halte ich für durchaus unzulässig, und ich bin der Ansicht, daß alle Parteien dieses Hohen Hauses das gleiche Interesse hätten, nämlich das Interesse, die Bundesregierung nicht übergreifen zu lassen auf das eigentliche Gebiet der Legislative, zumal nämlich hier — bei Steuern — im Grundgesetz dem Parlament ausdrücklich die 'Mitwirkung zugesichert und garantiert ist. Und da, wo sie vorgeschrieben ist, sollten wir uns diese Prärogative auf keinen Fall entwinden lassen, gerade von einer Regierung, die aber auch jede nur mögliche Gelegenheit benutzt. ihre Macht und Vollmacht auszuweiten; gerade dann, wenn es sich um eine solche Regierung handelt.
Ich weise noch auf eine weitere interessante Beobachtung bei dieser Gelegenheit hin. Es stellte sich bei der Erörterung dieses Gesetzes hier erst heraus, daß trotz allen Geredes von der Freiheit der Wirtschaft ein Monopol existiert, wie es schöner gar nicht gedacht werden kann. Während man von freier Wirtschaft spricht, wird einem einzigen Verein ein Monopol auf die Einfuhr und auf die Verteilung allen Treibstoffs, der nach Deutschland kommt, eingeräumt. Ich erhebe die Frage, ob das etwa geschieht, um den Treibstoff zu verbilligen, oder ob das deswegen geschieht, um eine Rente zu garantieren, die nicht durch Konkurrenz beeinflußt wird, und um einem Betriebe ein sorgenfreies Dasein zu gestatten, der nicht zu fürchten hat, daß einer auf den Gedanken käme, den Treibstoff auch billiger anzubieten.
— Der gelenkten Wirtschaft? Wenn die Preise dabei gesenkt würden, würde ich nichts dagegen sagen. Bisher soll es aber dazu benutzt werden, um die Preise zu steigern. Man hat sich dieses Arguments bedient, um die Preise festzuhalten und dann zu steigern.
Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß meine Redezeit zu Ende ist.
— Ja, ich kann mir denken, daß Ihnen das gefällt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich hätte Ihnen sonst noch mehr zu der Sache zu sagen gehabt. Aber es kommen ja noch andere Redner, die das ergänzen können, was ich bei der Beschränkung der Redezeit nicht erledigen konnte.